ARD-Werbemaschine für Lena:Samenballett und Dauerbeschallung

Promotion für Lena: Die ARD hat ihre Werbemaschine angeworfen - und will bis zum Eurovision Song Contest mächtig punkten.

Hans Hoff

"Bei der nächsten Performance stehen alle auf und bewegen sich wie Samen im Mutterleib."

Man hört solche Anweisungen von einer 19-Jährigen nicht so oft. Aber nachdem vergangenen Freitagabend die Kameras der ARD-Show Unser Song für Deutschland abgeschaltet waren, passte das. Zum vierten Mal hatte Lena vorher im Kölner Studio Taken By A Stranger gesungen, und hinter ihr bewegten sich Tänzerinnen in silbrigen Ganzkörperkondomen. Die hatte man dann schnell mit den kleinen Männchen verglichen, die in Woody Allens Film Was Sie schon immer über Sex wissen wollten ertragen mussten, was Spermien im Leib einer werdenden Mutter nach dem Zeugungsakt so erleben.

Es steht zu befürchten, dass dieses Samenballett in den nächsten Monaten noch häufiger auftreten wird. Nun, da Taken By A Stranger von den ARD-Zuschauern zum offiziellen deutschen Beitrag für den Eurovision Song Contest (ESC) gekürt wurde, kommt die Reklamemaschine ins Rollen. Knapp zwölf Wochen sind es noch, bis am 14. Mai in Düsseldorf entschieden wird, wer in diesem Jahr europäischer Singmeister wird.

In dieser Zeit sollen vor allem die jungen Hörfunkwellen der ARD das gewählte Lied ganz nach vorne bringen. Geht man nur mal davon aus, dass es noch 81 Tage bis zum ESC-Finale sind und dass Taken By A Stranger dreimal am Tag pro Welle zu hören sein wird, sind leicht 243 Einsätze zu berechnen. In dieser Kalkulation sind noch nicht Lenas Fernsehauftritte und die anstehenden Einsätze des Videos, das am Mittwoch kurz vor acht im Ersten Premiere feiern soll, eingeflossen.

Zu hören bekommen die Mediennutzer dann auf jeden Fall eine Version, die nicht identisch sein wird mit jener, die Lena beim ESC vortragen soll. Noch ist das Lied zu lang, denn ESC-Beiträge müssen ein Limit von drei Minuten einhalten. Auch an den eher einem VHS-Selbstfindungskurs in kreativer Körperverbiegung gleichenden Vorstellungen des Samenballetts soll dem Vernehmen nach noch gearbeitet werden.

"Effenberg unter den Popsongs"

Zwar zeigte sich Stefan Raab am Freitag durchaus angetan von der Tanzleistung, aber einem Profi wie ihm dürfte nicht entgangen sein, dass die optische Präsentation des Lena-Songs ziemlich wenig mit dem Lied zu tun hat. Das wirkt nicht so geisterhaft wie die im Text beschriebene Begegnung mit einer unbekannten Person, das wirkt im glücklichsten Fall nur albern und im schlechtesten Fall so peinlich wie die Auftritte früher belächelter ESC-Gurkentruppen.

Auf der Pressekonferenz, die nach der von nur 3,25 Millionen Zuschauern (10,1 Prozent Marktanteil) verfolgten Finalshow stattfand, gab sich Raab gewohnt optimistisch. "Ich glaube, dass wir gute Chancen haben", sagte er und verglich das Lied dann mit einem umstrittenen Fußballer. "Das ist der Stefan Effenberg unter den Popsongs. Der eine mag ihn, der andere nicht." So einfach kann Pop sein.

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