ARD-Tochter Degeto:Korrekturen, ja - aber der Kitsch soll bleiben

Lesezeit: 3 min

In der ARD gibt es Überlegungen, die Produktionstochter Degeto personell, inhaltlich und finanziell zu verändern.

Christopher Keil

Die tägliche Meldungslage zum Stand der deutschen Medien sah am Mittwoch dieser Woche so aus: Harald Schmidt verleiht Kabarettpreis in Duisburg (Deutsche Presse-Agentur), David Hasselhoff sucht nahe Kassel Verwandtschaft (Agence France Press), Mehmet Scholl bleibt bis 2012 ARD-Fußballexperte (Deutscher Depeschendienst).

Degeto-Filme wieDer Seerosenteichbedienen den Geschmack der Zielgruppe der Öffentlich-rechtlichen - und sollen auch weiterhin produziert werden. (Foto: Foto: WDR/Pflug)

Schmidt, Hasselhoff, Scholl: Es gibt schlechtere Tage, Tage, in denen Konvergenz, Drei-Stufen-Test oder der Jugendschutzbeauftragte dominieren und den Ernst des Geschäftes anmahnen.

Zusammensitzen über die Zukunft

Bis Mittwochabend ist von der ARD dann noch einiges mehr zu erfahren gewesen, zum Beispiel, dass Ingo Zamperoni Moderator des ARD-Nachtmagazins bleibt. Oder dass die ARD mehr als 100.000 Dokumente aus ihrem Internet-Angebot gelöscht hat.

Die Informationsfülle erklärt sich dadurch, dass Intendanten und überhaupt alle irgendwie wichtigen Männer und Frauen des Ersten Hauptversammlung hatten und zwei Tage in Leipzig zusammensaßen. Wobei das Zusammensitzen unter ARD-Managern von dem einen oder anderen gerne als Festsitzen beschrieben wird. Jedenfalls wird am Ende stets verkündet, was die Zukunft bringt.

Was die Zukunft bringt? In Leipzig wurde in kleiner Runde offenbar auch über die Degeto gesprochen, die Deutsche Gesellschaft für Ton und Bild. Das Unternehmen, eine GmbH aus Frankfurt, ist die Filmeinkaufsorganisation der ARD.

Wenn man sich die Selbstbeschreibung der Degeto bei ARD.de anschaut, steht da: "Geschäftszweck sind die Beschaffung und der Erwerb von Lizenzen an Fernsehsendungen aller Art, auch in Form von Kofinanzierungen, Produktionsbeteiligungen und Auftragsproduktionen (...)".

Die Tulpen sollen bleiben

Ungefähr 400 Millionen Euro stellt die ARD ihrer Tochter dafür jährlich zur Verfügung (und bekam dafür 2008 beinahe 3000 Programmstunden fürs Erste). Sie ist, wenn man annimmt, dass davon circa 250 Millionen Euro in die Geschäftsziele Eigenproduktion, Kofinanzierungen und Produktionsbeteiligungen fließen, der mächtigste deutsche Auftraggeber für TV-Movies.

Die Degeto bestellt vor allem Filme, um dem Publikum "Träume und Märchen zu verkaufen", so hat es Hans-Wolfgang Jurgan beschrieben. Die Filme heißen Ein Sommer auf Sylt (30. April) oder, kein Witz, Tulpen aus Amsterdam (7. Mai).

Jurgan, 59, ist Geschäftsführer der Degeto. Er begreift die ARD an den Degeto-Sendetagen Freitag und Montag als ewige Seifenoper. Er ist damit, in Quoten bemessen, erfolgreich. Andererseits wird ihm die Verflachung öffentlich-rechtlicher Fiktion angelastet.

In vielen Sitzungen und vertraulichen Randgesprächen haben die Führungskräfte der ARD in den zurückliegenden Monaten über das diskutiert, was man "ARD 2020" nennen können. Plötzlich ging es nicht nur um Internet, digitale Plattformen oder Multimediahaus. Es ging um Inhalte, um Qualität und um Veränderungen bei der Degeto.

Dass Jurgan, der Märchenonkel, noch einen Ko-Geschäftsführer hat, ist zwar bekannt, aber nicht weit verbreitet. Jörn Klamroth, so sein Name, war beim WDR Fernsehdirektor. 2002 stieg er in die Degeto-Geschäftsführung auf. Mitte kommenden Jahres wird er 67 Jahre alt - und verabschiedet. Perspektive, meint ein hochrangiger ARD-Mann, gestalte man am wirkungsvollsten durch Menschen.

Weitsichtige Weichenstellung

Aus einer Gruppe von möglichen Klamroth-Nachfolgern wird nach Informationen der SZ Bettina Reitz favorisiert, die derzeit beim Bayerischen Rundfunk (BR) für Fernsehfilm und Kino-Koproduktionen verantwortlich ist. Vor allem Degeto-Aufsichtsratschef Udo Reiter, Intendant des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), soll sich Reitz wünschen. Eine Entscheidung könnte vor Herbst fallen, es wäre eine für die ARD frühe und weitsichtige Weichenstellung.

Bettina Reitz, 47, und Reiter, 66, möchten sich nicht äußern. Gespräche sagt einer, der beteiligt ist, habe es längst gegeben, und bei den Intendanten, wäre Reitz, sofern sie den BR verließe, mehrheitlich Konsens.

Es würde dann wohl auch eine neue Aufgabenverteilung in der Degeto-Geschäftsführung geben. Reitz, die als integer gilt und für Qualität steht (u.a. Das Leben der Anderen), wäre eine einflussreiche Partnerin für Jurgan. Der bärtige Liebhaber melodramatischer Stoffe könnte wieder häufiger Aufgaben im Lizenzeinkauf übernehmen.

Sanften Kitsch für die Zielgruppe, ältere Damen, soll die Degeto allerdings weiterhin liefern. Zuletzt fiel sie auch als Unterstützer so wertvoller Stoffe wie Mogadischu (mit dem SWR) und Das weiße Band (Oscar-Nominierung) auf. Reitz würde diese Richtung stärken.

Wie Jurgan würde sie dann wahrscheinlich mit geringerem Budget auskommen müssen. Fast zehn Prozent, um 30 Millionen Euro, wollen die Gesellschafter, die Landesrundfunkanstalten, abziehen, um andere Projekte zu finanzieren.

Es bleibt genug übrig, um gutes Programm für Millionen zu machen.

© SZ vom 22.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: