ARD-Talk "Hart aber fair":Trump bekommt im TV-Studio eine Ferndiagnose

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Diagnose: Narzisst. Psychologe Borwin Bandelow beurteilt US-Präsident Donald Trump. (Foto: WDR/Dirk Borm)

Bei "Hart aber fair" dürfen Zuschauer ihre Fragen zum US-Präsidenten loswerden. Blöd nur, dass klare Antworten kaum möglich sind. Nur ein Psychologe wagt sich mit einer These vor.

TV-Kritik von Jakob Biazza

Es dauert eine Dreiviertelstunde, bis Robbie Williams bei Hart aber fair auftaucht. Nicht persönlich, aber zumindest als Referenz. Das muss nicht sehr verwundern, Borwin Bandelow ist schließlich zu Gast im Studio von Frank Plasberg, und wo Borwin Bandelow ist, da ist Robbie Williams meistens nicht weit. Bandelow, das steht so auf seiner Homepage, ist Psychiater und Neurologe, Psychologe und Psychotherapeut, außerdem "Autor mehrerer Bestseller über psychologische Themen". Bandelow ist bei Medien sehr beliebt.

Das liegt daran, dass der Psychologe anschaulich sprechen und erklären kann, und dabei hochgradig sympathisch rüberkommt. Es liegt aber noch etwas mehr daran, dass er, anders als viele seiner Kollegen aus den genannten Disziplinen, ziemlich wenig Scheu vor klaren Thesen hat, wo es eher keine klaren Thesen gibt. Bandelow wird also meistens dann von Medien angerufen, wenn die Ferndiagnosen zu Menschen brauchen, an die man nicht nah genug herankommt, um eine echte Einschätzung abgeben zu können: Rockstars, die sich im Spiel mit Extravaganzen und Kunstfiguren zwischenzeitlich ein bisschen verrannt haben, siehe Robbie Williams. Schauspieler, die ein paar Mal zu oft besoffen oder mit laufender Nase in der Öffentlichkeit aufgefallen sind. Zuletzt bescheinigte er Hanka Rackwitz, dass ihre Teilnahme beim Dschungelcamp eine gute Verhaltenstherapie gegen ihre Angststörungen gewesen sei. Solche Sachen eben.

Bandelow ist damit auch ein Problem. Ein Problem - oder besser: ein Symptom - der Medien- und Talkshow-Branche an sich, die unbedingt klare und einfache Antworten auf Fragen will, auf die es (noch) keine klaren und einfachen Antworten gibt.

Eine Frage, die einlädt zu Spekulationen und Ferndiagnosen

Mit Sicherheit ist Bandelow auch ein Symptom dieser Folge von Hart aber fair. Denn das Thema "Trump und wir - Experten beantworten Zuschauerfragen" lädt ein zu Spekulationen und Ferndiagnosen aller Art. Fast egal nämlich, was die Zuschauer wissen wollen (und weil die Redaktion sie durchaus ausgewogen gecastet hat, wollen sie von Wirtschaft über Migration bis zu Krieg zu fast allem etwas wissen), am Ende landet man doch quasi immer wieder am selben Punkt: in Trumps Kopf. Und da wird es eben schwierig.

Da ist zum Beispiel eine Dame aus der Nähe von Köln, die im Video-Einspieler fragt: "Was ist eigentlich so schlimm, wenn einer nach der Wahl hält, was er vor der Wahl versprochen hat?" Da ist ein Ehepaar mit deutsch-iranischer Staatsbürgerschaft, das ein Kind erwartet und wissen will: "Wer kann uns garantieren, dass die Lockerungen bleiben, dass Leute mit Greencard oder doppelter Staatsbürgerschaft noch einreisen dürfen?" Die Oma will nämlich nach der Geburt des Kindes aus den USA nach Deutschland kommen und mithelfen, fürchtet jedoch, dass sie wegen Trumps (vorläufig von einem Bundesgericht ausgesetzten) Einreisestopp für Menschen aus sieben überwiegend islamischen Ländern nicht mehr zurück dürfte.

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Da ist ein Mann aus Veitshöchheim bei Würzburg, der sich vor einem Dritten Weltkrieg fürchtet: "Muss ich mir Sorgen machen um den Weltfrieden?" Und da ist der Angestellte eines mittelständischen deutschen Unternehmens, das zu 75 Prozent für den Export produziert, und der mit Blick auf mögliche Einfuhrzölle fragt: "Muss ich mir um meinen Arbeitsplatz Sorgen machen?"

Und da sind also die Experten, die diese Fragen beantworten sollen, obwohl das (noch) nicht geht. Jürgen Hardt zum Beispiel, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion und Koordinator der Bundesregierung für die transatlantische Zusammenarbeit. Hardt sagt, dass er aus ersten Gesprächen in Washington das Gefühl habe, dass Trumps Mitarbeiter "morgens genau so gespannt auf die Twittermeldungen schauen, wie wir das tun". Genau zu wissen scheint er es aber eher nicht. Wie auch?

Ina Ruck, Leiterin des ARD-Studios in Washington, sagt mit Blick auf Beschimpfungen der Trump-Administration in Richtung von Journalisten: "Ich erlebe Situationen, wie ich sie sonst aus Russland kenne." Dann spekuliert sie darüber, ob Trump alle ihm vorgelegten Dekrete komplett gelesen habe, und wie beeinflussbar der Präsident durch Einflüsterungen sei. Politikwissenschaftler Christian Hacke ist überzeugt, dass der Präsident einem Plan folgt. "Die Frage ist nur, ob der Plan aufgeht."

Professor Marcel Fratzscher, Präsident des DIW in Berlin, gibt zur Abwechslung ein paar deutliche Antworten: Ja, der Angestellte des mittelständischen Unternehmens müsse sich Sorgen machen, weil die Welt eben hochgradig vernetzt sei. Nein, mit Protektionismus schaffe man keine Jobs und hole auch keine aus China zurück. Und ja, das Risiko für eine neue Finanzkrise steige gerade massiv. Er hat allerdings auch den Vorteil, dass er nach einer rein neoliberalen Wirtschaftslogik argumentiert. Die funktioniert ganz gut ohne den unberechenbaren Faktor Mensch.

Grundsätzlich bleibt der Eindruck: Im Plasberg-Studio werden Fragen aufgeworfen, die in ihrer Hemdsärmeligkeit eine recht fatale Mischung aus hyperglobal und unterkomplex sind. Und die zu einer Zeit gestellt werden, in der man sie mit Kaffeesatz vielleicht noch fundierter beantworten kann als mit Analysen. Und sie führen alle mehr oder weniger direkt zurück zu Borwin Bandelow.

Trump ist nicht nur in Sachen Frisur beratungsresistent

Bandelow hat nämlich eine Art Signature-Diagnose, die er für Robbie Williams benutzt, und für fast alle, nach denen er sonst gefragt wird: Borderline. Weil aber auch Bandelow weiß, dass man über den Präsidenten der USA vielleicht etwas weniger pauschal sprechen sollte als über zugekokste Schauspieler und Dschungelkandidatinnen, beschränkt er sich in der Runde auf die kleine Cousine der Persönlichkeitsstörung: Narzissmus, beziehungsweise "gefährlicher Narzissmus". Der führe zu einem "maßlos übersteigerten Selbstwertgefühl" und damit zu einer Beratungsresistenz, die "sich nicht nur auf seine Frisur beschränkt". Er bringe aber eben auch, Stichwort Kehrseite, einen "manipulativen Charme" mit sich, der wiederum erkläre, warum Trump so viele Menschen anspreche.

In Summe also eher Antworten, die den Zuschauer nicht sehr weit bringen. Aber manchmal ist es ja schon viel, die richtigen Fragen zu stellen. Plasberg jedenfalls will für die Abschlussrunde wissen, welche Fragen die Diskutanten Trump gerne stellen würden.

Der IDW-Präsident Fratzscher fragt also: Sind Sie sich Ihrer Verantwortung gegenüber der Welt als Ganzes bewusst?

Die Journalistin Ruck interessiert: Welchen Fehler haben Sie schon gemacht?

Der Politikwissenschaftler Hacke will wissen: Warum agieren Sie so stillos?

Den Politiker Hardt treibt um: Was wollen Sie, dass in den Geschichtsbüchern über Sie steht?

Und Bandelow? Entgegnet: "You can fool some people sometime, but you can't fool all the people all the time." Eine Frage ist das streng genommen nicht. Aber eine relativ klare These.

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