ARD:So viel Leidenschaft

Nach der Tagung der ARD-Intendanten in Hamburg sagt NDR-Intendant Lutz Marmor, man habe bei der Nominierung von Xavier Naidoo für den ESC einen "Fehler" gemacht. Wer in Stockholm singt, soll nun wohl doch das Publikum entscheiden.

Von René Martens

Wer bisher dachte, die ARD sei ein seelenloser Apparat, der hat sich getäuscht. Es geht dort sehr emotional zu, wie man am Mittwoch erfuhr. Thomas Schreiber etwa, der Unterhaltungschef des NDR und Unterhaltungskoordinator der ARD, sei mit großer Leidenschaft bei der Sache, findet Volker Herres, der Programmdirektor des Senderverbunds. "Aber manchmal geht ihm das Herz über." Ihm, Herres, sei das lieber, "als wenn jemand keinen Fehler macht". Schreiber genieße "weiterhin" sein "volles Vertrauen", sagte Herres ganz im Angela-Merkel-Stil nach einer Tagung der ARD-Intendanten in Hamburg.

Unter Schreibers Zuständigkeit fällt die seit Langem größte Blamage der ARD. Der NDR, der in der ARD für den Eurovision Song Contest (ESC) zuständig ist, entschied auf Schreibers Betreiben erst, Xavier Naidoo als deutschen Vertreter beim ESC-Finale im Mai singen lassen - obwohl der Künstler aus Mannheim wenig Gelegenheiten ausgelassen hat, sich als politischer Wirrkopf zu präsentieren. Nach heftigem, vor allem auch hausinternen Protest zog die ARD am Samstag die Entscheidung wieder zurück, über die Herres vorab nicht einmal informiert gewesen war.

Welche finanziellen Folgen das alles haben wird, ist noch unklar. Während Naidoo am Samstag auf Facebook sehr entspannt auf die ARD-Absage reagiert, aber auch von einer "vertraglichen Einigung" geschrieben hatte, sagte NDR-Fernsehdirektor Frank Beckmann am Mittwoch, ein Vertrag mit dem Sänger existiere nicht. Es gebe nur "mündliche Vorabsprachen" zu "Eckwerten". Wenn Naidoos Seite das als Vertrag werte, sei das "ihr gutes Recht". Da, so Beckmann, keine "Leistung abgerufen wurde", sei das nun Sache der Juristen. Naidoos Management wollte sich dazu auf Anfrage nicht äußern. Mit der Zahlung von Ausfallhonoraren an Prominente kennt sich die ARD, siehe den Fall Thomas Gottschalk, immerhin aus. Man habe einen "Fehler" gemacht, fasste der NDR-Intendant Lutz Marmor zusammen, der in der ARD den Vorsitz führt. Ob Schreiber jetzt an die kurze Leine genommen wird? "Nein, so etwas gibt es bei uns nicht", sagte Beckmann. Man werde solche Entscheidungen aber in Zukunft "breiter abstimmen".

Darüber, wer nun für Deutschland beim ESC singen darf, könnte nun doch wieder das Publikum statt der Hierarchen bestimmen. Zumindest tendiere der NDR dazu, sagte Marmor. Das müsse man aber noch innerhalb der ARD absprechen. Sicherheitshalber vermutlich.

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