ARD-Intendantin Monika Piel im Gespräch:"Wir brauchen den Spitzenfußball"

WDR-Chefin Monika Piel leitet nun für zwei Jahre die ARD. Ein Gespräch über Günther Jauch, die Bundesliga und Quotendruck.

Christopher Keil

SZ: Frau Piel, bekommt die ARD 2011 zu viel Talk?

Neue ARD-Chefin Piel

Die WDR-Intendantin Monika Piel hat am 1. Januar von ihrem SWR-Kollegen Peter Boudgoust den Vorsitz der ARD übernommen.

(Foto: dpa)

Monika Piel: Meiner Meinung nach nicht. Sonst hätte ich nicht dafür gestimmt. Die Diskussion um zu viel Talk wurde ausgelöst durch die Verpflichtung Günther Jauchs, und da ich der zugestimmt habe, kann ich nicht der Meinung sein, wir hätten zu viel Talk. Für mich ist es wichtig, dass wir in unserer parlamentarischen Demokratie, in der immer weniger Menschen wählen gehen, auch die erreichen, die keine "Info-Junkies" sind.

SZ: Dem ZDF reicht eine politische Talkshow, RTL verzichtet ganz. Die Großzügigkeit der ARD kostet reichlich.

Piel: Fiktionales Programm an der Stelle wäre noch sehr viel teurer, und Programmvergleiche mit RTL kann ich sowieso nicht sehen.

SZ: Was erhoffen Sie sich von Jauch?

Piel: Dass er eine richtig gute Sendung macht. Ich fände es persönlich sehr schön, wenn Günther Jauch bei uns auch ein Unterhaltungsformat übernehmen würde, aber das steht im Moment nicht zur Debatte.

SZ: Anne Will hat sich beklagt, die Form sei unschön gewesen, mit der die ARD den Wechsel zu Jauch vollzog. Verstehen Sie ihren Unmut?

Piel: Ich bin nicht für Anne Will zuständig, auch nicht als ARD-Vorsitzende. Anne Will ist ein Format, das der NDR einbringt.

SZ: Was wollen Sie als ARD-Vorsitzende in den nächsten 24 Monaten einbringen?

Piel: Ich kann mir nicht alle Aufgaben aussuchen. Ein großes Thema wird unser neues Beitragsmodell werden, das in alle Landtage muss. Es ist noch nicht umgesetzt.

SZ: Die Quasi-Steuer, denn künftig werden Rundfunkgebühren erhoben, unabhängig vom Gerätebesitz.

Piel: Es ist keine Steuer, ein Verfassungsrechtler hat das Modell erarbeitet. Es ist ein Beitrag. Aber Sie haben recht, es ist Infrastrukturmaßnahmen gleichgesetzt. Ich finde es aber angemessen, dass in einer Demokratie nicht nur Straßen mitbezahlt werden, ob man nun ein Auto hat oder nicht. Dass auch Information und deren Vermittlung ein Infrastrukturbeitrag ist, ist folgerichtig.

"Ein Programm ist kein Selbstläufer"

SZ: Ihr Vorgänger Peter Boudgoust vom SWR hat zu Beginn seiner Amtszeit als ARD-Vorsitzender eingeräumt, dass die ARD ein Legitimationsproblem habe. Es ist nicht zu sehen, dass dieses Problem gelöst wäre. Für die Gebühren, die zufließen, muss eine Gegenleistung erbracht werden: Qualität.

Piel: Die wird ja auch erbracht. Da sehe ich kein Legitimationsproblem. Wir kriegen die Rundfunkgebühr nicht nur, weil wir Fernsehen veranstalten, sondern auch, weil wir Hörfunk machen, weil wir Arte und 3sat und Phoenix und den Kika haben, das ZDF, das Deutschlandradio.

SZ: Ist das Programmangebot der ARD noch richtig gewichtet?

Piel: Dass man daran arbeiten muss, finde ich selbstverständlich. Ein Programm ist kein Selbstläufer. Sie müssen auch sehen, was Sie drucken. Ihre Wirtschaftsseiten werden wahrscheinlich auch nur von wenigen Leuten gelesen ...

SZ: ... das stimmt nicht ...

Piel: ... oder das Feuilleton. Sie erlauben es sich trotzdem. Wir sind in einem schwierigen Spagat. Wir sind sehr öffentlich-rechtlich. Das zeigen alleine schon unsere sechs Polit-Magazine im Ersten.

SZ: Mit sechs Redaktionen.

Piel: Warum nicht. Wir sind ein föderales System, das ist ein föderales Programm. Wir haben zudem auch jede Menge Dokumentationen.

SZ: Die ARD hat gerade einen Dokumentationssendeplatz abgebaut.

Piel: Nein, wir müssen uns an die Fakten halten. Der Informationsanteil ist bei dieser Programmreform gegenüber der Unterhaltung sogar noch einmal erhöht worden, und es wird übers Jahr nicht eine einzige Dokumentation im Mengengerüst wegfallen.

SZ: Das haben Sie exklusiv.

Piel: Ich habe das Versprechen, dass keine Doku wegfällt, und darauf werde ich als ARD-Vorsitzende achten.

"Quote heißt auch Akzeptanz"

SZ: 2010 sind ARD und ZDF trotz Fußball-WM hinter RTL gelandet. Ab wann haben Sie ein Problem, die acht Milliarden Euro für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor der Politik zu rechtfertigen? Wenn Sie unter zehn Prozent Marktanteil fallen?

Piel: Es gibt immer die Sorge. Ich glaube aber nicht so sehr daran. Und Politiker? Mir geht es da eher ums Publikum. Wenn das Publikum die Angebote nicht mehr findet, die es glaubt, für seine Gebühren finden zu müssen, dann wird es schwierig. Solange wir ein öffentlich-rechtliches Programm machen, für das wir den Auftrag haben und man stellt fest, dass es in dieser Gesellschaft nicht mehr so viel Publikum anzieht, dann würde es mich sehr wundern, wenn Politiker sagten: Ihr erfüllt zwar euren Auftrag, aber es will ja keiner sehen.

SZ: Und deshalb dürfte es bei ARD und ZDF keine Ausrichtung nach Quoten mehr geben.

Piel: Quote heißt auch Akzeptanz. Wenn man weiß, dass sich zehn Prozent der Menschen stark für Politik interessieren, dann müssen wir mit unseren politischen Magazinen versuchen, diese zehn Prozent unbedingt zu erreichen. So definieren wir im WDR die Quote. Wir analysieren den Sendeplatz und fragen: Wie viele Menschen interessieren sich dafür? Man kann nicht erwarten, dass es für die Übertragung eines Symphoniekonzertes 15 Prozent Marktanteil gibt. Da wissen wir, es sind drei oder vier Prozent, und wenn wir die erreichen, haben wir unser Ziel erreicht. In dieser Richtung müssen wir immer sehen, dass wir Quote machen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird gefährdet, wenn wir unseren Auftrag nicht erfüllen, aber nicht, wenn wir auf Platz drei oder vier rutschen.

SZ: Stört Sie das Sponsoring-Verbot vor 20 Uhr, das im neuen Rundfunkstaatsvertrag festgeschrieben ist?

Piel: Damit kann ich leben. Ich habe mich schon vor zwei Jahren dafür ausgesprochen. Nicht schön ist natürlich, dass wir keine Kompensation bekommen. Das Geld fällt einfach weg.

SZ: Warum verzichten ARD und ZDF nicht ganz auf Werbung? Das wäre eine symbolische Opfergabe und würde den öffentlich-rechtlichen Charakter betonen.

Piel: Die Symbolik fände ich richtig, nicht die Opfergabe. Ich könnte wunderbar ohne Werbung leben, wenn der Verlust ausgeglichen würde.

SZ: Die Franzosen haben es wenigstens versucht.

Piel: Und sind gescheitert. Denn sie haben festgestellt, dass das Werbegeld dann nicht automatisch den Privaten zugutekommt. Ohne Kompensation ist ein komplettes Werbeverbot für uns vollkommen unmöglich. Zumal die zurückliegenden Gebührenanpassungen seit 2005 jeweils unter der Inflationsrate lagen. Hinzu kommt, dass voraussichtlich in den sechs Jahren von 2009 bis 2014 die Gebühren nicht erhöht werden.

"Wir brauchen den Spitzenfußball"

SZ: Acht Milliarden stehen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland jährlich zur Verfügung. 400, 500 Millionen wäre da doch verzichtbar.

Piel: Wenn wir ein Konzern wären, wäre das durchsetzbar. Aber nicht so, wie wir aufgestellt sind. Die acht Milliarden teilen sich viele Sender. Da müsste man welche abschaffen.

SZ: Braucht die ARD die Fußball-Bundesliga? Sie kostet ungefähr 100 Millionen Euro im Jahr.

Piel: Ja, wir brauchen den Spitzenfußball. Das hat etwas mit Gebührenakzeptanz zu tun. Wer die Gebühr zahlt, möchte auch seinen Lieblingssport sehen. Es ist eines der Programmangebote, bei dem wir auch junges Publikum erreichen.

SZ: Halten Sie es bei den anstehenden Verhandlungen über Olympia für möglich, dass die ARD auf ganze Spiele oder auf Teile der Spiele verzichtet?

Piel: Ja. Das ist eine reine Geldfrage.

SZ: Sie als ehemalige WDR-Hörfunkdirektorin sind für viele auch die Hörfunkintendantin der ARD. Braucht die ARD heute noch 64 Radiowellen?

Piel: Jede ARD-Anstalt entscheidet selbst, wie viel Programm sie veranstaltet. Jedes einzelne Programm ist immer von der Landesregierung beauftragt. Es findet also mit politischer Unterstützung statt.

Monika Piel, 59, ist seit 2007 Intendantin des Westdeutschen Rundfunks (WDR), der größten Anstalt der ARD. Zum 1. Januar 2011 übernahm sie im Senderverbund den Vorsitz, der unter den Anstalten wechselt. Piel stieg im WDR als Radiofrau auf, 1998 wurde sie Hörfunkdirektorin; bis 2008 moderierte sie auch den Presseclub der ARD. Bei der Programmreform des Ersten hat sie für WDR-Moderator Frank Plasberg (Hart aber fair) einen Platz am Hauptabend durchgesetzt.

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