ARD erwägt Absetzung von "Marienhof":Soap's out!

Kräftemessen in der ARD: Die einen wollen den "Marienhof" einstellen, die anderen kämpfen darum. Neue Formate werden bereits gedreht.

Christopher Keil

Anfang Juli diskutierte die Fernsehprogrammdirektion der ARD in München auch über den Marienhof. Die Soap ist seit 1992 im werbefinanzierten Vorabendprogramm zu sehen und läuft mittlerweile nur noch mäßig. Der Marktanteil beim Gesamtpublikum liegt 2010 bisher bei 8,6 Prozent und hat sich innerhalb eines Jahrzehnts nahezu halbiert. Günter Struve, der frühere Programmdirektor des Ersten, sagte einmal: Die Geschichten (um ein fiktives Kölner Stadtviertel) im Marienhof seien vom Leben abgeschrieben, Glaubwürdigkeit sei ihre größte Stärke.

ARD Marienhof

Ausgang ungewiss: Der Produktionsvertrag für Marienhof läuft im Februar 2011 aus. Was dann mit der ARD-Serie passiert, wissen nicht einmal ihre Drehbuchautoren.

(Foto: ARD/Jo Bischoff)

Mit der Glaubwürdigkeit ist das so eine Sache, der Marienhof wurde 2005 zu einem Fall der Schleichwerbung. Kunden hatten jahrelang für Product Placements bezahlt, insgesamt 3,5 Millionen Euro. Nun, im Sommer dieses Jahres, einigten sich die Programmdirektoren aus inhaltlichen Gründen darauf, den Produktionsvertrag für den Marienhof erst einmal nicht zu verlängern, er endet im Februar 2011. In der Intendantenrunde herrscht eigentlich Klarheit - nur zwei votierten für weitere Staffeln der Serie.

Inzwischen leitet Frank Beckmann, Fernsehdirektor des NDR, die gemeinschaftlich besetzte ARD-Vorabendredaktion. Einer seiner ersten Vorschläge war, die Zeit zwischen 18 und 20 Uhr auch mit einer neuen Form von Krimis zu bestücken ("Krimi light"). Die Senderchefs zeigten sich mit dem auf Humor zielenden Konzept einverstanden.

Zwei Aufträge für Piloten - Einführungsfilme - wurden daraufhin vergeben. Nach SZ-Informationen ging der eine an die Firma Ziegler Film Köln, der andere wohl an das Münchner Unternehmen Odeon. Die Demostücke sollen vor etwa acht Wochen gezeigt worden sein. Zieglers Beitrag trägt den Arbeitstitel "Küß mich Koch", die Konkurrenz setzt angeblich auf "Kampen".

Ein mit dem Vorgang "Marienhof" Vertrauter berichtet nun, in beiden Fällen sei man angetan gewesen. ARD-Manager Beckmann antwortete auf Anfrage: "Mit der Neuausrichtung des Vorabendprogramms im Ersten werden zur Zeit alle Formate analysiert und bewertet. Ein Ergebnis steht fest: Wir werden keine weitere Soap entwickeln. Wie bereits mehrfach angekündigt, arbeiten derzeit einige Produktionsfirmen an humorvollen Krimiformaten für den Vorabend. Einen darüber hinausgehenden Sachstand gibt es nicht."

Das Gute von gestern

Auch Matthias Esche, Geschäftsführer des ARD-Ablegers Bavaria, lässt an diesem Montag mitteilen: Es gebe keinen neuen Sachstand, die Entscheidung über Absetzung oder Fortführung des Marienhofes stehe weiter aus. Die Bavaria ist Produzent der Soap, es geht um Hunderte Folgen, die wegfielen. Doch wenn Beckmann herausstellt, dass es keine Soaps am Vorabend mehr geben werde, warum haben Programmdirektoren und Intendanten sich bisher nicht auf eine Zukunftslösung einigen können?

Im Hintergrund, wie so oft im Ersten, gibt es augenscheinlich ein Kräftemessen. An diesem Mittwoch soll das leidige Thema in einer Schaltkonferenz abgeschlossen werden. Standortpolitische Gründe spielten in den zurückliegenden Wochen eine große Rolle. Vor allem der Bayerische Rundfunk, vermutlich vertreten durch Intendant Thomas Gruber, macht sich für den Marienhof stark. Der BR ist über eine Tochterfirma Gesellschafter wie auch der Westdeutsche Rundfunk und der Mitteldeutsche Rundfunk. Beim WDR ist Monika Piel Intendantin, sie wird 2011 für 24 Monate ARD-Vorsitzende. Und sie ist gerade Aufsichtsratsvorsitzende der Bavaria.

Hat Piel wie der BR für einen Verbleib des Marienhofes gestimmt? Ein Insider sagt, am Marienhof zeige sich, ob in der ARD das Bessere gegen das Gute eine Chance habe. Jedenfalls ist der Marienhof auch nur noch das Gute von gestern. Der Vorabend dagegen ist eine größere Problemzone der ARD - von heute.

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