"Blütenträume" im Ersten:Im Stuhlkreis anbandeln

ARD-Themenwoche 'Heimat'
(Foto: Bettina Müller/dpa)

In "Blütenträume" wollen Best Ager das Flirten lernen. Paul Harather ("Indien") verfilmte das Bühnenstück allerdings ein bisschen zu behäbig.

Von Christine Dössel

"Wir sind alle einsam. Wir wollen alle unser Leben ändern und jemanden finden."

Die das eingangs sagt, zu anheimelnder Barockmusik wie aus dem Klassikradio, ist nicht etwa eine Philosophin und auch kein Psycho-Coach. Im Gegenteil: Die Maklerin Julia beschreibt sich selbst als das "Klischee der beruflich erfolgreichen Frau mit katastrophalem Privatleben". An Sexpartnern fehlt es der Schönen nicht - Nadeshda Brennicke gibt sie als leicht verführbares Betthäschen mit lispelnden Locklippen -, aber hinterher sind sie immer alle weg.

Weshalb sich die Singlefrau nun fürs Flirtseminar an der Volkshochschule eingeschrieben hat. Weil der Kurs "40 plus" ausfällt, landet sie im Kurs "50 plus", wo sie mit sechs Vertretern der Generation "Best Ager" einen Stuhlkreis bildet, um markttechnische Strategien für die erfolgreiche Partnersuche zu erlernen.

Rollenfutter für charakterstarke Schauspieler

Das ist die Ausgangssituation für eine "Dramödie" - wie der komödienhafte Fernsehfilm mit ernstem, melancholischem Unterton heutzutage heißt - nach dem gleichnamigen Theaterstück Blütenträume von Lutz Hübner: ein Film, der nicht nur dem immer älter werdenden Fernsehpublikum thematisch anspruchsvoll Rechnung trägt, sondern auch schönes Rollenfutter bietet für charakterstarke Schauspieler älteren Semesters.

Nein, keine Senioren! Die Blütenträumer nennen sich "Menschen in der nachberuflichen Lebensphase", als da wären: Britta (Proschat Madani), die strenge, etwas verkniffene Bibliothekarin mit dem kritischen Emanzenblick. Der Autoschrauber Heinz (Max Herbrechter), ein bodenständiger Ruhrpottler, der schon mal ritterlich mit der Rechten einschreitet; dazu Friedrich (Falk Rockstroh), ein eitler Schuldirektor a.D. - ganz alte Chauvi-Schule. Der Schreiner Ulf hingegen (Rufus Beck) ist mehr der Frauenversteher, ein Softie mit Zauselbart und Sommerhut. Und dann sind da noch die Witwen Frieda (Corinna Kirchhoff) und Gila (Teresa Harder): Gila, die Herzliche, die für ihre Kinder putzt und die Enkel sittet, sonst aber nicht erwünscht ist. Und Frieda, die Zarte, jahrzehntelang verheiratet mit einem Mann, der sehr viel älter und am Ende nicht mehr er selber war, und die nun gar nicht mehr weiß, wie das geht: alleine leben.

Sie alle haben ihre Sturköpfe, Eigenheiten und Ticks, sind fertige Persönlichkeiten - aber noch nicht fertig mit dem Leben.

Gefällig, aber nicht platt

Einer nach dem anderen hat seinen großen Auftritt. Der wesentlich jüngere Kursleiter Jan (Alexander Khuon), ein Minijobber und verkrachter Schauspieler (letztes Engagement: Theater Eisenach), hat für die Runde kein Gespür. Er ist so überfordert, dass die Alten ihn zum Teufel jagen und sich bei einer Gruppenparty gewissermaßen selbst therapieren. Dabei kommt der kühne Plan einer gemeinsamen WG auf.

Lutz Hübners Stücke, etwa Frau Müller muss weg, sind Bühnenrenner. Gefällig, aber nicht platt. Am Puls der Zeit, aber nicht böse abgründig. Mit einer Typenparade zum Lachen, Weinen und Wiedererkennen. Das alles bedient der Österreicher Paul Harather in seiner BlütenträumeVerfilmung etwas zu behäbig. Indien - von und mit Josef Hader und Alfred Dorfer - gelang ihm damals verwegener.

Blütenträume, ARD, 20.15 Uhr.

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