Anti-Paparazzi-Gesetz:Halle Berry und der Wunsch nach Ruhe

Halle Berry

Halle Berry bei der Oscar-Verleihung 2013 - als Star ist sie Kameras gewohnt, ihre Kinder will sie schützen.

(Foto: AFP)

Hollywoodstars setzen sich für eine Gesetzesänderung in Kalifornien ein: Kinder sollen nicht mehr wegen des Berufes ihrer Eltern belästigt werden dürfen. Dabei geht es nicht nur um Berühmtheiten.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Halle Berry saß mit sorgenvollem Blick auf ihrem Stuhl und bemühte sich, nur ja nicht wie ein Hollywood-Star zu wirken. "Auch wenn mich mein Anwalt als Schauspielerin vorgestellt hat, bin ich als Mutter hier", sagte sie am 26. Juni in einem Gerichtssaal im kalifornischen Sacramento. "Ich bin hier als eine Mutter, deren Tochter fünf Jahre alt ist, ihr Name ist Nahla. Und als die Mutter eines kleinen Jungen in meinem Bauch, dem wir noch einen Namen geben müssen. Ich spreche heute hier für sie."

Berry war nach Sacramento gekommen, um vor dem Ausschuss für öffentliche Sicherheit den Gesetzesvorschlag des demokratischen Senators Kevin de Leon zu unterstützen. Es ist die Senate Bill 606 des Bundesstaates Kalifornien, mit der Kinder davor geschützt werden sollen, aufgrund der Tätigkeit ihrer Eltern belästigt zu werden.

Vordergründig geht es darum, dass Fotografen den Kindern von Stars immer wieder zu nahe kommen. Deshalb schaffte es die Gesetzesinitative überhaupt in die Schlagzeilen - und natürlich schadet es dem öffentlichen Interesse nicht unbedingt, wenn eine Oscar-dekorierte Schauspielerin in ärmellosem schwarzen Rollkragen-Oberteil für die Angelegenheit einsteht.

Es geht jedoch um mehr. Es geht auch um die Kinder von Polizisten, Lehrern oder Richtern. Um alle, die aufgrund des Berufs ihrer Eltern gehänselt, gedemütigt oder auch nur fotografiert werden.

Bislang sieht das Gesetz bei der ersten Belästigung eine Strafe von höchstens 1000 Dollar oder einen Gefängnisaufenthalt von höchstens 60 Tagen vor - eine Mindeststrafe gibt es nicht. Das soll sich nun ändern.

Ersttäter sollen mit einem Gefängnisaufenthalt von mindestens zehn Tagen bestraft, die Höchststrafe auf ein Jahr erhöht werden. Beim zweiten Vergehen: mindestens 30 Tage Gefängnis und eine Geldstrafe bis zu 10000 Dollar. Beim dritten Mal: mindestens 60 Tage hinter Gittern. Nicht nur leibliche Kinder sollen Schutz unter dem Gesetz finden, sondern auch Adoptivkinder und Mündel.

Für 100.000 Dollar? "Würde ich sofort machen"

Es wäre untertrieben, die Beziehung zwischen Hollywood-Stars und Fotografen als schwierig zu bezeichnen. In letzter Zeit ist sie jedoch noch weiter abgekühlt. Ben Affleck und Angelina Jolie haben sich öffentlich über die immer raueren Praktiken der Paparazzi beschwert, Steven Tyler initiierte im Februar den so genannten "Steven Tyler Act", der es Fotografen auf Hawaii verbieten sollte, Berühmtheiten bei privaten Aktivitäten zu fotografieren.

"Dieses Paradies ist ein Magnet für Berühmtheiten, die in Ruhe Urlaub machen möchten", sagte Tyler, der von anderen Stars wie Avril Lavigne, Tommy Lee, Britney Spears und Ozzy Ozbourne unterstützt wurde: "Als öffentliche Person akzeptiere ich Paparazzi, aber wenn sie in unser Privatleben vordringen, dann überschreitet das eine Grenze." Tylers Antrag wurde abgelehnt.

In Kalifornien geht es nun nicht um die Prominenten selbst, sondern um deren Kinder. Wie begehrt diese Fotos sein können, zeigt ein Interview des Fernsehsenders ABC News mit dem Fotografen Ricardo Mendoza. Als er gefragt wurde, ob er vor der Schule warten würde, die Halle Berrys Kinder besuchen, sagte er, dass er keinesfalls so weit gehen würde. Die nächste Frage: Ob er es denn machen würde, wenn er 100.000 Dollar mit dem Foto verdienen könne. Seine Antwort: "Würde ich sofort machen."

"Sie belagern die Kinder"

Die Preise für Exklusiv-Fotos variieren je nach Berühmtheit, Fotograf Steve Sands etwa soll 300.000 Dollar vom Magazin People für das erste Foto des Kindes von Gwyneth Paltrow und Chris Martin erhalten haben. Für Bilder des Nachwuchses von Katie Holmes und Tom Cruise soll gar eine siebenstellige Summe geboten worden sein.

"Meine Tochter will nicht mehr zur Schule gehen, weil sie weiß, dass diese Männer sie beobachten", so Berry, "sie springen aus Büschen hervor oder hinter Autos oder kommen wer weiß woher - sie belagern die Kinder, nur um ein Foto zu bekommen." Es gehe in diesem Fall nicht um sie selbst: "Ich bin seit mehr als 20 Jahren in diesem Geschäft, es ist eine Hassliebe. Ich brauche sie, sie brauchen mich."

Es gehe bei dieser Gesetzesänderung nur um die Kinder, die Rechte der Paparazzi würden ansonsten nicht beschnitten. Und es gehe auch nicht nur um den Nachwuchs von Berühmtheiten, sondern um den aller Eltern, die einen Beruf ausüben, mit dem sie auf irgendeine Weise in der Öffentlichkeit stehen. In den USA hatte es zuletzt immer wieder Berichte darüber gegeben, dass sich Kinder von Polizisten oder Politikern gehänselt gefühlt hatten.

Journalistenvereinigungen in den Vereinigten Staaten sehen den Fall allerdings anders: Sie fürchten, dass bei einer Gesetzesänderung die Arbeit von investigativen Reportern und Fotografen eingeschränkt würde: "Es bedeutet, dass die tägliche Arbeit von Journalisten strafrechtlicher und zivilrechtlicher Haftung ausgesetzt wird", sagt Jim Evert von der California Newspaper Publishers Association.

Zudem kritisieren die Vereinigungen, dass nach der Gesetzesänderung Fotos und Videos nur noch mit schriftlicher Einwilligung eines Vormundes erlaubt sein sollen. Heutzutage läuft aber fast jeder mit einem Telefon herum, mit dem Fotos und Videos möglich sind. Aus diesem Grund seien bei einer Gesetzesänderung, so die Journalistenverbände, auch Privatpersonen vor strafrechtlicher Verfolgung nicht mehr sicher.

Die Mitglieder des Ausschusses stimmten in Sacramento nach dem Plädoyer von Halle Berry für den Antrag. Er wird nun dem kalifornischen Justizausschuss vorgelegt.

Als Halle Berry übrigens nach ihrer Aussage das Gebäude verlassen wollte, wurde sie von Reportern und Fotografen verfolgt, bis sie in einen für sie reservierten Fahrstuhl steigen konnte.

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