"Anne Will" zum TV-Duell:Zum Glück keine Trump-Schlammschlacht

Anne Will, Talkshow, ARD

Bei "Anne Will" waren sich die Talkshowgäste in diesem Punkt einig: Ein Schlammschlacht-Duell wie in den USA wünscht sich hierzulande niemand.

(Foto: NDR/Wolfgang Borr)

Nach dem TV-Duell sind Müntefering, Gottschalk und Guttenberg Gast bei "Anne Will" - und alle sind froh, dass es in Deutschland keine amerikanischen Verhältnisse gibt.

TV-Kritik von Lars Langenau

Was wollen wir eigentlich? Dass sich im Rededuell um das wichtigste politische Amt des Landes zwei Menschen vor laufenden Kameras verbal verhauen? Dass sie sich gegenseitig der Lüge bezichtigen, sich ihre Verachtung zeigen - oder gar drohen, den Konkurrenten nach der Wahl vors Gericht zu ziehen? Kann man haben. Muss man nur in die USA ziehen.

In der Diskussionsrunde "Anne Will" direkt im Anschluss an das TV-Duell von Angela Merkel und Martin Schulz (achten Sie auf die Wortwahl, liebe Leser: und, nicht etwa gegen) waren sich zumindest zwei Menschen sehr einig, wie gut es ist, dass es "bei uns nicht so läuft": Der eine, Thomas Gottschalk, lebt seit 20 Jahren in Malibu. Der andere ist Karl-Theodor zu Guttenberg, der über seine Plagiatsaffäre gefallene Ex-Superstar der CSU. Nach seinem Sturz zog er in die USA und gründete in New York eine Investment- und Beratungsfirma.

Beiden sind der US-Wahlkampf und der Sieg des Populisten Donald Trump wohl noch stärker präsent als den Mitdiskutanten. Sie loben, dass es im Duell von Merkel und Schulz nicht zu persönlichen Angriffen oder gar zu Tritten unterhalb der Gürtellinie kam. Sie scheinen da ihre alte Heimat allerdings nicht mehr so gut zu kennen: So eine Schlammschlacht, wie die von Donald Trump gegen Hillary Clinton im vergangenen US-Wahlkampf, dürfte in Deutschland wohl noch auf Jahrzehnte undenkbar sein. Zumindest auf Ebene der Kanzler-Kandidaten.

Neben den Auslandsdeutschen Gottschalk und Guttenberg sitzen die Spiegel-Redakteurin Christiane Hoffman, die ARD-Frau Sandra Maischberger, die zuvor das TV-Duell mitmoderiert hat. Und der ehemalige SPD-Chef Franz Müntefering,

Müntefering, einst Wahlkampfleiter des siegreichen Gerhard Schröder und später Minister und Vize-Kanzler unter Merkel, fällt es schwer, seinem Parteifreund Schulz einen Sieg im TV-Duell anzudichten. Zwar lobt er Schulz als "konkret und lebendig". Aber zu offensichtlich ist in allen Umfragen, die die Sendung unterbrechen, dass es Schulz eben nicht geschafft hatte, den Wind noch auf den letzten Metern zu drehen.

Damals, 1998, als Gerhard Schröder die Wahl gewann, da sei die allgemeine Stimmung gewesen "Kohl muss weg", sagt Müntefering. "Soweit sind wir hier noch nicht." Und dann, weil er Schulz sicher nicht in den Rücken fallen will, in seiner markigen Art: "Es kommt an auf den Platz." Für Münteferings Verhältnisse aber hat er diesen Satz etwas zu leise, zu beiläufig fallen lassen.

Immerhin eine "kleine Sensation"

"Er war zu höflich", findet Gottschalk. Das lässt sich auch andersherum sehen. Schulz entspannte sich nach steifem Beginn mehr und mehr. Er wurde souveräner, teilweise witzig, lachte mehr als zu Anfang. Zugleich wurde er emotionaler, sympathischer. Und hatte Merkel manchmal in der Tasche. Es entstand beinahe Appetit auf ein zweites Duell. Das wird ihm nichts nützen. Ein zweites Duell, eine zweite Chance verweigert ihm die Amtsinhaberin.

Maischberger erzählt von ihren Eindrücken als Moderatorin des TV-Duells. "Es war ein bisschen wie ein Business-Meeting", sagte sie. Beide seien sehr geschäftsmäßig gewesen. Immerhin konnte sie die Kontrahenten mit ihrer Frage aus der Reserve locken, ob sie denn am Sonntag in der Kirche waren. Ja, Schulz in einer Kapelle. Merkel am Samstag.

Dann übt Maischberger ein wenig Selbstkritik: "Mit Migration anzufangen ist nicht ganz falsch." Danach aber hätte vielleicht das Thema der sozialen Gerechtigkeit folgen müssen und nicht die Außenpolitik. Weil es da zu viel Konsens zwischen den beiden gebe.

Immerhin weist die Spiegel-Redakteurin Hoffmann darauf hin, dass es durchaus eine "kleine Sensation" gegeben habe: "Wir werden eine völlig andere Türkei-Politik bekommen." Schulz und Merkel hatten erklärt, die EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara beenden zu wollen.

Aus der Sicht von Guttenberg änderte sich an dieser Einigkeit aber auch nichts, als es um soziale Fragen ging. Die Rente mit 70 etwa, eine Forderung des Wirtschaftsflügels der CDU. "Merkel das Thema in zwei Sätzen abgeräumt", konstatiert Guttenberg. Die "maßvolle Debatte" habe seine Erwartungen zwar erfüllt. Doch manchmal habe er den Eindruck gehabt, der "Fusion der großen Volksparteien" beizuwohnen. Ein Eindruck, den auch Hoffmann teilt. Sie habe "kein Duell gesehen, sondern eine Bewerbung für eine neue große Koalition".

Tatsächlich war es weitgehend ein Duell Regierungspartei versus Regierungspartei. Schulz schiele wohl schon auf das Amt des Außenministers, bemerkte Guttenberg. Und auch Maischberger hat gemerkt, wie sehr Schulz auf staatsmännisches Benehmen bedacht war. "Da war nochmal der EU-Parlamentspräsident im Studio", sagte sie.

Aber will jemand tatsächlich etwas anderes? Mehr Rumms, weniger Sachlichkeit? Der Blick in die USA sollte reichen. Auch wenn Wahlkampf in Deutschland ein langweiliger ist: Bloß keine amerikanischen Verhältnisse!

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