"Anne Will" in der ARD:Fünf gegen Trump

´Anne Will"

Anne Will und ihre Gäste Christoph von Marschall, Susan Neiman, Klaus von Dohnanyi, Michael Wolffsohn und Norbert Röttgen.

(Foto: dpa)

Anne Wills Gäste deuten die Außenpolitik des US-Präsidenten. Das klappt nur bedingt - das System Talkshow braucht einen neuen Zugang zum Phänomen Trump.

TV-Kritik von Maximilian Heim

Kein Mensch kennt den Namen des montenegrinischen Premierministers. Aber viele Menschen kennen inzwischen seinen Gesichtsausdruck, wenn von hinten Donald Trump ankommt - und ihn wenig zart zur Seite schiebt. Die Filmsequenz der Rüpelei beim jüngsten Nato-Treffen eröffnet diese Sendung von "Anne Will". Was dann folgt, lässt sich in drei Abschnitte unterteilen. Beginnen wir mit der Apokalypse.

Die Apokalypse trägt das lockige Haar offen und spricht mitunter etwas schrill. Die US-amerikanische Philosophin Susan Neiman beklagt, dass Trump sein Land in der westlichen Wertegemeinschaft isoliere. Die kritiklose Anbiederung an Saudi-Arabien. Die oberlehrerhaft vorgetragene Kritik an den anderen Nato-Staaten. Der desaströse G-7-Gipfel. "Europa muss nun westliche Werte verkörpern und verteidigen", sagt Neiman. "Von den Republikanern wird das nicht mehr gemacht."

Das Problem: Was oder wer genau eigentlich Europa ist, sagt Neiman nicht. Und auch sonst beschränken sich ihre Ausführungen größtenteils auf kurze Feststellungen wie: "Politik kann Trump nicht." Das sind Einschätzungen, die derzeit viele Menschen teilen - gerade in Deutschland. Das ist aber alles auch nicht neu. Kommen wir deshalb zur zweiten Teilüberschrift der Sendung: Hoffnung.

"So ist er, so war er immer, so ist die Persönlichkeit"

Die Hoffnung trägt das graue Haar kurz und gehört fest zum bundesdeutschen Talkshow-Mobiliar. Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, analysiert Trumps ruppigen bilateralen Kurzkontakt mit dem Montenegriner wie folgt: "So ist er, so war er immer, so ist die Persönlichkeit. Und er wird sich auch nicht mehr ändern." Deshalb setzt der CDU-Politiker auf das politische System der USA. Justiz, Kongress, Senat.

Röttgen verrät: Wenn er mit republikanischen Abgeordneten spreche, höre er, dass sich derart chaosbeladene Wochen wie zuletzt nicht mehr oft wiederholen dürften. Wie diese Republikaner heißen und wann genau sie sich zu einer möglichen Amtsenthebung Trumps formieren, verrät Röttgen zwar nicht. Unterstützung erfährt er dennoch, etwa aus dem Sessel nebenan. Dort sitzt Historiker Michael Wolffsohn, auch er hofft auf ein Impeachment-Verfahren - und zitiert eine Umfrage, wonach gerade einmal noch 35 Prozent der US-Amerikaner mit Trump zufrieden seien. Negativrekord. Und Hoffnungsschimmer für seine Gegner.

Bleibt in der Abteilung Hoffnung der langjährige Washington-Korrespondent Christoph von Marschall. Trump habe bisher überall seinen Kurs im Vergleich zum Wahlkampf geändert. "Je unverlässlicher Trump, desto besser für Europa." Marschalls Beobachtung zufolge ist Trumps Handlungsspielraum schon jetzt sehr eingeschränkt.

Unerhörte Szenen beim Nato-Gipfel

Der dritte Abschnitt dieser Sendung trägt den Titel Hadern - und wird von allen Gästen immer mal wieder bedient. Röttgen etwa hält bedrückt fest, dass Trump sich nicht eindeutig zum Bündnisfall-Artikel der Nato bekennen wollte. Stattdessen habe der US-Präsident die Verlässlichkeit der USA bewusst offengelassen. Und das bei der Enthüllung eines Denkmals, das an den bisher einzigen Bündnisfall erinnert - den von den USA 2001 angeführten Afghanistan-Krieg.

Auch Klaus von Dohnanyi, einst Staatsminister im Auswärtigen Amt und Erster Bürgermeister in Hamburg, findet die Szenen des Nato-Treffens unerhört. Trump habe die 27 anderen Mitglieder als Deppen dargestellt, Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg habe ihm kein Kontra gegeben und müsse daher weg. Militärisch seien die USA kein verlässlicher Partner mehr. Das Finale der Rubrik Hadern bleibt aber der Philosophin Neiman überlassen. Hillary Clinton habe drei Millionen Stimmen mehr bekommen, ruft sie tatsächlich.

An dieser Stelle wird klar, woran die Architektur der Runde krankt. Wenn fünf von fünf eingeladenen Menschen den US-Präsidenten befremdlich bis furchtbar finden, bleibt eine kontroverse Diskussion auf der Strecke. Lediglich Historiker Wolffsohn lässt den ein oder anderen Grauton zu - wenn er darauf hinweist, dass auch Deutschland Waffengeschäfte mit Saudi-Arabien mache. Oder wenn er festhält, dass man das Atomabkommen mit Iran durchaus kritisch sehen könne.

Vorschlag für die nächste Runde: weniger Gäste, mehr individuelle Redezeit

"Trump ist nun mal gewählter Präsident", stellt der kluge Dohnanyi gegen Ende fest. "Unsere Runde befasst sich nicht mit dem zentralen Thema." Das lautet an diesem Sonntag: "Staatsmann oder Sicherheitsrisiko - Kann Donald Trump Außenpolitik?" Und auch wenn jeder Gast dazu eine Meinung hat, ist der Erkenntnisgewinn gering. Das liegt sicher auch an der Fülle vergleichbarer Sendungen. Vielleicht wäre "Fünf für Donald" mal eine Idee. Oder weniger Gäste, die mehr Redezeit haben.

Einstweilen bleibt als finale Anmerkung ein möglicher Wissensvorsprung für den nächsten Politologen-Stammtisch. Der montenegrinische Premierminister trägt den schönen Namen Duško Marković.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: