Angriffe auf ausländische Journalisten:China erklärt Reporter zu Freiwild

Bei regierungskritischen Protesten in Peking halten Chinas Polizei und Staatssicherheit ausländische Journalisten auf Abstand - mit gezielter Gewalt.

Henrik Bork, Peking

Seit diesem Sonntag ist es gefährlicher geworden, als Auslandskorrespondent in China zu arbeiten. Chinas Sicherheitskräfte haben begonnen, westliche Journalisten in Peking mit körperlicher Gewalt gezielt einzuschüchtern.

Chinese police turn up in force in Beijing's Wangfujing amid onli

Die chinesische Polizei schirmte die "Jasmin-Proteste" in der Pekinger Einkaufsmeile Wangfujing von der Öffentlichkeit ab - Reporter gerieten dabei ins Visier und wurden geschlagen.

(Foto: dpa)

Von einer "völlig neuen Dimension" der Repression spricht der ZDF-Korrespondent Johannes Hano, der selbst Opfer eines Zugriffs war. Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass es sich nicht um die Überreaktion einzelner Beamten handelt, sondern um eine gezielte und wohlüberlegte Strategie der chinesischen Führung.

Am frühen Sonntagnachmittag waren viele ausländische Korrespondenten in die Pekinger Innenstadt gefahren, weil es im Internet erneut anonyme Aufrufe zu "Jasmin-Protesten" nach arabischen Vorbild gegeben hatte, unter anderem um 14 Uhr vor dem McDonald's in der Einkaufsmeile Wangfujing.

In der Vorwoche hatte sich dort bereits eine kleine Menschenmenge versammelt, in Shanghai zeitgleich ebenfalls ein paar hundert Leute, und es war zu Festnahmen von Chinesen und einzelnen Handgemengen mit Reportern gekommen. Doch die westliche Presse war noch mit der üblichen Zurückhaltung behandelt worden.

Anders am vergangenen Sonntag. Um 14:45 Uhr begannen fünf Agenten der Staatssicherheit in Zivilkleidung, den Journalisten Steve Engle von Bloomberg News zu attackieren.

Die Männer schlugen ihn ins Gesicht und traten auf ihn ein, als er schon am Boden lag. Seine Kamera nahmen sie ihm weg. Er musste sich im Krankenhaus behandeln lassen. Auch andere Reporter sind bei ihren Festnahmen so rüde behandelt worden, dass sie, wenn auch leicht, verletzt wurden.

Abtransportiert und stundenlang festgehalten

Schon in den Tagen davor hatte es Hinweise gegeben, dass am Sonntag an einzelnen westlichen Reportern ein Exempel statuiert werden sollte. In "gewissen Kreisen" der chinesischen Führung sei der Eindruck entstanden, die westliche Medien hätten "eine Agenda", hatte eine hochrangige chinesische Beamtin im vertraulichen Gespräch mit einer Gruppe europäischer Journalisten gewarnt.

Es sei der Führung des Landes aufgefallen, dass an den Protest-Sonntagen überwiegend Journalisten in der Wangfujing auftauchten. Am späten Freitagabend vergangener Woche bekamen dann etliche Journalisten in Peking einen Anruf von der politischen Polizei der Visa-Behörde, die indirekt aber unmissverständlich vor Recherchen in der Pekinger Innenstadt warnten. Die Botschaft war klar, dass "durchgegriffen" werden solle.

Am Sonntag hatte dann ein massives Polizeiaufgebot nicht bloß jegliche eventuell geplante Demonstrationen verhindert, auch die schärfere Behandlung der Journalisten wurde gezielt umgesetzt. Mehrere Berichterstatter - nicht bloß Bloomberg-Mann Engle - wurden geschlagen.

Mehr als ein Dutzend ausländische Reporter wurden rabiat herumgeschubst, in Verhörstuben abtransportiert und stundenlang festgehalten, darunter die Korrespondentin der ARD, Christine Adelhardt, und der ZDF-Korrespondent Johannes Hano.

Er habe sich auf der Wache, wo sein Filmmaterial gelöscht wurde, vergleichsweise sicherer gefühlt als zuvor in der Wangfujing, sagte Hano nach seiner Freilassung. Auf der Straße habe eine "wahnsinnige Aggressivität" geherrscht: "Wir waren zum Freiwild erklärt worden."

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