Am Kiosk:Neues von gestern

Am Kiosk: Nylon soll in diesem Jahr zunächst drei Mal im Verlag der Werbeagentur Philipp und Keuntje erscheinen. Die Auflage liegt bei 80000 Exemplaren zum Preis von je 3,80 Euro.

Nylon soll in diesem Jahr zunächst drei Mal im Verlag der Werbeagentur Philipp und Keuntje erscheinen. Die Auflage liegt bei 80000 Exemplaren zum Preis von je 3,80 Euro.

(Foto: OH)

Das US-Magazin "Nylon" erscheint auf Deutsch, wirkt aber nicht so frisch wie das Original, das Ende der 90er-Jahre schräger und mutiger war als andere Frauenzeitschriften. Dass 1999 lange vorbei ist, machen auch die wenigen Anzeigen deutlich.

Von David Pfeifer

Erinnert sich noch jemand an das Jahr 1999? Man zahlte mit D-Mark, die Zwillingstürme in New York standen noch, und dieses verrückte neue Ding namens Internet ließ Zwergenfirmen anschwellen, bis sie 2001 platzten. 1999 schwammen die Medienhäuser noch in Geld, weil viele Anzeigen gebucht wurden. Aus diesem Jahr stammt das US-Magazin Nylon, ein damals irgendwie frischeres, schrägeres, mutigeres Frauenmagazin. Mode war darin zu finden, klar, aber auf den Bildern war auch mal was vom Flohmarkt zu sehen. Promis wurden vorgestellt, aber eher die lässigen, kreativen, die noch zu Stars werden sollten. Gelegentlich wurden sie von Helena Christensen fotografiert, einem Supermodel, das Nylon mitgegründet hat (alleine der Begriff "Supermodel" - mehr 90er-Jahre geht ja wohl nicht).

Umso erstaunlicher, dass im Sommer 2017, also 16 Jahre nach der ersten Medien-Krise, eine deutsche Ausgabe von Nylon an den Kiosk kommt. Denn der Markt der Frauenzeitschriften ist ebenso dicht besetzt wie stark unter Druck. Vor allem leiden die Titel darunter, dass der Anzeigenmarkt eingebrochen ist. Die Modefirmen investieren mittlerweile eher in eigene Kanäle oder finanzieren sogenannte Influencer, also junge Menschen, die im Internet mit aufwendiger Selbstinszenierung so viel Aufmerksamkeit gewinnen, dass Firmen ihnen gerne kostenlos sündhaft teure Handtaschen überlassen, die diese dann abfotografieren und ihren Followern als ganz heiße Ansage verkaufen. Wohl auch deswegen sieht man in der deutschen Nylon-Ausgabe wenig Anzeigen, was ja erstmal wohltuend ist.

Und man findet in der Folge statt der Luxusfirmen-Porträts, die häufig abhängig sind von den Buchungen der Werbekunden, einen Besuch bei "Doc Martens", dem Hersteller der legendären Schuhe, die Punks und Skins gleichermaßen trugen, und die es schon so lange gibt, dass sie zum xten Mal wieder in Mode sind. Auch die Autorin und Schauspielerin Lena Dunham wird gewürdigt, ebenso wie ein paar unbekanntere Kreative, die man zumindest interessant finden kann. Auch eine dieser neuen Influencerinnen wird vorgestellt, Caro Daur, die gerade vom Manager Magazin angemault wurde, wegen ihrer Industrienähe, was ein bisschen so wirkte, als würde sich ein Vertreter der Kutschfuhrwerke-Innung über Elektromotoren mokieren. Andererseits hätte ein wenig Abstand auch dem Nylon-Porträt gut getan. Insgesamt wirkt die deutsche Ausgabe noch nicht ganz so frisch wie das Original, was allerdings daran liegen kann, dass wir nicht mehr 1999 schreiben.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: