Ägypten:Kraftprobe

Nach der Stürmung des Sitzes ihrer Standesvertretung in Kairo haben Journalisten zu Protesten gegen die Sicherheitsbehörden aufgerufen. Vor allem der Innenminister steht in der Kritik.

Von Paul-Anton Krüger

Sicherheit vor Verfolgung gibt es für Journalisten in Ägypten unter Präsident Abdel Fattah al-Sisi nicht, auch wenn der Präsident gerne behauptet, die Presse sei unter seiner Regentschaft so frei wie noch nie. Nun spitzt sich die Verfolgungswelle im Zuge der jüngsten Proteste gegen die Übertragung zweier Inseln an Saudi-Arabien zur Kraftprobe zwischen dem Regime und der Standesvertretung zu. In der Nacht zum Montag hatten Sicherheitskräfte den Sitz des Journalistensyndikats gestürmt, um dort Amr Badr und Mahmud el-Sakka zu verhaften, den Chefredakteur des regimekritischen Internetportals Yanair (Januar) und einen seiner Mitarbeiter. Sie hatten mit einem Sitzstreik gegen die Durchsuchung ihrer Wohnungen und Haftbefehle gegen sie protestiert. Die Behörden werfen ihnen vor, falsche Nachrichten verbreitet zu haben und einer Organisation anzugehören, die zum Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung aufrufe. Die Staatsanwaltschaft teilte mit, sie habe in ihren Häusern "Schusswaffen, Molotow-Cocktails und aufhetzerische Flugblätter" gefunden.

Bislang galt das Journalistensyndikat als "Burg der Freiheit" und unantastbar für die Sicherheitskräfte. Der Verband fordert wegen des Eindringens der Polizei in das Gebäude nun den Rücktritt des Innenministers Magdi Abdel Ghaffar. Die Journalisten kündigten Protestaktionen an, unter anderem für den Internationalen Tag der Pressefreiheit am Dienstag, und eine Vollversammlung an diesem Mittwoch. Ein Sitzstreik am Montag wurde dadurch erschwert, dass die Polizei die Straßen rund um das Gebäude abriegelte. Der Verband beklagte "Barbarei und Aggression" der Sicherheitskräfte. Diese verletze die Würde der Journalisten und des Volkes. Das Innenministerium bestreitet, dass die Polizei mit Gewalt ins Gebäude eingedrungen ist. Es seien nur acht Polizisten beteiligt gewesen, um den Haftbefehl zu vollstrecken.

Selbst Al-Ahram, die wichtigste halbstaatliche Zeitung, fordert die Entlassung des Innenministers. Er habe einen beispiellosen und inakzeptablen Fehler begangen. Es sei ein Irrtum, zu glauben, Journalisten so mundtot machen und die Meinungsfreiheit unterdrücken zu können, die in der Verfassung verankert sei. Ein Kommentator in Masry al-Youm, einer wichtigen privaten Zeitung, schrieb, das Eindringen der Sicherheitskräfte in die Journalistenkammer sei rechtlich eine Straftat und politisch ein gravierender Fehler, der sogar in der Zeit von Mubarak nicht vorgekommen sei.

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