Ägypten:Grenze überschritten

Lesezeit: 2 min

Eine Ramadan-Serie über die Radikalisierung eines Ägypters befeuert den Konflikt mit dem Nachbarland Sudan.

Von Paul-Anton Krüger

Abu Omar al-Masry ist ein Anwalt, der sich zum bärtigen Dschihadisten wandelt; ein Ägypter, wie sein nom de guerre sagt. Er trainiert im benachbarten Sudan mit einer islamistischen Terrorgruppe. Und er belastet die Beziehungen zwischen den Nachbarländern schwer. Allerdings existiert Abu Omar al-Masry nur als Titelfigur einer ägyptischen Fernsehserie, die im quotenstarken Fastenmonat Ramadan läuft. Dargestellt wird er von Ahmed Ezz, einem der bekanntesten arabischen Schauspieler. Als Vorlage dient ein Roman des ägyptischen Schriftstellers, Kolumnisten und Ex-Diplomaten Ezz al-Din Shoukry Fisher.

All das ist auch dem Außenministerium in der sudanesischen Hauptstadt Khartum bekannt, das Ägyptens Botschafter einbestellte, um gegen die Ausstrahlung im Privatsender On-E zu protestieren. Sudans Botschaft in Kairo reichte eine formelle Beschwerde beim ägyptischen Außenministerium ein. Die Serie verbreite ein falsches Bild von Sudan als Unterschlupf für Terroristen, erklärte ein Sprecher des Außenministeriums, und verlangte von Ägypten, eine "angemessene Entscheidung", um die "Sabotage der Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu unterbinden" - also die Absetzung der unliebsamen Serie.

Die Beziehungen zwischen Sudan und Ägypten sind gespannt. Es gibt Zank um die Nutzung des Nilwassers, entgegengesetzte Ansichten zum politischen Islam und Territorialstreit. Kürzlich protestierte Ägypten in Moskau gegen eine Online-Umfrage des staatlichen russischen Auslandssenders RT, die fragte, ob das von Kairo kontrollierte Halayeb-Dreieck am Roten Meer nun zu Ägypten oder Sudan gehören solle; Khartum erhebt seit 1958 Ansprüche darauf. Der Kanal zog die Umfrage brav zurück - es stand ein Treffen der Außen- und Verteidigungsminister der beiden Länder in Moskau bevor.

Meinungs-, Presse- oder Kunstfreiheit gelten den Regierenden nicht viel: Sudan liegt beim Index für Pressefreiheit der Journalisten-Organisation Reporter ohne Grenzen auf Platz 174 von 180, Ägypten auf Platz 161. Kairo lehnt es jedoch ab, die wohl beliebteste der mehr als 30 Ramadan-Serien abzusetzen. Während der Sender mitteilte, er habe auf keinen Fall eine Krise auslösen wollen und den rein fiktionalen Charakter der Serie betonte, erklärte der Vorsitzende des Obersten Rates zur Regulierung der Medien, Makram Mohamed Ahmad, der Zeitung Al-Masry al-Youm, die Serie stelle bewiesene Tatsachen dar, und es gebe keinen Grund, sie zu verbieten. Das Gremium ist stramm auf Regierungslinie. Tatsächlich lebte der 2011 von den USA getötete Al-Qaida-Chef Osama bin Laden von 1992 bis 1996 in einer Villa in Khartum - auf Einladung der Regierung.

Ramadan-Serien sind die teuersten, aufwendigsten und meistgesehenen Fernsehproduktionen der arabischen Welt - und immer für Aufreger gut: Die Christen in Ägypten sind auf der Palme, weil in einer Serie ein Priester im Ornat geraucht hat. Der ebenso bekannte wie umstrittene Fernsehprediger Amr Khaled ist mit massiven Protesten und Boykottaufrufen in sozialen Medien konfrontiert. In einem Werbespot mit der bekannten Fernsehköchin Assia Othman versprach er maximale Spiritualität im Ramadan durch Verzehr von Hühnchen des saudischen Produzenten al-Wattaniyah. In einem Video entschuldigt er sich ebenso kleinlaut wie uneinsichtig - "nur Gott kennt meine wahren Intentionen", säuselte er. Die Ägypter wissen, dass es vor allem ums Geld geht: Die Werbepausen in den meisten Serien sind länger als die Folgen selbst.

© SZ vom 25.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: