"Absolute Mehrheit" mit Stefan Raab:Plausch mit dem Frauenfreund

"Absolute Mehrheit" mit Stefan Raab

Keine Revolution: Moderator Stefan Raab als Polit-Talker

(Foto: dpa)

Während sich andere in der Frage verheddern, ob Stefan Raab ein Duell Merkel gegen Steinbrück mitmoderieren darf, probiert Raab sich weiter in seiner Show "Absolute Mehrheit" aus. Und siehe da: Das politische Abendland geht nicht unter.

Eine TV-Kritik von Irene Helmes

Den Tumult drumherum muss man sich dazudenken bei Stefan Raabs Talkshow: Die Diskussion, ob der Moderator der Richtige ist, politische Gespräche zu leiten. Die Debatte um Sinn und Unsinn seiner eigenen Talkshow. Die Tatsache, dass sich jüngst SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück höchstpersönlich in der Frage verheddert hat, ob Raab sein TV-Duell mit Angela Merkel komoderieren sollte. Die Tatsache, dass Raab selbst im Gespräch mit dem Branchendienst DWDL ausdrücklich seinen Hut in den Ring geworfen hat. Zu sehen war in der zweiten Folge von "Absolute Mehrheit" nichts davon. Die Sendung war keine Kampfansage, sondern - schlicht eine Talkshow.

Ein Kölner Studio im Retrolook mit gerahmtem Joachim-Gauck-Porträt, Saalpublikum, im Hintergrund Easy Listening. Drei Themen, fünf Gäste. Zur "Ladies' Night" hatte Raab Dorothee Bär (CSU), Katja Dörner (Grüne), Linda Teuteberg (FDP) und Yvonne Ploetz (Die Linke) geladen. Nach dem Motto "Meinung muss sich wieder lohnen" winkten - nach der verpassten absoluten Mehrheit der Premierensendung - 200.000 Euro im Jackpot.

Ein bisschen Eigenlob zur Begrüßung durfte nicht fehlen. Sat-1-Nachrichtenmann Peter Limbourg proklamierte "die einzige Talkshow, die schon die 80-prozentige Frauenquote eingeführt hat". Man biete zudem die jüngste Sendung ihrer Art, da die Damen auf dem Panel im Schnitt 32,85 Jahre alt seien. Es gelte für den Abend: "jung, weiblich, ambitioniert".

Als Überraschungsgast und 20-Prozent-Mann hatte sich Raab dazu den Musiker sund "Mann des Volkes" Olli Schulz eingeladen. Die Bezeichnung "normaler Bürger" ließ der nur zögernd auf sich sitzen. Seine Vorschläge gerieten im Verlauf mäßig konstruktiv ("Bei manchen Leuten muss man einfach abwarten, dass sie aussterben"). Doch wer sich an prominente Teilnehmer der letzten öffentlich-rechtlichen Talks erinnernt - man denke an Sophia Thomalla in Maybrit Illners Sexismus-Runde - wird sich kaum beklagen.

Lieber liebhaben als würdigen

Vieles war erwartbar in Raabs Sendung, wie der gewollt provokante Einspieler mit Playmobilmännchen und Polemik gegen Frauenquoten im Job. "Warum nicht auch eine für Brillenträger und Allergiker", fragte da eine Frauenstimme aus dem Off und: "Dann lieber hochschlafen, da haben wenigstens beide was davon, finde ich". Wer nach solchen Vorlagen eine Krawallrunde befürchtet hätte, konnte stattdessen einen äußerst zivilisierten Meinungsaustausch der Gäste beobachten.

Von Raab gab es dazu vorhersehbare Anspielungen ("Sie sehen übrigens phantastisch aus heute Abend" zu FDP-Frau Teuteberg) und verkraftbare Anstachelungen ("Glauben Sie den Quatsch?"). Den einen oder anderen Spruch kitzelte er zwischendurch immerhin heraus, wie "Wenn's Stimmen bringt, dürfen Sie alles zu mir sagen" (Bär).

Wirklich ungewöhnlich war das aber alles nicht. Stefan Raab gestikulierte als Polit-Talker wie seine Konkurrenten mit Moderationskarten, hatte die Debatte mal schlechter, mal besser im Griff. Natürlich, vieles klang - wie beim ersten Mal - ein bisschen anders als bei Will & Co. Bei Raab wird eher "liebgehabt" als geschätzt oder gewürdigt, wird "auf die Rübe" gegeben statt kritisiert oder gerügt.

Seine Recherchemethoden macht der Moderator nicht gerade zum Mysterium - "Ich habe über Sie alle mal so rumgegoogelt". Statt eine klage Aussage zur Frauenquote bringt er lieber einen Spruch wie: "Ich bin grundsätzlich ein Frauenfreund." Die Talkshow neu erfinden sähe aber anders aus.

Polit-Gesichter aus der zweiten Riege

Während sich Raab also in seiner noch ungewohnten Rolle ausprobierte, gab Limbourg am Analysepult den alten Hasen. Er sollte nach der jeweiligen Runde die Strategien zusammenfassen - "immer schön in die Kamera gesehen, Frau Ploetz". Falls es ein Zuschauer nicht selbst gemerkt haben sollte: "Wir haben gesehen, dass eine Talkrunde fröhlich sein kann und trotzdem kontrovers".

Raab hielt sich für seine Verhältnisse fast zurück. Dafür musste ausgerechnet Limbourg regelmäßig seine persönliche Meinung mitteilen - ob zur Frauenquote (will er nicht, jedenfalls nicht gesetzlich) oder zu Politikern und Journalisten (er ist lieber Journalist und Intrigen gibt es überall).

Nach drei kurzen Runden zu drei riesigen Themen - zu Frauenquote, "Tugendrepublik Deutschland" und Mietwahnsinn - war das Publikumsvotum klar. FDP-Frau Teuteberg gewann vor Bär, Ploetz, Schulz und Dörner. Dass die früh ausgeschiedenen Dörner und Schulz bis zum Ende unverändert mitdiskutierten, ließ die umstrittene Gewinnprämie belanglos wirken. Ausgezahlt wurde sie mangels absoluter Mehrheit sowieso wieder nicht.

"Absolute Mehrheit" mit Stefan Raab

Talken über Politik (von links): Dorothee Bär (CSU), Yvonne Ploetz (Die Linke), Gastgeber Stefan Raab, Linda Teuteberg (FDP), Katja Dörner (Grüne) und der Musiker Olli Schulz.

(Foto: dpa)

Was bleibt also, lässt man die Aufregung im Umfeld außen vor? Keine schlechte Sendung. Keine revolutionäre Sendung. Einfach eine Sendung, die leider durch Aktionen wie die Schnellfragerunde gegen Ende doch noch genau den Klamauk nachlieferte, der erfreulich lange gefehlt hatte (Raab zu Schulz: "Frau Bär oder Frau Ploetz?", Schulz: "Für die Immobilien Frau Bär, für einen schönen Saufabend Frau Ploetz").

"Heiß auf Politik gemacht"

Dass Raabs Gästeliste noch weniger prominent war als bei der Premiere, kann als Zeichen gelten, dass die Sendung hinter den hohen Erwartungen zurückbleibt. Andererseits: Einer der hartnäckigsten Vorwürfe an Raabs Konkurrenten ist, dass bei ihnen die immergleichen Gesichter Parade laufen. Abwechslung war diesmal durchaus geboten.

Dass "Absolute Mehrheit" kein Erdrutsch ist in der TV-Landschaft, legt aber auch ein Blick auf Facebook nahe: 3042 Likes vor dem Start, 3236 Likes kurz nach Ende dieser Sendung. "Ich hoffe, wir haben Sie ein bisschen heiß gemacht auf das eine oder andere politische Thema", schloss Raab seinen Abend um 00:40 Uhr.

Die nächste "Absolute Mehrheit" ist für Ende März angekündigt. Der Kampf um die Zuschauer geht dann weiter. Dass die Voraussetzungen nicht optimal sind, bringt eine Userin auf der Facebook-Seite der Sendung auf den Punkt: "Politik soll wieder interessant werden?! Warum werden solche Formate nicht gegen die Mittagszeit oder Sonntagnachmittag gesendet?! Die Zielgruppe, die Sie möglicherweise erreichen wollen, geht dann am Montag übermüdet wieder zurück in die Hamsterräder."

Auf Twitter wird derweil schon wieder fröhlich gelästert: "Wo es in der nächsten Folge schon 300.000 € zu gewinnen gibt, wird Absolute Mehrheit bald für Peer Steinbrück attraktiv."

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