Westliche Journalisten beim Parteitag in China:Peking-Ente

Journalisten aus dem Westen, da sind sich Chinas Parteibonzen relativ einig, sind Nervensägen, die einen wohlorchestrierten Parteitag ruinieren können. Diesmal kam in Peking trotzdem eine australische Journalistin zu Wort - vier Mal sogar. Richtig, da stimmt etwas nicht.

Christoph Giesen

Pressekonferenz in Peking

Von links nach rechts: Zhang Gaoli, Liu Yunshan, Zhang Dejiang, Xi Jinping, Li Keqiang, Yu Zhengsheng und Wang Qishan bei der Pressekonferenz am 15. November in Peking.

(Foto: Getty Images)

Es ist nicht unüblich in China, dass Unternehmen Ausländer zu Repräsentationszwecken einstellen, wirkt man doch so viel internationaler und weltoffener. Vor allem Architekturbüros oder Werbeagenturen heuern für Präsentationen gerne Studenten aus dem Westen an. Sie bekommen dann einen Satz Visitenkarten ausgehändigt, auf denen sie mindestens als Vizepräsident geführt werden.

Vor den Kunden halten die Scheinchefs ihre Vorträge dann auf Englisch, besser noch auf Deutsch oder Schwedisch, damit sie niemand versteht. Was sie genau erzählen, ist herzlich egal, übersetzt wird, was sich die Chinesen zuvor überlegt haben. Bislang gab es diese Scheinwelt nur in der Wirtschaft, inzwischen setzt aber auch der chinesische Staat auf diese plumpen Täuschungsmanöver.

Westliche Journalisten, da sind sich Chinas Parteibonzen relativ einig, sind unangenehme Nervensägen, die zur falschen Zeit die falschen Fragen stellen und so einen wohlorchestrierten Parteitag ruinieren können. Bei Pressekonferenzen kommen deshalb nur chinesische Journalisten zu Wort. Beim diesjährigen Parteitag in Peking war das anders.

Vier Mal meldete sich eine australische Journalistin, vier Mal durfte sie fragen. Sie stellte sich als Andrea Yu vor, ob sie wirklich so heißt, ist unklar: "Ich bin von Global CAMG Media International mit Sitz in Australien", sagte sie und legte los. Mal trug sie in stockendem Chinesisch vor, mal hatte sie Glück und eine Dolmetscherin war im Raum.

Sie erkundigte sich nach der Städtepartnerschaft zwischen Melbourne und der Hafenstadt Tianjin und interessierte sich brennend dafür, wie China und Australien in Zukunft noch stärker kooperieren können. Kritischere Fragen stelle Andrea Yu nicht. Kein Wunder. CAMG hat zwar tatsächlich seinen Sitz in Melbourne, doch die Firma gehört mehrheitlich dem chinesischen Staat und kooperiert mit dem Parteisender China Radio International.

"Ist das überhaupt echter Journalismus, den Sie hier machen?", fragte sie ein Reporter des australischen Rundfunks ABC. Andrea Yu antwortete verlegen: "Hm, ich habe gerade erst angefangen, ich bin noch sehr neu." Der ABC-Mann hakte nach: "Es ist doch kein Zufall, dass ausgerechnet Sie Fragen stellen dürfen, oder?" Die Parteikader wüssten doch "dass Sie eine einfache Frage von Ihnen bekommen, oder?" Andrea Yu knickte ein: "Ich denke, das ist teilweise so, ja." Die westlichen Architektur-Schauspieler hätten gekonnt die Klappe gehalten.

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