TV-Kritik: Ottis Schlachthof:Verrätselte Pointen

Ottfried Fischer als sturer Stammtisch-Patron, dazu eine Handvoll namhafter Kabarett-Kollegen wie Josef Hader und Andreas Giebel: Wenn "Otti" in den Schlachthof einlädt, gerät die Freitagabend-Unterhaltung zum Fest der Wurstigkeit. Was bleibt, ist ein satirisches Grundrauschen - mit einigen wenigen lichten Aha-Momenten.

Rupert Sommer

Ein Fest der Wurstigkeit: Ottfried Fischer hat es geschafft. Zum Schluss seiner Sendung sah Josef Hader, der verschmitzte Großmeister der kleinen Form, wirklich geschafft aus. Angesichts des barock überbordenden Otti-Gesamtkunstwerks aus Satirebotschaften, die dieser nuschelnd in der ihm eigenen Geschwindigkeit kundtat, angesichts der mythologischen Anspielungen aus der Schatztruhe altbayerisch humanistischer Schulbildung, wirkte das Strizzi-Grinsen zunehmend maskenhaft.

Fischers Kabarettprogramm feiert Premiere

Einmal im Monat lädt Kabarettist Ottfried Fischer zum Stammtisch in den Schlachthof ein.

(Foto: dpa)

"Ich war schockiert, wie fad das ist", sagte Hader in der Sendung. Dass er sich dabei gar nicht auf das skurrile Sammelsurium der Und-jetzt-zum-nächsten-Gast-Sendung bezog, sondern einen eigenen, nicht minder bizarren Gedankenspaziergang durch die staubige Welt der Karl-May-Verfilmungen einleitete, war wie vieles in der verschlampten, aber doch liebenswerten Sendung mal wieder völlig nebensächlich.

Satirisches Grundrauschen

Die Hektik des Zeitgeists konterte der sture Stammtisch-Patron Fischer an diesem Abend mit stoischer Gelassenheit, kantenfreien Gemeinplätzen ("Die einzigen Piraten, die es in Bayern gibt, sind die CSU") und verrätselten Pointen, über die man lange nachdenken muss - beim konzentrierten Einschenken des Feierabendbiers.

Was bleibt, ist ein satirisches Grundrauschen - mit dadaistisch Hermetischem ("Ude statt Plastik", "Landeshauptstadt Mykonos") und einigen wenigen lichten Aha-Momenten. Dass es um die Untergangsstimmung im Tollhaus Europa offenbar doch nicht so schlimm stehen kann, machte Fischer etwa an einer scharfsinnigen Beobachtung fest. "Der Ramsauer hat schon seit zwei Tagen keine Pkw-Maut mehr gefordert", sagte er.

Im großen humoristischen Ganzen der Freitagabend-Unterhaltung im Bayerischen Fernsehen wirft Fischer aber auch Widerhaken aus. Der Fakten-Charakter seiner Traditionssendung darf nicht zu kurz kommen. Und so folgt nach dem Zuckerbrot-Peitsche-Prinzip auf jeden der gemäß Sendungskonzept heiteren Gäste der hart recherchierte Servicethemenblock.

Und der darf bei Fischer natürlich kein neumodisches Infotainment sein. Wichtigster Tagsordnungspunkt: der Hinweis auf den aktuellen Tourneeplan seiner Gäste. Und so leitet Fischer charmant, aber bestimmt nach jedem Kurzauftritt zum Wesentlichen über. "Lars Reichow, was hast du denn für Termine?", bohrt er unerbittlich nach - und erntet damit breite Zustimmung auf der Gästebank. "Lass uns mal einen ganzen Abend nur über Termine machen", schlägt Fischer-Spezi Andreas Giebel vor. Merke: Tourtermine zu verlesen, ist für die Ausgewogenheit des Programms von immenser Wichtigkeit. Auch wenn man mal auf dem Spickzettel nur ein Datum in Darmstadt finden sollte.

Das vermeintlich Leichte ist eben kein leichtes Geschäft, das muss auch der Moderator eingestehen. "Ich zwinge mich mal, dass ich die Sendung zu Ende bringe", gesteht er in der Schlussphase und bindet seine Gesprächspartner als alter Routinier dabei geschickt ein. "Hört halt auf, ich habe keine Lust mehr", spornt er seine Gäste mit väterlicher Strenge an. Nur um sofort wieder die Zügel in die Hand zu nehmen und die Sendung mit den ungekünstelten Worten "Was haben wir denn noch?" ihrem Höhepunkt entgegenzutreiben. Für seinen anarchischen Moderationsstil haben Fischers Gäste jedenfalls alle echte Bewunderung übrig - gepaart mit Fassungslosigkeit.

Was schließlich noch festzuhalten gilt: Andreas Giebel versteht sich geschickt auf das zeitgemäße Recycling gebrauchter Programminhalte. Seine Nummer über die "Notdurftkomparsen" bei der Oscar-Verleihung - ein Thema von überzeitlicher Strahlkraft - lässt er geschickt in die Erkenntnis übergehen, dass in Talksendungen wie Menschen bei Maischberger angeblich alle Gesprächspartner Windeln tragen. Auf Talk-Shows einzuprügeln, ist ein satirisches Gebot der Stunde.

Die Weltkrise im Wohnzimmer

Der scharfzüngige Berliner Frank Lüdecke weiß, warum die Jugendlichen soviel saufen - nämlich wegen Günther Jauchs Regenwald-Bierkästen ("Alkoholismus ist gut für den Umweltschutz"). Gleichzeitig durchschaut er auch die Mächtigen mit kritischem Röntgenblick: "Es kann nicht jeder die Deutsche Bundesbank leiten", sagt er. "Es fehlt vielen die kriminelle Energie." Hoho!

Kabarett-Newcomer Tilmann Birr wenig verführerisch

Die Weltkrise ins Wohnzimmer holte dagegen der Mainzer Lars Reichow, der über den mit dem Sofa und dem Computer verwachsenen Nachwuchs klagte. Wenn schon die Drohung, den Sohnemann notfalls an die Odenwald-Schule zu schicken, nicht mehr fruchtet, dann setzt es wenigstens verschärften Stubenarrest.

Weniger verführte dagegen der Schaufensterblick aufs noch junge Gesamtwerk des Kabarett-Newcomers Tilmann Birr. Er übertraf seine Kollegen an Unoriginalität und erzählte von den Leiden des jungen Call-Center-Angestellten. Umso wichtiger war der Kontakt zu den Satire-Senioren, von denen er doch wirklich noch etwas lernen kann. "Wir nennen es nicht Burnout-Syndrom", verriet ihm Kollege Lüdecke, "sondern Best-of-Programm."

In diesem - und ganz in Fischers Sinne - abschließend noch zum Wichtigsten: den Terminen. Die nächste "Ottis Schlachthof"-Ausgabe läuft am 25. November. Überraschungen sind vermutlich auch dann nicht zu erwarten.

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