Sexismus-Vorwurf gegen "Sportschau"-Werbung:Gebührenfinanzierte Neandertaler

Ein Werbespot der ARD für die "Sportschau" sorgt für Empörung: zwei Plastilin-Neandertaler spielen mit Geschlechter-Klischees. Er ist ein triebgesteuerter Fußballfan, sie buhlt um seine Aufmerksamkeit. Der Sender hält das für Humor, viele Zuschauer nicht. Darf das öffentlich-rechtliche Fernsehen das?

Katharina Mittelstaedt

Kaum ist Bundesliga-Anpfiff, leidet die deutsche Frau chronisch unter mangelnder Aufmerksamkeit von ihrem Partner - so das gängige Klischee. Männer interessieren sich für Fußball, Frauen eben nicht. Diese Stereotypen greift Das Erste in seiner neuen Werbung für die "Sportschau" auf - und hat sich dafür nun harsche Kritik eingefangen.

Screenshot Sportschau-Werbung

Neckisches Outfit, lasziver Blick: In ihrer "Sportschau"-Werbung provoziert Das Erste mit sexistischen Klischees.

(Foto: ARD)

In dem 30-Sekunden Spot kommt ein Knetgummi-Neandertaler nach Hause, wirft seine Holzkeule beiseite und setzt sich vor den Fernseher. Er nimmt die knöcherne Fernbedienung in die Hand und kann - endlich - "Sportschau" gucken. Doch er bleibt nicht lange ungestört. Denn sein Neandertaler-Weibchen will Aufmerksamkeit. Sie ist blond, vollbusig, ihre wulstigen rosa Lippen zieht sie nach unten. Sie fühlt sich vernachlässigt, wenn er Fußball schaut. Ihre Lösung für das Problem? Die Kleider müssen vom Leib.

Also entledigt sie sich ihres getigerten Kleidchens, trägt nun Korsage und Mini-Rock. Doch ihr Mann bleibt bei der Bundesliga. Sie gibt nicht auf: Noch eine Schicht muss runter. Nun räkelt sie sich selbstbewusst in einem Bustier im Muster zweier Fußbälle und noch kürzerem Mini vor dem Fernseher. Er? Begeistert. Grinst über beide Ohren.

Dann fällt das erste Wort. Sie säuselt: "Neandertaler", leicht abschätzig, doch zufrieden. Und eine Stimme aus dem Off sagt: "Männer waren schon immer so, zumindest samstags" - eine Referenz an die "Sportschau", die nach der Sommerpause von Samstag an wieder wöchentlich ausgestrahlt wird.

"Ich bin absolut empört. Dafür zahle ich also GEZ-Gebühren?", sagt die Genderforscherin Stevie Schmiedel, die lange Dozentin an der Universität Hamburg war und sich nun hauptberuflich mit der Darstellung von Geschlechterstereotypen in der Werbung befasst. Ihrer Meinung nach ist der Spot sexistisch in Bezug auf beide Geschlechter. Frauen würden sexualisiert dargestellt und Männer lediglich auf ihre Triebe reduziert, sagt Schmiedel Süddeutsche.de.

"Kinder glauben, Männer denken nur ans Eine"

Einige Gebührenzahler, die über Social-Media-Kanäle ihren Unmut äußern, geben der Feminismus-Expertin Recht. Auf der offiziellen Facebook-Seite der "Sportschau" schreibt ein Nutzer: "Geschlechter-Klischees wiederholen wird auch mit Knetfiguren nicht lustiger, geschweige denn erträglicher." Ein anderer twittert: "Frauen interessieren sich nicht für Fußball, Männer sind schwanzfixierte Neandertaler. Denkt zumindest die @sportschau." Positive Stimmen sind seltener vertreten: "Ich mag die Werbung der Sportschau."

Die ARD zeigt sich in einer Stellungnahme gegenüber Süddeutsche.de von der Kritik überrascht. Der Spot betrachte augenzwinkernd die unterschiedlichen Vorstellungen von Mann und Frau hinsichtlich ihrer Freizeitgestaltung. "Uns geht es in unsere Knetmännchen-Kampagne um archaische Muster in der Gesellschaft, die natürlich deutlich ironisch überhöht dargestellt werden", sagt Axel Balkausky, Sportkoordinator der ARD. Man amüsiere sich über das verbreitete Machogehabe mancher Männer.

Genau darin sieht Genderforscherin Schmiedel das Problem: "Sexistische Kampagnen werden oft durch Ironie gerechtfertigt." Vor allem Kinder seien jedoch frühestens ab ihrem achten Lebensjahr in der Lage, diese zu verstehen und nähmen dadurch unvermittelt die Stereotypen auf. "Junge Menschen glauben dann, wie die ARD es sagt, dass Männer eben immer schon Kerle waren und sind, die vor der Glotze hocken und nur das Eine im Kopf haben."

Beim deutschen Werberat, einem Organ zur Selbstregulierung der Werbewirtschaft, gingen inzwischen zwei Beschwerden gegen die Kampagne ein. Ein dafür zuständiges Gremium wird sich nun mit der Kritik auseinandersetzen. "Der Vorwurf der Diskriminierung von Männern und Frauen wiegt schwer. Allerdings muss man den eindeutigen Charakter als Karikatur von Klischees berücksichtigen", sagt ein Sprecher der Einrichtung.

Die "Sportschau"-Werbung steht vor allem auch deshalb in Kritik, weil die ARD als öffentlich-rechtlicher Sender einem gesellschaftlichen Auftrag unterliegt. In Nutzerkommentaren im Internet wird die GEZ-Gebühr häufig als Argument benützt, warum gerade die ARD besonders sensibel mit solchen Themen umgehen sollte. "Als gebührenpflichtiger Sender müssen sie Verantwortung übernehmen und den Tendenzen entgegenwirken, dass Mädchen sexualisiert dargestellt und in Geschlechterrollen gedrängt werden", sagt Schmiedel.

An dieser Verantwortung müssen, glaubt man der Stellungnahme der ARD, jedoch nicht nur öffentlich-rechtliche Fernsehanstalten, sondern auch Frauen selbst arbeiten: Fast alle Mitwirkenden an der Kampagne sind dem Sender zufolge weiblich.

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