Schmidt und Steinbrück bei Günther Jauch:Hier qualmt nur der Kanzler

Jauch rumpelt mit Altkanzler Helmut Schmidt und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück von einem Thema zum nächsten: Euro, Demokratie, soziale Marktwirtschaft, Finanzkrise. Von allem etwas, nichts richtig. Die SPD-Kanzlerkandidatenkür fällt allerdings aus. Gut, dass Schmidt die Zigaretten nicht ausgehen. Sonst hätte Jauch am Ende gar kein Gesprächsthema mehr gefunden.

Thorsten Denkler

Gut möglich, dass Günther Jauch einfach die Lust vergangen war. Er hätte mit seiner Sendung Tagesgespräch am Montag werden können. Schließlich war es offiziell noch nicht raus, dass Altkanzler Helmut Schmidt in seinem gemeinsamen Buch mit dem ehemaligen Finanzminister Peer Steinbrück eben jenen zum Kanzlerkandidaten der SPD vorschlägt. Das Buch Zug um Zug soll erst in dieser Woche erscheinen. Wer ein Vorabexemplar hatte, dem war es bei Strafe verboten, daraus zu zitieren.

Helmut Schmidt und Peer Steinbrück zu Gast bei Jauch

Kanzlerkandidatenfrage vertagt: Die Frage stelle sich jetzt nicht und darum beantworte er sie nicht, erklärt Peer Steinbrück (li.) in der Sendung "Günther Jauch", wo er zusammen mit Altkanzler Helmut Schmidt (mi.) am Sonntagabend zu Gast war.

(Foto: dpa)

Der Spiegel aber hat mit den beiden Welterklärern ein Interview geführt. Und so war die Neuigkeit, die ohnehin keine mehr war, schon am Sonntagmorgen auf dem Markt. Jauch konnte nur noch die Brosamen auflesen, die der Spiegel ihm übrig gelassen hatte.

Viel war es nicht, was Jauch für seinen Talk nach dem Tatort noch blieb. Zur Euro-Krise hatten Schmidt und Steinbrück kaum mehr als ihre inzwischen leidlich bekannten Analysen mitzuteilen: Schmidt, der Griechenland nie in den Euro gelassen hätte, wohl aber in die Europäische Union. Steinbrück, der immer die Finanzmärkte regulieren wollte, aber von Briten und Amerikanern daran gehindert worden sei.

Dominosteine in Infektionskanälen

Schmidt, der daran erinnert, dass Staaten in guten Zeiten ihre Schulden zurückzahlen müssten (was er, mit Verlaub, in seiner Kanzlerschaft auch nicht hinbekommen hat). Steinbrück, der über "Infektionskanäle" referiert, die von Griechenland in andere Euro-Staaten reichten. Weshalb diese wie "Dominosteine umgehauen" werden könnten. Hmm, Dominosteine in Infektionskanälen - Steinbrück hat schon stimmigere Bilder gefunden.

Jauch lässt sie gewähren. Selten hakt er mal nach. Mehr die Pflicht erfüllend als motiviert stolpert er wie ein Frage-Roboter von einem Themenkomplex zum nächsten. Mit so gut wie jeder Frage reißt der Moderator ein neues Thema an.

Und das immer nach demselben Schema. Nach einer Antwort zu Griechenland sagt Jauch verheißungsvoll "Aber" und will dann was zur Schuldenpolitik Deutschlands wissen. Dann wieder "Aber" und es geht plötzlich um das Demokratieverständnis von Helmut Schmidt, der die Demokratie nicht in allen Staaten der Welt für das einzig Seligmachende hält.

Rasante Themenwechsel

Wieder Jauchs "Aber" und schon ist er bei "Wahrheit in der Politik", bei der Schuldfrage in der Finanzkrise (Politiker oder Banker? Schmidt: beide, aber mehr die Banker), bei der Occupy-Wall-Street-Bewegung, bei der Zukunft der sozialen Marktwirtschaft und der Wirtschaftskompetenz der SPD.

Die Themenwechsel passieren so rasant, dass einem kaum ins Bewusstsein dringt, ob die Herren Steinbrück und Schmidt auf Jauchs gleichförmige Fragen überhaupt geantwortet haben. Glück hat, wer einen Fernseher mit Time-Shift-Funktion sein Eigen nennt. Der kann kurz zurückspulen, und sich die Antworten noch mal anschauen.

Aber keine Sorge, da gab es nichts zu verpassen, was der eine oder der andere nicht ohnehin schon einmal in der einen oder anderen Weise von sich gegeben hätte.

Steinbrück und die Kanzlerkandidatenfrage

Irgendwann nimmt Schmidt den Harmlos-Frager Jauch nicht mehr ganz für voll - so scheint es zumindest. Als Jauch wissen will, wie er das in seinem Buch gemeint habe, dass Demokratie nicht überschätzt werden dürfe, da antwortet Schmidt trocken: "So wie ich das gesagt habe."

Wie gesagt, Jauch muss gehofft haben, dass wenigstens die K-Frage in seinem Studio exklusiv angesprochen werden würde. Jetzt aber konnte er nur müde die Fragen wiederholen, die der Spiegel den beiden Schachpartnern auch schon gestellt hat. Herr Schmidt, warum Steinbrück als Kanzlerkandidat der SPD? Schmidt: Weil jetzt finanzpolitischer Sachverstand gefragt sei und Steinbrück sei eben "einer von denen, die wirklich wissen, worüber sie reden". Endlich, Jauch erkennt eine Chance, nachzuhaken: "Sie sagen ja gar nichts, Herr Steinbrück", frotzelt der Talkmaster. Kunststück. Er hat Steinbrück bis dahin die Kandidaten-Frage gar nicht gestellt. Stört Jauch aber nicht und fragt, warum Steinbrück so "verschämt" reagiere, wenn er auf die Kanzlerkandidatur angesprochen werde.

Verschämt? Da muss Steinbrück lachen. Verschämt zu sein, habe ihm noch keiner nachgesagt. Das kommt bei Steinbrück auch fast einem Rufmord gleich. Er wollte schon mal die Kavalerie in die Schweiz schicken, was die Eidgenossen nicht so lustig fanden. "Ironie ist sehr gefährlich", sagt Steinbrück bei Jauch. Das versteht nicht jeder.

Jauch redet übers Rauchen

Aber Steinbrück will gerne antworten. Letzte Chance für Jauch, aus der Runde noch eine exklusive Hammermeldung herauszukitzeln. Wird Steinbrück hier und heute seine Kanzlerkandidatur erklären?

Natürlich nicht: Die Frage stelle sich jetzt nicht und darum beantworte er sie jetzt nicht, erklärt Steinbrück. Das war: nix.

Da redet Jauch lieber übers Rauchen. Ungemein originell. Wer sagt, der Schmidt rauche wie ein Schlot, der untertreibt maßlos. Schmidt ohne Zigarette? Unvorstellbar. Manche unken, Schmidt sei schon mit einer Menthol-Zigarette zwischen den Fingern zur Welt gekommen. Ist natürlich Quatsch, zeigt aber, wie alt die Geschichte "Schmidt raucht viel und gerne" ist.

Jauch ist sich aber nicht zu blöd dafür, Schmidts Nikotinabhängigkeit als Rausschmeißer der Sendung zu thematisieren. Er weiß genau, was Schmidt sagen wird, als er ihn fragt, was ihn mit seinen bald 93 Jahren geistig so fit halte. Schmidt nämlich hat auf die Frage den immer gleichen Scherz parat: "Man muss ständig gearbeitet haben - und vor allen Dingen braucht man Zigaretten."

Steinbrück genießt und grinst

Lustiger ist da Steinbrück, von dem Jauch wissen will, warum er die Gelegenheit nicht nutze, mitzupaffen: "Weil ich mir den Posteingang, den Helmut Schmidt morgen bekommt, ersparen wollte", sagt er und bleckt grinsend die Zähne. Von rechts rasselt erheitert blechern die Schmidt'sche Raucherlunge.

Überhaupt, fährt Steinbrück fort, sei er ja nur Gelegenheitsraucher. Bei Schmidt sei es jedoch so, dass die Ärzte ihn warnten, sein kompletter Stoffwechsel breche zusammen, würde er von heute auf morgen aufhören. Von rechts scheppert es, als würden zwei Ozeandampfer aneinender entlangschrammen. Schmidt scheint Steinbrücks Humor zu gefallen.

Schmidt nimmt einen Zug, und mal wieder qualmt es im Studio so, dass Jauch kaum noch freie Sicht auf Steinbrück hat.

Es sei Schmidt gegönnt. Vor 16 Jahren aber hätte sich auch ein Helmut Schmidt an dieser Stelle sicher keine Zigarette angezündet. Damals war das Gasometer in Berlin-Schöneberg noch in Betrieb, das eigens zu Jauchs Studio umgebaut wurde. Dass hier heute die Hütte nicht gebrannt hat, lag aber nur an einem: Günther Jauch.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: