Neue Rundfunkfinanzierung:Geschenk der Zuschauer

Keine GEZ-Schnüffeleien mehr, dafür ein besseres Vollprogramm als kommerzielle Sender: die neue Haushaltsabgabe ist auch eine Herausforderung.

Christopher Keil

Zukünftig zahlt jeder Haushalt für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einen pauschalen Beitrag. Die unwürdige Schnüffelei der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) ist beendet, die Belastung für die Beitragszahler wird nicht erhöht. Das neue System zur Finanzierung von ARD und ZDF ist vernünftig und effizient. Die großzügige Regelung ist allerdings an die Verpflichtung gebunden, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten ein besseres Vollprogramm veranstalten als kommerzielle Sender und sich an Qualität mehr als an Quote orientieren.

Rundfunkgebühr
(Foto: ag.dpa)

Von 2013 an wird eine monatliche Abgabe in bisheriger Höhe von 17,98 Euro gefordert, die Einwohnermeldeämter liefern die für die Erfassung der Haushalte notwendigen Daten. Das alte "Gebühren"-Modell basierte auf einer TV- und Radiogerätebezogenen Einstufung. Fernsehen wird aber seit Jahren auch zunehmend über Internet-basierte Empfänger wie den Computer, Tablet-PCs (iPad) oder das Handy konsumiert. Die von den Länder-Ministerpräsidenten beschlossene Haushaltsabgabe schafft eine unkomplizierte, einheitliche Bemessungsgrundlage. Sie ist daher eine technisch und ordnungspolitisch moderne Lösung.

Gleichzeitig ist die Haushaltsabgabe einer Steuer noch ähnlicher als die bisherige Rundfunkgebühr. Das wird die üblichen Fragen nach der Legitimation aufwerfen, zumal ARD und ZDF im Internet auf den Widerstand von Verlagen und privaten Fernsehveranstaltern treffen. Print-Häuser und Lieferanten bewegter Bilder suchen dort Erlösmodelle für ihre Produkte , fühlen sich - Stichwort elektronische Presse - von den öffentlich-rechtlichen Anstalten in ihrer Entwicklung bedroht. Die Stimmung ist gereizt. Doch über den Wert eines unabhängigen Rundfunks im Verfassungsrang darf nicht gestritten werden. Eine demokratische Gesellschaft, die nur aus RTL, Pro Sieben und Sat 1 bestünde, wäre in jedem Fall schlechter dran.

Dass die Haushaltsabgabe nebenbei die verhasste GEZ-Schnüffelei abschafft, wird alle freuen. Drückerkolonnen, die an Wohnungs- und Fabriktüren wegelagern, sind überflüssig, der Gerätebesitz muss nicht mehr ermittelt werden. Der Preis für die reduzierte Kontrollbedürftigkeit und ein bisschen mehr Privatsphäre ist die komplette Erfassung sämtlicher Haushalte, der privaten wie der betrieblichen. Der Umgang mit sozialen und anderen Härtefällen soll bis 2013 geklärt sein. Der Charme der Haushaltsabgabe besteht aber darin, dass sie grundsätzlich keine Ausnahmen kennt.

Den Bestand und die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat das Bundesverfassungsgericht regelmäßig in seinen Urteilen festgeschrieben. Nun wird es dazu eine konkrete, mittelfristige Budgetgröße geben. Multipliziert man die circa 40Millionen deutschen Haushalte mit der derzeitigen Gebührenrate, kommt eine Summe zwischen sieben und acht Milliarden Euro jährlich heraus. Sie entspricht ziemlich genau dem Etat, mit dem ARD und ZDF ihre Programme bis 2013 herstellen und verbreiten dürfen.

Für die öffentlich-rechtlichen Manager ist die zeitgemäße Haushaltsabgabe ein Geschenk, das sie angesichts von großen Schwächen im Programm eigentlich nicht verdienen. Zwar mussten auch sie zuletzt sparen. Doch trotz des in der Wirtschaftskrise rasanten Anstiegs von Gebührenausfällen im dreistelligen Millionenbereich jammerten sie bequem auf allerhöchstem Niveau. Die Haushaltsabgabe garantiert nun die Fortführung einer in Europa und der Welt einmaligen, beitragsfinanzierten feudalen Existenz.

Wer Qualität fordert, sollte nicht Quote meinen

Um diese endlich wieder zu rechtfertigen, muss die Politik ARD und ZDF unmissverständlich die Aufgabe zuweisen, sich von dem Ziel der Quotensteigerung um jeden Preis abzuwenden und die Qualität ins Zentrum des Programms zu rücken. Ein Qualitätsfernsehen für Information, Kultur und auch Unterhaltung böte den beiden Sendergruppen umgekehrt die Chance, die parlamentarisch gewollte Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks selbstbewusst einzufordern und durchzusetzen.

Politiker, die mit guten Argumenten einen Qualitätsabfall selbst bei Informations- und Kultursendungen kritisierten, dürfen dann aber nicht die Ersten sein, die ARD und ZDF die Haushaltsabgabe allein aus dem Grund drosseln, weil beide Anstalten plötzlich jeweils nur noch einen Zuschauermarktanteil unter zehn Prozent haben. Es mag andere Gründe geben, die eine Reduzierung rechtfertigen. Aber wer Qualität fordert, sollte nicht Quote meinen, auch wenn idealerweise das eine zum anderen passt. Und Qualität wird Quote kosten, dafür gab es in der Vergangenheit genügend Beispiele.

Idealerweise erneuert sich das öffentlich-rechtliche System selbst, achtet auf seine Rolle als Partner kommerzieller TV-Veranstalter, sucht sich die richtigen Vorbilder - die BBC ist schon lange so eines. Mit großer Gelassenheit kommt sie längst ohne Werbung aus, erfindet weiter wunderbare Unterhaltung, Shows wie Filme, und hat auch viel Fußball und gute Talkrunden. Die Haushaltsabgabe bietet ARD und ZDF die große Chance, der Gesellschaft den Mehrwert zurückzuzahlen, der ihr zusteht. Gelingt den Öffentlich-Rechtlichen das nicht, gefährden sie sich selbst.

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