Maischberger-Talk zu Muslimen:"Reden Sie doch mal mit den Jungs"

Welche Bedrohung geht von den massiven Reaktionen auf ein antiislamisches Hetzvideo für Deutschland aus? Wie sollte das Land darauf reagieren? Bei Sandra Maischberger diskutieren die Talkshow-Gäste darüber, wie man es schafft, den "Extremisten nicht auf den Leim zu gehen" - und Alice Schwarzer unterbreitet einen Vorschlag zum Umgang mit Islamisten, zumindest im Scherz.

Barbara Galaktionow

Wegen des islamfeindlichen Films "Innocence of Muslims" bricht sich in der muslimischen Welt der Hass auf die USA, Israel und andere westliche Staaten Bahn - wieder einmal. Radikale Muslime ziehen zu Hunderten auf die Straßen, stürmen Botschaften und töten US-Botschaftsmitarbeiter.

"Muslime verhöhnt, Botschaften brennen - Wie gefährlich ist dieser Zorn für uns?", fragt Sandra Maischberger ihre Gäste am Dienstagabend. Denn Demonstranten im Sudan attackierten auch eine deutsche Botschaft - und deutsche Politiker streiten seit Tagen darüber, ob man die Aufführung des gleichermaßen gotteslästerlichen, beleidigenden wie amateurhaft gestalteten Machwerks verbieten sollte. Aus Respekt vor dem Islam, aber auch aus sicherheitspolitischen Erwägungen, sprich: Angst vor terroristischen Angriffen. Doch wie lässt es sich vermeiden, zur Zielscheibe von Attacken zu werden, ohne zugleich den die Meinungsfreiheit beschneidenden Forderungen von Islamisten zu entsprechen?

Dazu betreibt Maischberger zunächst Ursachenforschung mit ihren Gästen, die nach bewährtem Muster zusammengesetzt sind: Zwei Politiker (Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann von der CDU und der hessische Grüne Tarek Al-Wazir), zwei mehr oder weniger Betroffene (die islamische Journalistin Khola-Maryam Hübsch und der ehemalige Islamist Barino Barsoum) und zwei Experten für fast alles (Peter Scholl-Latour und Alice Schwarzer). Feministin Schwarzer war ursprünglich für eine Sendung über die Ex-Bundespräsidenten-Gattin Bettina Wulff geladen. Doch Wulff hatte am Wochenende abgesagt. Und so durfte Schwarzer sich nun eben zum radikalen Islam äußern.

Die dramatisch formulierte Eingangsfrage läuft sogleich ins Leere: Woher der Hass auf die Deutschen denn komme, will Maischberger von Scholl-Latour im Hinblick auf die Ereignisse im Sudan wissen. Ach, ja, sagt der bewährte Talkshow-Welterklärer lakonisch lächelnd: "Zufall", die deutsche Auslandsvertretung habe eben gerade auf dem Weg gelegen, er sehe in dem Land ansonsten keine Vorbehalte gegen Deutsche. Darauf wird nicht weiter eingegangen. Ansonsten macht Scholl-Latour vor allem einen Verantwortlichen für die Radikalisierung des Islam aus: Saudi-Arabien.

Auch die anderen Sendungsteilnehmer geben ihre Ansichten zu vermuteten Ursachen oder Lösungsansätzen ab, ohne sich wirklich zu widersprechen, doch vieles wirkt unvermittelt - und wird dann einfach so stehengelassen. Ziemlich ratlos wirkt das. Der hessische Grünen-Fraktionsvorsitzende Al-Wazir etwa, selbst Sohn eines jemenitischen Vaters, weist darauf hin, dass die Lage in den einzelnen arabischen Staaten, in denen es nach dem Schmähvideo nun Unruhen gebe, sehr unterschiedlich sei. Ob Libyen, Ägypten oder der Libanon - wenn man die Ereignisse verstehen wolle, müsse man hinschauen: "Wer ist da mit welcher Motivation?"

Alice Schwarzer betont, dass der Zeitpunkt der Ausschreitungen kein Zufall sei. Der Arabische Frühling habe in vielen Ländern Islamisten an die Macht gebracht. "Diese Radikalen sind im Aufwind." Der antiislamische Hetzfilm sei hingegen nicht Anlass, sondern nur Vorwand für die Ausschreitungen.

Schwarzer scherzt

Auch die islamische Journalistin Hübsch findet, dass man "diesem Film gar nicht so eine Relevanz" geben dürfe - macht aber andere Gründe dafür geltend. Die Mehrheit der Muslime weltweit verurteile diese Anschläge, sagt sie, und betont die Friedfertigkeit und Toleranz des Islam. Dieser stünde "eindeutig" für Glaubens- und Gewissensfreiheit, für Meinungsfreiheit, aber eben auch für Respekt vor dem, was anderen heilig sei.

"Reden Sie doch mal mit den Jungs da!", schlägt Schwarzer ihr daraufhin scherzhaft in Hinblick auf die radikalen Islamisten vor.

Einer von ihnen - zumindest ein ehemaliger - sitzt denn auch mitten in der Sendung: der Kölner Barino Barsoum. Er konvertierte mit 18 Jahren zum Islam und hat die Religion von einer anderen Seite kennengelernt als Hübsch. In ihrer sunnitischen Ausprägung sei "Gewalt ein legitimes Mittel zur Durchsetzung von bestimmten Zielen" gewesen, berichtet er. Es gebe eine spirituelle und eine gewaltbereite Seite, die in der Verbindung einen "Cocktail mit riesigem Sprengstoffpotenzial" bilden würden. Die interessante Frage, wie es Barsoum selbst gelang, sich nach fünf Jahren vom Islamismus zu lösen, wird hier allerdings nicht beantwortet. Was ist also nun zu tun? Wie sollte Deutschland auf das Hetzvideo reagieren? Mit einem Aufführungsverbot - oder darf es gerade das nicht sein? Braucht es neue Gesetze - oder reichen die bestehenden? Zumindest in einem Punkt waren sich die Talkshow-Gäste weitgehend einig: "Wir dürfen den Extremisten nicht auf den Leim gehen", forderte CDU-Politiker Schünemann.

"Wir merken gar nicht, dass wir in einer Situation sind, in der wir das Spiel der Provokateure weiterspielen", ergänzte Al-Wazir - da helfe nur "Vernunftgebrauch" und Differenzierung. Nicht jeder streng Religiöse dürfe sofort zum potenziell Gefährlichen stilisiert werden.

Schwarzer warnte davor, die Debatte auf die Frage von drohender Gewalt durch muslimische Extremisten zu verengen. Sie sei beunruhigt, dass sich die Radikalisierung durch den Arabischen Frühling auch in Deutschland auswirke: viele islamische Gruppen zeigten sich inzwischen weniger bereit zu Integration und Kooperation als früher. "Der Wind hat sich um 180 Grad gedreht." Man müsse daher vor allem die Gesamtatmosphäre im Auge behalten.

Auch Schünemann stellte heraus, dass ohne die Muslime selbst nicht adäquat gehandelt werden könne: "Wir brauchen die Mitarbeit der Muslime. Sie müssen sich an die Spitze der Bewegung stellen", forderte er.

Der Grünen-Politiker Al-Wazir ging noch einen Schritt weiter - und regte eine gemeinsame Erklärung aller Parteien und Religionsgemeinschaften in Deutschland gegen den Schmähfilm an, um zu zeigen, "dass wir den Protest eben nicht den Salafisten überlassen". "Herr Schünemann und ich - das wäre auch einmal eine Nachricht. Wir gemeinsam gegen den Hass", freute sich Al-Wazir.

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