Kooperation mit "The Economist":Britische Fakten für den "Focus"

Wolfram Weimer hat die Aufgabe, Burdas Flaggschiff "Focus" wieder auf Kurs zu bringen. Dafür macht er das Blatt nun internationaler - mit Lizenzartikeln aus "The Economist".

Ralph Pfister

Als Focus-Chefredakteur Wolfram Weimer seinen Mitarbeitern im Juni die neue Ausrichtung des Blattes vorgestellt hat, soll er auch folgende Richtschnur ausgegeben haben: Statt der früheren "Fakten, Fakten, Fakten" eine Mischung aus The Economist und Paris Match. Insofern ist die nun geschlossene Partnerschaft mit der britischen Wochenzeitschrift nur konsequent.

Partnerschaft zwischen Focus und Economist

Vorbild "Economist": Burdas Nachrichtenmagazin "Focus" bietet nun auch Lizenzartikel des britischen Traditionsblattes.

(Foto: sueddeutsche.de)

Ab sofort kann der Focus auf Artikel des Economist zugreifen und seine eigenen Hefte damit bestücken. Zwei bis vier Stücke pro Woche will der deutsche Partner übernehmen. Erscheinen werden die ins Deutsche übersetzten Artikel in den jeweils passenden Themenfeldern - wie Wirtschaft, internationale Berichterstattung oder Technik. Der Focus kann sich dabei schon während der Produktion des Economist bedienen, muss also nicht abwarten, bis die Texte im englischsprachigen Original veröffentlicht wurden.

Der britische Economist erscheint seit 1843. Inzwischen erreicht der Titel nach eigenen Angaben eine weltweite wöchentliche Auflage von über einer Million Exemplare. Burdas Nachrichtenmagazin besitzt nun die exklusive Lizenz für dessen Inhalte in Deutschland. Das gilt nur für die Print-Ausgabe - Burda hat Focus und Focus Online organisatorisch weitgehend separat aufgestellt.

Damit kann das Blatt das weitverzweigte Korrespondentennetz des englischen Traditionstitels nutzen. "Focus öffnet sich damit weiter international, denn unsere Leser sind Teil einer weltoffenen Globalisierungsgeneration", heißt es von den Chefredakteuren Uli Baur und Wolfram Weimer dazu.

Vernetzung im "Focus"

Gleichzeitig ist der Rückgriff auf diese Inhalte natürlich auch ökonomisch günstiger als die eigene Produktion, auch wenn der Verlag den Verdacht von sich weist, dass es hier einen Zusammenhang gäbe. Unter Weimer und Baur baut der Burda-Titel um, bis Ende Juli haben W&V-Berichten zufolge etwa 60 Mitarbeiter ein Abfindungsangebot des Focus Magazin Verlags angenommen.

Die Partner wollen künftig auch gemeinsam Titel herausbringen. Zunächst handelt es sich dabei allerdings um eine deutsche Lizenzausgabe des Economist-Magazins The World in 2011, angereichert um Beiträge der Focus-Redakteure. Diese Jahresvorschau veröffentlichen die Briten seit 25 Jahren. Autoren aus Politik, Wirtschaft und Kultur erstellen dafür jedes Jahr Prognosen, was im kommenden Jahr zu erwarten ist.

Auch wenn die strategische Partnerschaft als Austausch bezeichnet wird und laut Burda beidseitig gedacht ist, dürfte sich in der Praxis doch eher der deutsche Titel bei den Londonern bedienen als umgekehrt. Burda wird dementsprechend Gebühren an die Briten zahlen müssen - auch wenn sich die Partner zu finanziellen Details des Deals nicht äußern. Es wird wohl nicht die einzige internationale Kooperation des Focus bleiben.

Paneuropäisches Denken ist für Weimer nichts Neues: Einen Teil seiner Kindheit verbrachte der Journalist in Portugal, später war er Madrid-Korrespondent der FAZ. Einen ersten Versuchsballon zur internationalen Zusammenarbeit zwischen Medien ließ er 2001 als Chefredakteur der Welt aufsteigen. Im Rahmen der "European Dailies Alliance" arbeitete das Axel-Springer-Blatt mit den Tageszeitungen Le Figaro, The Daily Telegraph und ABC zusammen. Nach Weimers Weggang eine eher kurzlebige Kooperation.

Ein ähnliches internationales Netzwerk, allerdings auf die Online-Portale europäischer Medien beschränkt, unterhält Spiegel Online seit September 2008. Dazu gehören Partner wie der Corriere della Sera oder das NRC Handelsblad. Spiegel-Online-Chefredakteur Rüdiger Ditz will dieses journalistische Netzwerk Stück für Stück ausbauen - Fluggesellschaften hätten ja schließlich auch länderübergreifende Bündnisse gebildet, meinte er dazu. Deutsche Printmagazine bleiben dagegen eher für sich.

Weimer will dies beim Focus nun ändern und kündigte schon im Juni das Vorhaben an, internationale Partnerschaften zu schließen. Auch jetzt heißt es aus der Chefredaktion: "Es ist an der Zeit, dass sich große Print-Redaktionen Europas enger vernetzen." Das allein dürfte gegen den Auflagenschwund aber nicht reichen.

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