Insolvente Frankfurter Rundschau:Sechs Monate Gnadenfrist

Frankfurter Rundschau

Mit zwei Bietern laufen Verhandlungen um die insolvente "Frankfurter Rundschau". Ein konkretes Angebot liegt noch nicht vor.

(Foto: dpa)

Über die "Frankfurter Rundschau" wird nun das Insolvenzverfahren eröffnet. Trotzdem kann die Zeitung wahrscheinlich gerettet werden. Die Arbeitsplätze der meisten Mitarbeiter aber nicht.

Von Silke Bigalke

Die Nachricht, die Insolvenzverwalter Frank Schmitt den Mitarbeitern der Frankfurter Rundschau (FR) überbringen muss, trägt er in dem sanften Tonfall vor, in dem man schlechte Nachrichten überbringt: "Die meisten von Ihnen werden ihren Arbeitsplatz verlieren." Er grenzt das zwar ein: "Je nachdem welcher Bieter zum Zug kommt."

Schmitt ist noch mit zwei Bietern in Verhandlungen, einem deutschen und einem türkischen. Ein verbindliches Angebot liegt noch nicht vor. Klar ist aber, dass keiner von beiden bereit ist, den Betrieb der linksliberalen Zeitung vollständig zu übernehmen. Eines der Gebote würde nur 30 der etwa 480 Mitarbeiter einschließen, der Rest würde arbeitslos. Es bleibt ruhig im Foyer der FR, die Nachricht bedrückt, aber sie schockiert niemanden mehr.

Jahrelang hat die FR rote Zahlen geschrieben, 40 Millionen Euro Umsatz brachen pro Jahr weg, so hat es die SPD-Schatzmeisterin Barbara Hendricks dargestellt. Die Medienholding der Partei, die ddvg, ist neben dem Kölner Verlag M. DuMont Schauberg Haupteigner der FR, und beide hatten noch im vorigen Frühjahr eine Summe verbürgt, die bis zum Jahr 2015 reichen sollte. Als sich herausstellte, dass sie jedoch den Geschäftsbetrieb lediglich bis Sommer 2013 sicherte, stellte die Geschäftsführung am 13. November Insolvenzantrag. Seither wird ein Investor gesucht, ein Retter. Es geht ums Überleben.

Am Freitag wird nun das Insolvenzverfahren eröffnet. Trotzdem wird die FR am Samstag wie gewohnt am Kiosk ausliegen. Der Gläubigerausschuss hat genehmigt, dass Schmitt den Betrieb weiterführt, allerdings nur für den Monat Februar. Die Gesellschafter übernehmen einen großen Teil der Leasingkosten für die Druckerei. Nur so kann sie bis Ende April weiterarbeiten, Aufträge von Axel Springer und zuletzt auch vom Handelsblatt hat die FR seit dem Insolvenzantrag verloren.

Für die etwa 480 Mitarbeiter heißt das, sie werden zunächst ganz normal weiter beschäftigt, jedenfalls so lange, bis eine Transfergesellschaft eingerichtet ist. Aber was ist schon normal unter solchen Umständen? Mitte Februar, vielleicht erst Anfang März, sollen dann die Ersten in die Transfergesellschaft wechseln. Ein möglicher Käufer kann dann die Unternehmensteile bereits ohne das Personal übernehmen - aus diesem Grund ist es wahrscheinlich, dass ein Investor erst einsteigt, wenn die Transfergesellschaft steht.

"Desaströser Fehler"

Den Mitarbeitern gibt das Konstrukt eine Gnadenfrist von sechs Monaten, die ihnen die Suche nach einem neuen Job erleichtern soll. In dieser Zeit bekommen sie sogenanntes Transferkurzarbeitergeld, das etwa so hoch ist wie Arbeitslosengeld, dazu Schulungen und Beratungen. Die Transfergesellschaft wird laut Schmitt 5,5 bis sechs Millionen Euro kosten, den größten Teil davon zahlen die Gesellschafter. Die haben sich lange gesträubt, bis Dienstagabend.

Bei der SPD geht es auch um die Glaubwürdigkeit der Arbeiterpartei im Wahljahr. Trotzdem ist der Betriebsratsvorsitzende Marcel Bathis mit den meisten seiner Forderungen abgeblitzt, als er am Montag mit der Partei verhandelte. Bathis wollte zwölf Monate Transfergesellschaft und danach eine nach Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindung. Auch Verdi kritisiert die Gesellschafter scharf. Der stellvertretende Vorsitzende Frank Werneke nennt den Insolvenzantrag einen "desaströsen Fehler".

Die FR-Angestellten bekommen nun Februar die Kündigungen geschickt. Wer eine dreimonatige Kündigungsfrist hat, wechselt spätestens Anfang Juni in die Transfergesellschaft. Verschont bleibt nur, wer von dem möglichen Käufer übernommen wird, die Gespräche darüber scheinen konkret. Zwei Investoren haben Interesse geäußert und dieses mit einem "Letter of Interest" bestätigt. Nur deswegen konnte Schmitt die Gläubiger überzeugen, der FR noch den Februar zu geben.

Ein unannehmbares Angebot

Für die meisten Mitarbeiter ist damit freilich nichts gerettet. Der Interessent, auf den sich Gläubiger und Insolvenzverwalter nun offenbar konzentrieren, will lediglich 30 der insgesamt etwa 70 Redakteure übernehmen. Es wird spekuliert, dass es sich um die konservativ ausgerichtete Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) handelt. Schmitt wollte das nicht bestätigen, den Namen des Bieters nicht nennen. Der wolle aber die FR "in gewohnter Weise" und in "gewohntem Umfang" weiterführen. Das erstaunt ihn offenbar selbst, angesichts der nur kleinen Gruppe von FR-Leuten, die bleiben sollen. "Es geht nur, wenn sie die anderen Mitarbeiter, die sie brauchen, woanders herholen", sagt Schmitt.

Der zweite Bieter, Burak Akbay, ist selbst am Dienstagabend mit einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit gegangen. Sein türkisches Unternehmen Estetik Yayincilik wolle beides, Verlag und Druckerei, kaufen, stand darin. Tagelang sei Akbay vor Ort gewesen, habe unzählige Gespräche geführt, erzählt Schmitt. Doch ein seriöses Angebot sei nie gekommen. Per Mail, mit dem Betreff LOI, "Letter of Interest", habe er Sonntag ein Angebot geschickt, das nicht annehmbar gewesen sei. Der vorgeschlagene Kaufpreis sei zu niedrig, Akbay habe eine mehrjährige Ratenzahlung verlangt und auch Sicherheiten haben gefehlt. Der türkische Unternehmer müsse sein Angebot nachbessern. Akbay hat angekündigt, sein türkische, linksnationale Tageszeitung Sözcü ab Februar auch in Deutschland erscheinen zu lassen.

Eine Rettung der FR könnte gelingen. Was aus den Mitarbeitern nach dem langen Abschied wird, ist jedoch ungewiss.

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