"Helden" bei RTL:Tag der deutschen Gurke

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Hannes Jaenicke im RTL-Film "Helden" (Foto: RTL / Wolfgang Ennenbach)

Acht Millionen hat der RTL-Film "Helden" gekostet, so viel wie fünfeinhalb "Tatorte". Dafür bekommt der Zuschauer gelungene Computersimulationen, schlecht angeklebte Bärte und eine Geschichte fern jeglicher Realität. Ein sehr teures, schwarzes Loch, das RTL da produziert hat.

Von Claudia Fromme

Vielleicht ist der Wolfgangsee ein guter Ausgangspunkt für das Dilemma. Im Salzburger Land hat nicht nur Einheitskanzler Kohl seine Familie im Urlaub vorgeführt, sondern RTL auch Szenen für sein großes Einheitsdrama Helden gedreht, was wiederum weniger mit Kohl zu tun hat als mit dem Salzburger Land, das einen schönen Batzen Geld an RTL für den Film zahlte.

Für den Katastrophenfilm wurde der Marktplatz von St. Gilgen am Wolfgangsee in Schutt und Asche gelegt, die örtliche Webcam aber nicht ausgeschaltet, was Menschen im Nahen Osten dazu veranlasste, beim Bürgermeister ihres favorisierten Idylls nachzufragen: Was ist denn da los?

Eine berechtigte Frage, die man direkt nach Deutz weiterreichen könnte, sozusagen der Nähere Osten von Köln. RTL verantwortet hier mit Helden einen der teuersten Fernsehfilme des Jahres, acht Millionen Euro hat das von Dreamtool produzierte Werk gekostet, in etwa so viel wie fünfeinhalb Tatorte. Gefördert haben den Film fünf deutsche Bundesländer, das Land Salzburg, Österreich und RTL selbst.

Actionkino mit Tiefgang

Was viel kostet, ziert man im geförderten Fernsehen mit dem Präfix Event-, und so soll das Event-Movie Helden von Regisseur Hansjörg Thurn ( Die Wanderhure) mit dem Untertitel "Wenn dein Land dich braucht" ganz großes Actionkino präsentieren, mit Tiefgang, klar, immerhin ist Einheitstag. Es geht um den Weltuntergang, Deutschland, Moral, Gott, das Tier im Menschen, und ja, es geht auch um Gurken.

Die Geschichte ist schnell erzählt: Im Kernforschungszentrum in Genf, in dem Forscher den Urknall simulieren wollen, produziert der weltgrößte Teilchenbeschleuniger die schlimmste aller Katastrophen: ein künstliches Schwarzes Loch. Das Gefüge der Welt gerät durcheinander, Satelliten und Flugzeuge stürzen ab, Erdplatten verschieben sich, teilen Deutschland in Nord und Süd, elektromagnetische Wellen vereiteln jegliche Kommunikation, was schlussendlich Heiner Lauterbach als Kanzler in dem 140-Minuten-Epos permanent blicken lässt, als habe er die Hose voll.

In dem als Heimatfilm deklarierten Werk gibt es viele Weltretter, Armin Rohde und seine Opelgang, Christine Neubauer als Schwester Rosi, Yvonne Catterfeld als Kindergärtnerin, Emilia Schüle als bockige Jugendliche mit Lara-Croft-Hotpants. Vor allem aber ist da der nebenberufliche Bedenkenträger Hannes Jaenicke an der Seite der hauptberuflichen Checkerin Christiane Paul. Die hat in der Rolle der Sophie Ritter eben noch gelangweilt Wetterdaten in Flugkarten eingegeben, als der Reichstag brennt, und sie sehr schnell darauf kommt, dass das mit einem großen schwarzen Loch in Genf zu tun haben muss. Immerhin arbeitete sie ein paar Jahre dort. Früh warnte sie die Kollegen davor, Gott zu spielen, sie fand kein Gehör.

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Ähnlich ergeht es in der Realität denen, die diese abstruse Theorie von den künstlichen schwarzen Löchern verbreiten, die am Genfer See angeblich produziert werden können. Natürlich kann ein Film alles und muss nichts, wenn er sich aber einen quasiwissenschaftlichen Anstrich gibt, darf man natürlich kurz mal nachfragen.

Da Fiction weniger mit Wahrscheinlichkeiten zu tun hat, darf man sich also wahrscheinlich nicht wundern, warum ein verirrter Satellit völlig intakt aus dem All in wüster Landschaft genau den Dachfirst eines Gurkenbauern trifft und ein zweiter die Mitte der Kuppel des Reichstages. Es sollte einen also nicht stören, dass Bewohner eines Altenstifts in Österreich mit Röhrenverstärkern den digitalen Funk der Armee aufmischen, dass der direkte Weg mit dem Helikopter von Berlin in den Schwarzwald über Gelsenkirchen führt und dass Atombomben entschärft werden, indem man sie in den Genfer See plumpsen lässt.

Unschärfen, ertränkt in Pathossoße

Man fragt sich auch, warum es eigentlich sehr gelungene Computersimulationen in dem Film gibt, bisweilen atemberaubende Szenen aus Genf, wenn man zwischendrin immer wieder mit schlecht angeklebten Bärten konfrontiert wird, und an allen Orten dieselben Flachbildschirme stehen. Szenen mit Fortbewegungsmitteln sehen sehr oft so aus, als würden Praktikanten mit Pappen vor den Protagonisten herwedeln, die wiederum vor einem Spannrollo mit Landschaftprojektionen sitzen.

Etwaige Unschärfen werden ertränkt in ordentlich viel Pathossoße, die sich zwischen dem Prologsatz "Wir spielen Gott" und dem schweren letzten Satz des Bundeskanzlers abspielen: "Das ist unser Tag, das ist jetzt der Tag der deutschen Einheit."

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Es soll nach dem Drehbuch von Derek Meister und Simon X. Rost um große Gefühle gehen, die Liebe zum Nächsten, vor allem aber um Land. Töfte, dieses Deutschland. Irgendwann vorher laufen in einer zum Notkrankenhaus umfunktionierten Zeche die Sportfreunde Stiller mit dem Fußballschlager "54, 74, 90, 2006", im Presseheft zum Film wird das neue Wir-Gefühl der Deutschen seit der Fußball-WM zitiert. Zurückgeworfen auf das Wesentliche, finden in der Katastrophe verfeindete Brüder zueinander, Väter und Töchter, Reiche und Arme, Muslime und Christen. Amen.

Bestünde vielleicht doch die Möglichkeit, ein schwarzes Loch zu produzieren, sollte man den Film darin ganz schnell versenken.

Helden , RTL, 3. Oktober, 20.15 Uhr .

© SZ vom 02.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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