Gruner+Jahr vor Gericht:Noch mal überarbeitet

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Ein freier Journalist liefert der Zeitschrift "Geo" einen Text, die redigiert und publiziert. Nur meint der Autor, sein Werk sei völlig sinnentstellt wiedergegeben worden. Der Konflikt wirft die Frage auf, wie stark Redaktionen in die Werke freier Mitarbeiter eingreifen dürfen. Nun ist vor Gericht eine Entscheidung gefallen.

Von René Martens

Vor einem Vierteljahrhundert hätte Christian Jungblut es sich nicht vorstellen können, gerichtlich gegen das Magazin Geo aus dem Verlag Gruner+Jahr vorzugehen. Man war ein erfolgreiches Team. 1986 belegte Jungblut im Wettbewerb um den renommierten Egon-Erwin-Kisch-Preis den dritten Platz - mit einem Text, der in Geo erschienen war.

Seit 2010 aber hat Jungblut Streit mit Geo. Es geht um eine nach seiner Ansicht von der Redaktion entstellte Version einer Reportage, die in der Geo-Ausgabe 12/09 erschienen ist. Und zwar unter Jungbluts Namen, obwohl er dies untersagt hatte. Der Konflikt wirft die große Frage auf, wie stark Redaktionen in die Werke freier Mitarbeiter eingreifen dürfen.

Vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG) einigten sich die Parteien - vorbehaltlich einer Widerrufsfrist, die am 22. Mai abläuft - jetzt auf einen Vergleich. Demnach verpflichtet sich Gruner+Jahr, die strittige Fassung von Jungbluts Text nicht mehr zu verbreiten und 60 Prozent der Prozesskosten zu tragen.

Im Oktober 2010 hatte das Landgericht Hamburg entschieden, die Redaktion habe bei Jungbluts Werk ihr "Bearbeitungsrecht überschritten" und sein Urheberpersönlichkeitsrecht verletzt. Gruner+Jahr ging in Berufung. Während die Urheberrechtsexperten des Landgerichts wohl angesichts ihrer sonst trockenen Materie offenbar Spaß daran hatten, die Fassungen zu vergleichen, hielt sich bei den OLG-Richtern die Freude daran in Grenzen.

"Geistig-ästhetischer Gesamteindruck" verändert

In Jungbluts Reportage, in der es um die Folgen des Klimawandels für die Niederlande geht, spielt ein Hydrologe eine Rolle. Im Original zeigt er an einer Stelle "keine Spur von Unbehagen. Er jammert nicht, er lächelt." Die veränderte Geo-Version lautet: "Doch von Panik keine Spur, eher zeigt sich eine Art ingenieursseliger Vorfreude." Die Redaktion titulierte den Wissenschaftler überdies als "Katastrophen-Seher". "Den kann ich nie wieder anrufen", sagte Jungblut dazu vor Gericht. Der "geistig-ästhetische Gesamteindruck" des Textes sei völlig verändert worden, ergänzte Sidonie von Wedel, Jungbluts Anwältin.

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Der Vergleich kam auch zustande, weil Jungblut das Risiko, dass die zweite Instanz anders entscheiden könnte als die erste, als zu groß erschien. Im Fall einer Niederlage hätte er die gesamten Prozesskosten bezahlen müssen. Nach Auffassung der OLG-Richter lässt Jungbluts letzter Pauschalistenvertrag mit Geo weitgehende Redigierungen zu. Heiner Steeneck, der vorsitzende Richter in diesem Verfahren, stellte zwar den Sinn vieler Änderungen an Jungbluts Text in Frage. Andererseits meinte er, die Bearbeitungen kratzten nicht "an der Ehre des Autors". Welche redaktionellen Eingriffe einem Text schaden und welche ihn verbessert, ist wohl keine Frage, die sich juristisch klären lässt.

© SZ vom 10.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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