Geheime ARD-Verträge:Millionen fürs Däumchendrehen

Thomas Gottschalk

Thomas Gottschalk: brisante Honorierung zweier Abendshows.

(Foto: dpa)
  • Der Verband der deutschen Dokumentarfilmer hat ein Papier öffentlich gemacht, was die ARD Thomas Gottschalk im Jahr 2012 zahlen wollte.
  • Der Moderator erhielt offenbar 4,6 Millionen Euro für eine Vorabendshow, die vorzeitig abgesetzt wurde, und 400 000 Euro für zwei Abendshows, die nie produziert wurden.
  • Die ARD will die Vorgänge nun prüfen, das Ergebnis der Untersuchung soll in der kommenden Woche vorliegen.

Von Hans Hoff

Kürzlich noch klagte Thomas Gottschalk mehr oder weniger scherzhaft über die minimale Rente, die ihm monatlich zusteht. Das Mitleid des Publikums hielt sich erwartungsgemäß in engen Grenzen. Das Verständnis für den Moderator dürfte nun noch ein wenig weiter schrumpfen, weil inzwischen Zahlen kursieren, die sehr deutlich belegen, dass der Mann auf sehr hohem Niveau klagt.

Verbreitet hat die Zahlen die AG Dok, in der sich deutsche Dokumentarfilmer zusammengeschlossen haben. Der Verband, der sich immer wieder gegen das Etatkürzungsbestreben der Sender wehren muss, hat ein Papier öffentlich gemacht, in dem schwarz auf weiß steht, was das Erste Thomas Gottschalk im Jahre 2012 für seine Leistungen in öffentlich-rechtlichen Diensten zahlen wollte. Fünf Millionen Euro Honorar weist der als als "vertraulich" gestempelte "Letter Of Intent" aus, den die WDR Media Group und die Produktionsfirma Grundy Light am 31. Mai 2011 ausgehandelt hatten.

Option auf Verlängerung

Für die fünf Millionen Euro sollte Thomas Gottschalk demnach 144 Vorabendshows und zwei Hauptabendsendungen moderieren. Zusätzlich sollten 7,4 Millionen Euro für die Produktion der 25- bis 30-minütigen Shows bereitgestellt werden. Wie optimistisch man allseits an die Sache heranging, zeigt der Umstand, dass man den Vertrag auf ein Jahr anlegen wollte und sich zusätzliche Optionen auf zwei Verlängerungen um jeweils ein Jahr sicherte. Allerdings enthielt das Papier auch eine Ausstiegsklausel für den Fall, dass es Thomas Gottschalk im Laufe der ersten 40 Sendungen nicht gelingen sollte, einen durchschnittlichen Marktanteil von zehn Prozent "in der Zielgruppe der Zuschauer 14+" zu erreichen.

Eingebaut in die Absichtserklärung ist ebenfalls eine Absicherung Gottschalks für den Fall des vorzeitigen Abbruchs. "Der Moderator besteht in diesem Fall auf die Auszahlung seines ungekürzten Honorars für alle 144 Sendungen von 4,6 Millionen Euro", heißt es. Das erwies sich als sehr positiv für den Moderator, denn bekanntlich wurde die Vorabendshow nach nicht einmal sechs Monaten wegen nachhaltiger Erfolglosigkeit vom Bildschirm verbannt. Einen erklecklichen Teil der 4,6 Millionen Euro dürfte Gottschalk also fürs darauf folgende Däumchendrehen erhalten haben.

Noch brisanter klingt die Honorierung der zwei vereinbarten Abendshows. Das Honorar, immerhin 400 000 Euro, wurde offenbar ausgezahlt, obwohl die Sendungen nie produziert wurden. Bald danach unterschrieb Gottschalk dann einen Vertrag bei RTL.

Komplizierte, hausinterne Aufklärung

"Wir hören immer, dass gespart werden muss und erleben gleichzeitig, dass das Geld an anderer Stelle mit beiden Händen zum Fenster hinausgeworfen wird", sagt Thomas Frickel. Der Vorsitzende und Geschäftsführer der AG Dok diagnostiziert bei den ARD-Verantwortlichen "eine gewisse Doppelzüngigkeit". Er hat daher einen Brief an den WDR-Intendanten Tom Buhrow geschrieben und um Stellungnahme zu den Vertragsdetails gebeten. "Wer in diesem Maße mit öffentlichen Geldern arbeitet, muss sich auch rechtfertigen", sagt Frickel und sieht den Intendanten in der Pflicht. "Herr Buhrow führt ja gerne das Wort Transparenz im Munde. Daran muss er sich messen lassen."

Insbesondere möchte Frickel wissen, ob die Leistung-ohne-Gegenleistung-Auszahlung der Abendshow-Honorare rechtlich überprüft wurde und ob eine Überprüfung möglicherweise Hinweise auf einen Untreue-Tatbestand ergeben habe.

Eine Antwort auf sein am 18. Mai verfasstes Schreiben hat Frickel noch nicht erhalten. Offenbar gestaltet sich die hausinterne Aufklärung im WDR kompliziert, weil 2012 noch eine ganz andere Geschäftsleitung der Kölner Anstalt verantwortlich zeichnete. Intendantin war damals Monika Piel, als Fernsehdirektorin amtierte Verena Kulenkampff.

Dementsprechend vorsichtig fällt die erste Stellungnahme des WDR nun aus. "Wir sind dabei, die Fakten genau zu prüfen. Denn das ist ja ein geschäftlicher Vorgang, der Jahre zurück liegt - vor der Amtszeit des jetzigen Intendanten. Sorgfalt geht da vor Schnelligkeit", sagt der WDR-Sprecher Stefan Wirtz. Mit Ergebnissen sei frühestens in der kommenden Woche zu rechnen.

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