"Beauty & the Nerd" auf Pro Sieben:Willkommen im Klischee-Kosmos

Beauty & the Nerd

Sie kämpfen mit ihrem "Nerd" um 100.000 Euro Preisgeld: Die "Beauty & the Nerd"-Kandidatinnen Martina, Kamilla und Anissa (v.l.).

(Foto: ProSieben/Charlie Sperring)

"Ich bin schöner als meine Intelligenz": Bei "Beauty & the Nerd" auf Pro Sieben treffen Barbie-ähnliche Geschöpfe auf Männer mit Socken in den Sandalen. In gemischten Zweierteams sollen sich "Beautys" und "Nerds" näherkommen. Klingt klischeebeladen? Ist es auch.

Von Vanessa Steinmetz

Der neuen ProSieben-Show "Beauty & the Nerd" liegt ein simples Grundrezept zugrunde: Man nehme Frauen mit Berufsbezeichnungen wie "Starlet" oder "Mode-Verkäuferin" und lässt sie Sätze wie "Ich bin schöner als meine Intelligenz" in die Kamera sprechen. Dazu kommen noch Männer, die zwar karrieretechnisch im Vorteil zu sein scheinen ("Hydraulik-Spezialist", "IT-Fachmann"), aus irgendeinem Grund aber in aberwitzige Hipster-Verkleidungen gesteckt wurden und Komplimente verteilen wie: "Du wirst jeden Tag schöner. Du siehst jetzt schon aus wie nächste Woche."

Das, was ProSieben als das "ultimative soziale Experiment" bezeichnet, mäanderte am Donnerstagabend mehr als zwei Stunden lang zwischen der Zurschaustellung weiblicher Körperteile und dem Fremdscham des Zuschauers ob der romantischen Unbeholfenheit der selbsternannten Nerds. Deutlicher hätte man die aktuelle Sexismus-Debatte nicht ad absurdum führen können als mit der Szene, in welcher sich die "Beautys" am Beckenrand eines Swimmingpools mit den Worten "Huhu, Jungs" ihrer pinken Bademäntel entledigen und die Kamera sodann über die von Bikinihöschen spärlich bedeckten Hinterteile der Frauen schwenkt.

Aber der Reihe nach. Natürlich geht es in "Beauty & the Nerd" um mehr als bloße Fleischbeschau. Acht Frauen und acht Männer, die laut Off-Sprecher aus "zwei völlig verschiedenen Welten" stammen, müssen jeweils in Zweierteams in Südafrika Challenges bestehen. Dabei gilt es beispielsweise für die Männer, einen Parcours mit Hindernissen wie einer Tür und einem Lastwagen im James-Bond-Stil zu überwinden (während sich die "Beauty" im Bikini auf einem Boot räkelt) oder gemeisam Kanu zu fahren. So soll etwas zusammenwachsen, "was eigentlich nicht zusammenpasst". Konsequent ist da auch, dass jede "Beauty" mit ihrem Teampartner in einem Bett übernachten muss.

Gegen Ende der Sendung nominieren sich die Pärchen gegenseitig für den Rauswurf. Die beiden am häufigsten genannten Teams treten dann in einem Quiz gegeneinander an. Die Frauen bekommen Fragen aus dem "Nerd-Kosmos" gestellt ("In welchem Land wurde 'Herr der Ringe' gedreht?"), von denen sie, zumindest in der ersten Folge, keine einzige beantworten können. Die beiden Männer müssen anschließend ihre Fachkompetenz zur "Beauty-Welt" testen lassen. Zumindest da ist Geografie-Student Marius im Vorteil, weil er nach eigenen Angaben ab und zu die Schmink-Tutorials bei YouTube anschaue. So kann er die Frage nach dem Nagellack mit weißen Spitzen souverän mit "French Nails" beantworten. Er und seine Pia (das "Starlet") sind eine Runde näher dran an den 100.000 Euro Preisgeld. Freude, Umarmung. Wächst da schon was zusammen?

Zwar gehören "soziale Experimente" spätestens seit "Frauentausch" (RTL2) oder dem RTL-"Dschungelcamp" zum Fernsehalltag - und mit der Grimme-Preis-Nominierung für das Promi-Bootcamp könnten derlei Formate sogar fast schon als "gesellschaftsfähig" bezeichnet werden. Nur: Wo C-Promis im Dschungel das künstliche Image durch Strapazen wie die unfreiwillige Bohnendiät und Nahtod-Erfahrungen in Alligator-besetzten Schwimmbecken hinter sich lassen sollen, geht es bei "Beauty & the Nerd" vor allem darum, plumpe Klischees aufrechtzuerhalten.

Schminken statt Mathe

Und so gibt es natürlich keinen weiblichen Nerd oder eine männliche "Beauty" (oder gar einen Menschen, der Intelligenz und Schönheit vereint). Stattdessen werden Frauen gezeigt, die Mathe für "absolut überbewertet" halten, als Hobby fast übereinstimmend "shoppen" angeben und meistens etwas zu viel Schminke tragen. Die männliche Nerd-Fraktion kommt allerdings auch nicht viel besser weg. Ob sie nun der Kamera ihre Jungfräulichkeit beichten, mit bis zu den Knien hochgezogenen Socken und Shorts durchs Bild laufen oder - wie Kandidat Kevin - eine Barbie-Puppe mit ins Bett nehmen, die der US-Countrysängerin Taylor Swift nachempfunden ist. Am Ende wünscht man sich als Zuschauer für die Kandidaten nur noch, dass das "soziale Experiment" von vorne bis hinten durchgescriptet ist.

Beauty & the Nerd

Helge, Kevin und Martin (v.l.) sind drei der insgesamt acht Nerds der Show. Weibliche Computer-Speezialisten sind, zumindest in der ersten Folge, nicht dabei.

(Foto: ProSieben/Charlie Sperring)

Neu ist das Konzept der Sendung nicht; in mehr als 21 Ländern gibt es die Show mit dem Original-Titel "Beauty & the Geek" schon. Das Erfolgsrezept "eigenartiger Wissenschaftler trifft auf schöne, aber eher durchschnittlich intelligente Frau" spiegelt sich auch in der sehr populären US-Sitcom "Big Bang Theorie" wieder. ProSieben hatte mit "Das Model und der Freak" ebenfalls schon eine eigene, recht artverwandte Variante im Programm.

Und auch die erste Episode des deutschen Ablegers von "Beauty & the Geek" sorgte für Aufsehen. Während der Ausstrahlung waren die ersten vier Plätze der deutschlandweiten Twitter-Trends durch verschiedene Hashtags zu der Sendung besetzt. Statt Lob gab es allerdings Häme. @motorsby schreibt: "Wenn man von #Batn umschaltet, und von Frauentausch angenehm angetan ist, sagt das alles über dieses Beauty/Nerd-Format". Und in Anspielung auf den Hashtag zur Sexismus-Debatte twittert @frolueb: "Wo seid ihr denn mit eurem #Aufschrei wenn es mal wirklich nötig ist!!! #batn".

Erdacht hat sich das "Beauty & the Nerd"-Format übrigens Hollywood-Beau Ashton Kutcher. Das ehemalige Unterwäsche-Model dürfte keine Probleme mit dem Kennenlernen von hübschen Frauen haben. Aber es soll ja auch weibliche Nerds geben.

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