ARD will sich bei Uefa beschweren:Montierte Tränen

Sie weinte nicht aus Enttäuschung über Balotellis Tore, sondern schon vor dem Spiel - aus wohliger Rührung. Dennoch zeigte die Uefa die Tränen einer Frau aus Düsseldorf während des Halbfinals von Warschau. Es war nicht die erste Montage während des Turniers. Die ARD will sich jetzt beschweren.

Thomas Kistner/Katharina Riehl

Es war ein emotionsreicher, leider nicht restlos gelungener Ausflug eines Düsseldorfer Ehepaars zum EM-Halbfinale nach Warschau. Doch am Tag nach dem K.o. der DFB-Auswahl erhielt das Paar irritierende Mails aus der Heimat: Sie seien ganz groß im Fernsehen gewesen bei der Live-Übertragung - aber mal ehrlich: Haben Balotellis Tore die arme Andrea so geschockt, dass sie auf der Tribüne in Tränen ausbrechen musste?

So erfuhr das Paar, was Millionen auf den Bildschirmen sahen: Italien trifft, und einer deutschen Zuschauerin rinnen dicke Tränen über die schwarzrotgoldenen Wangen. Was für ein ausdrucksstarkes Bild. Mit kleinem Fehler: Es war eine Fälschung, das Bild hatte nichts mit Italiens Toren zu tun, es wurde den Sendern von der dem Europäischen Fußballverband Uefa unterstellten Weltbild-Regie ins Live-Material gemischt. Am Freitag bestätigte eine ARD-Sprecherin den neuerlichen Fauxpas. Die Bilder aus dem deutschen Fanblock wurden vorher aufgenommen und nach dem Tor ohne die mit der Uefa verabredete Kennzeichnung gezeigt. Für die ARD sei diese Montage in der Live-Situation nicht erkennbar gewesen.

Damit spitzt sich das Problem um wahre EM-Bilder zu. Auch die Betroffene ließ der SZ am Freitag mitteilen, sie habe keineswegs Deutschlands Rückstand beweint. Vielmehr sei sie bei der Präsentation der Mannschaften vorm Anpfiff vom Gefühl übermannt worden. Die Tränen flossen also lange vor dem Spiel, nicht wegen Balotellis Toren. Und auch nicht aus Schock und Enttäuschung, sondern, im Gegenteil, aus wohliger Rührung.

"Wir sind erstaunt und irritiert"

Das ist brisant, weil die Regie bei dieser EM ja schon häufig falsch spielte. Ins deutsche Gruppenspiel gegen die Niederlande war eine Szene gebastelt worden, in der Joachim Löw einem Balljungen den Ball aus dem Arm schlägt. Groß war die Irritation, größer die Debatte: Hat der Bundestrainer in so einer Partie nichts besseres zu tun, als mit Balljungen rumzualbern? Es war ein manipuliertes Live-Bild, räumten die Verantwortlichen ein. Die Sender setzten die Uefa unter Druck für die Zusage, das käme nicht mehr vor. Falls doch etwas ins Live-Bild gemischt würde, werde dies markiert. Nun sagt Jörg Schönenborn, ARD-Teamchef bei der EM: "Wir sind erstaunt und irritiert. Diese Bilder sind für uns so nicht akzeptabel - zumal wir mit der Uefa über diese Problematik vor wenigen Tagen gesprochen hatten. Wir werden jetzt erneut das Gespräch suchen."

Das erscheint notwendig. Offenbar will die Uefa, die sich auf Anfrage nicht äußerte, von ihrer Heile-Welt-Programmpolitik nicht lassen, die neben Manipulationen allerlei Zensur beinhaltete: Politische Plakate oder leere Ränge und Ehrentribünen wurden ebenso ausgeblendet wie Pyrotechnik oder Flitzer auf dem Rasen. "Die Öffentlichkeit hat Anspruch auf authentische Berichterstattung", mahnte damals Michael Konken, Chef des Deutschen Journalistenverbands, Manipulationen führten zu Vertrauensverlust ins öffentlich-rechtliche Fernsehen. Und Schönenborn hatte der Uefa erklärt, "dass das deutsche Publikum erwartet, dass live drin ist, wenn live drauf steht".

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