Am Set von "Ladykracher":Hin- und herhampeln mit Leiche

Anke Engelkes "Ladykracher" ist immer noch eine herausragende Comedyreihe. Das Konzept wurde nach Russland und Frankreich verkauft. In Köln entsteht gerade eine neue Staffel für den Privatsender Sat 1 - mit Stunts und echtem Drogenhund. Die Atmosphäre am Drehort: auffallend entspannt.

Hans Hoff

Matthias Matschke hat extrem wenig Text. Genau genommen hat er gar keinen Text. Das mag an dem kleinen roten Loch liegen, das auf seiner Stirn zu sehen ist. Kopfschuss. Matschke ist tot, laut Drehbuch. Leblos lagert er auf dem Beifahrersitz einer Limousine und bekommt gar nicht mit, dass das Gefährt gerade im Grenzgebiet zu Holland in eine Zollkontrolle geraten ist.

Landstraße/Zoll

"Der macht sich extra schwer": Anke Engelke, Daniel Wiemer, Kai Lentrodt und Matthias Matschke (v.l.) bei der Fahrzeugkontrolle.

(Foto: Photographer: Guido Engels)

Aber auch die Kontrolleure bekommen nichts mit von Matschke. Sie suchen nach Drogen. Nur nach Drogen. Sie bemerken deshalb weder die Pistole am Gürtel des Fahrers noch nehmen sie Matschke wahr. "Können Sie das vom Beifahrersitz entfernen", sagt der Beamte, als er den Drogenhund ins Auto lassen will. "Kein Problem", sagt der Fahrer und schubst Matschke an. Der fällt wie ein nasser Sack heraus. "Sauber", sagt der Beamte, nachdem der Hund keine Drogen erschnüffelt hat. Dann hilft seine Kollegin, Matschkes Leiche wieder auf dem Beifahrersitz zu hieven. "Nichts für ungut. Gute Fahrt", wünscht sie. "Danke", sagt Regisseur Erik Haffner.

Er sagt das nicht zum letzten Mal an diesem Tag. Elf Einstellungen braucht die von Morten Kühne (Autor der ZDF-Heute-Show) geschriebene Szene, die irgendwann im nächsten Jahr als Sketch in der immer noch guten Sat 1-Comedyreihe Ladykracher zu sehen sein wird. Eine Minute und 40 Sekunden wird sie dauern und ihren Witz daraus ziehen, dass das Offensichtliche übersehen wird. "Es ist die Kunst des Weglassens", sagt Karsten Dusse.

Setbesuch aus Litauen

Dusse ist Chefautor bei Ladykracher. Eine Delegation aus Litauen ist zu Besuch am Set. Sie hat sich - wie vorher schon Sender in Russland und Frankreich - das Ladykracher-Konzept lizensieren lassen und schaut nun, was man von den deutschen Kollegen lernen kann.

Der Dresenhofweg vor den Toren Kölns ist eine lange Straße. Auf beiden Seiten abgesperrt für den Verkehr. Es sieht aus wie das Nirgendwo. Nur wenn man sich auf die Zehenspitzen stellt, kann man die hässlichen Hochhäuser des nördlichen Stadtteils Chorweiler sehen. Was die Kamera nicht zeigt, sind rund 30 Akteure, die wirbeln, um den gespielten 100-Sekunden -Witz zu inszenieren.

Es ist ein aufwändiger Dreh für Ladykracher-Verhältnisse. Man spürt, mit welcher Sorgfalt hier zur Tat geschritten wird. "Die Regisseure haben einen filmischen Anspruch an das, was sie hier machen", sagt später die Hauptfigur. Die heißt Anke Engelke, aber sie wirkt in keiner Weise wie eine Hauptfigur, auch wenn Ladykracher ihr Produkt ist. An der Herstellung durch Brainpool ist Engelke beteiligt. Am Set ist sie nur eine von vielen, in diesem Fall eine Zollbeamtin mit der Kelle, die den Wagen stoppt und die Leiche nicht sieht, weil sie alle ihre Sinne auf einen Drogenfund geeicht hat.

Stimmung wie im Sommercamp

Die Hauptperson des Tages ist eindeutig Matschke. Als die Schienen für die Kamera neu gelegt werden, darf er aussteigen und kaspert hinter der Kamera ein bisschen herum. Mehr als 30 Mal musste er sich aus dem Auto plumpsen lassen. "Ich mache meine Stunts selber", witzelt er. Einmal habe ihm der Zollhund beim Drübersteigen sogar ins Gemächt getreten, klagt er dann noch.

Das sei halt Matschkes Tag, sagt Engelke mit Gönnermiene. Wann dürfe man schon mal eine Leiche sein? Matthias Matschke, der viel Theater spielt und zum festen Ladykracher- und Pastewka-Ensemble zählt, zeigt derweil den Kindern der Producerin die Flasche mit dem Kunstblut und beschwert sich dann über seine schlabbrige Jeansjacke. "Man spart an meiner Garderobe. Die hatte ich auch schon bei Pastewka an", mault er, aber der Ton zeigt, dass er sich nur zum Spaß echauffiert. Trotzdem weist ihn jemand zurecht. "Wenn man tot ist, kann man doch auch mal fröhlich sein", blafft er zurück.

Irgendwann wird auch Engelke zurechtgewiesen, als sie die Polizeikelle falsch hält. "Matschke, das Arschloch hat gesagt, ich soll das so machen", entschuldigt sich die Ermahnte, und fast meint man die Leiche grinsen zu sehen. Später zahlt er ihr das mit der Beschimpfung dann noch zurück. Nach dem Reinheben beschwert sich die Zollbeamtin: "Der macht sich extra schwer, der Matschke."

Es herrscht eine ausgelassene Stimmung an diesem Drehort. "Sommerwahnsinn" nennt das einer und sagt, dass man im Urlaub auch nicht mehr erlebe. "Das ist Sommercamp", bestätigt Engelke die Anmutung. Bis Anfang September läuft der erste Block der Dreharbeiten. Bis Oktober muss dann der zweite fertig werden. Bei dem führt Tobi Baumann Regie.

Drogen weg, der Zollhund ist echt

Der Sommercamp-Chefin Engelke merkt man nicht an, dass ihre Mannschaft hier gerade ein Großprojekt stemmt. "Es hilft, dass alle drumherum ihren Job so ernst nehmen", sagt sie. Auf Details wird geachtet. Sogar der Zollhund ist ein echter Drogenhund. Darauf hat der Regieassistent vorher hingewiesen. "Wenn jemand etwas dabei hat, jetzt bitte wegwerfen", hat er gewitzelt. In Kauf nimmt das Team, dass der Hund öfter bellt als es im Drehbuch steht. Gott sei Dank bellt er meistens, wenn gerade niemand redet. Das könne man dann sehr schön hinterher stückeln, sagt Regisseur Haffner. Damit das dann glaubhaft klingt, werden auch die Umweltgeräusche aufgenommen. Die montiert Haffner später an jene Stellen, wo er das Bellen des Hundes entfernt. "Wir nehmen noch die Atmo. Bitte alle still sein", ruft jemand. Dann sind alle still, und man hört Mähdrescher in der Ferne, eine S-Bahn, einen Raubvogel, der seinen Ruf ausstößt.

Am Ende des Drehtages steht der sogenannte Abspann-Dance. Da hampeln und tanzen alle Schauspieler noch einmal und ziehen Grimassen für die Kamera. "Das ist für uns die Möglichkeit, noch einmal Gas zu geben. Wir geben da alles. Das erzählt viel über uns", sagt Engelke und charakterisiert dann die Sommercamp-Gemeinschaft musikalisch. "Wir sind schon auch eine Band", sagt sie.

Zur Band zählt auch Matschke. Er tanzt sehr kreativ, wirft sich voll rein, reckt und streckt sich, als gelte es, den Himmel zu gewinnen. Nicht schlecht für eine Leiche.

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