Eurovision Song Contest in Stockholm:Ukraine gewinnt den ESC 2016 - Jamie-Lee für Deutschland wird Letzte

Eurovision Song Contest

Freude im Greenroom: Jamala aus der Ukraine gewinnt den ESC.

(Foto: dpa)
  • Die Ukraine gewinnt den 61. Eurovision Song Contest in Stockholm.
  • Sängerin Jamala erreicht mit ihrem hochpolitischen Song "1944" über die Vertreibung der Krimtataren unter Stalin insgesamt 534 Punkte.
  • Auf den Plätzen zwei und drei folgen Australien und Russland.
  • Jamie-Lee Kriewitz erreicht bei Jury- und Zuschauervoting lediglich elf Punkte - Deutschland landet auf dem letzten Platz.

Es ist eines der politischsten Lieder des Wettbewerbs - die ukrainische Sängerin Jamala hat mit ihrem Song "1944" den Eurovision Song Contest gewonnen. Darin geht es um die Vertreibung der Krimtataren unter Sowjet-Diktator Josef Stalin. Jamala erreichte bei den Jury-Votings und der Zuschauerabstimmung insgesamt 534 Punkte. In der Stockholmer "Globe Arena" siegte sie vor Australien und Russland. Es ist der zweite ESC-Titel für die Ukraine nach 2004 (Ruslana mit "Wild Dance").

So bewertet SZ-Musikexpertin Kathleen Hildebrand den Sieg der Ukraine:

Klar, der ukrainische Beitrag, "1944" von Jamala, zählte schon vorher zu den Favoriten des diesjährigen Eurovision Song Contests. Als die Windmaschinen noch still standen und kein einziger Goldfunke versprüht war. Es ist auch nicht das erste Mal, dass ein folkloristisch angehauchtes Lied gewinnt, denn so klingen viele von Jamalas klagenden Melodieläufen. Aber dass tatsächlich ein Song gewinnen würde, in dem es um Tod und Vertreibung von Tataren auf der Krim unter Josef Stalin geht, das konnte man sich so richtig dann doch nicht vorstellen in diesem Glitzer-und-Feuersäulen-Wettbewerb. Vielleicht sind die Europäer doch nicht so entpolitisiert, wie oft behauptet wird. Sondern "bereit, vom Leid anderer Menschen zu hören und mit ihnen mitzufühlen", wie Jamala vor dem Finale in einem Interview sagte. Dass ihr Lied sich nicht nur auf 1944, sondern auch auf die russische Annexion der Krim-Halbinsel bezieht, gab sie unumwunden zu. Zukunft, Freiheit und Menschlichkeit jedenfalls: Das klingt gut und einen Tick relevanter als die nächste Powerballade über die große Liebe.

Nach der Verkündigung der nationalen Jury-Resultate hatte noch alles nach einem Überraschungssieg Australiens ausgesehen. Sängerin Dami Im begeisterte mit ihrem Song "Sound of Silence" die Musikexperten. Down under ist überhaupt erst zum zweiten Mal dabei: Zum 60. Jubiläum im vergangenen Jahr hatten die Organisatoren die ESC-begeisterten Australier eingeladen. Seitdem dürfen sie teilnehmen, sind aber nicht gesetzt fürs Finale.

Der russische Sänger Sergej Lasarew war vorab von den Buchmachern als Topfavorit gehandelt worden. Mit seiner Dancepop-Nummer "You Are The Only One" kam er am Ende auf den Bronze-Rang.

61st Eurovision Song Contest - Grand Final

Entsetzte Gesichter bei der russischen Entourage: Sergej Lasarew (Mitte) kam am Ende "nur" auf Platz drei.

(Foto: dpa)

Die deutsche Kandidatin Jamie-Lee Kriewitz landete auf dem letzten Platz - durchaus unverdient. Ihren Auftritt um 21.45 Uhr in einem blauen Kleid im Asia-Look mit fantasievollem Kopfschmuck absolvierte sie fehlerfrei. ESC-Urgestein Peter Urban kommentierte in der ARD, der Finalauftritt sei Jamie-Lees bester Auftritt in Stockholm gewesen. Am Ende des Abends reichte es für die Gewinnerin von The Voice of Germany dennoch nur für elf Punkte. Möglicherweise wurde der 18-Jährigen ihr Startplatz zum Verhängnis - Jamie-Lee musste zwischen den hochgehandelten Beiträgen aus Schweden und Frankreich singen.

Zum siebten Mal ein letzter Platz für Deutschland

Bereits beim Wettbewerb im vergangenen Jahr in Wien war Deutschland Schlusslicht: Damals hieß die Sängerin Ann Sophie und ihr Song "Black Smoke". Seit der erstmaligen Austragung des ESC 1956 hat Deutschland damit sieben Mal den letzten Platz belegt (1964, 1965, 1974, 1995, 2005, 2015 und 2016).

In diesem Jahr war die Punkteverkündung von Jurys und Publikum erstmals getrennt. Zuerst wurden per Schalte in alle Länder die Jurystimmen abgefragt (abgegeben bereits am Freitag nach der Generalprobe, dem sogenannten Jury-Finale). Dann verlasen die Moderatoren die Ergebnisse des Zuschauervotings (wieder in Punkten), was es diesmal spannend bis zum Schluss machte. (Linktipp: Lesen Sie hier die Ereignisse des Abends in der Ticker-Nachlese.)

In der traditionellen Pause zwischen Wettbewerb und Punkteverkündung trat der amerikanische Superstar Justin Timberlake außer Konkurrenz auf, wünschte den Teilnehmern viel Glück ("Cheers to You!") und sang unter anderem seinen neuen Hit "Can't Stop The Feeling", den zwei Schweden mitschrieben. In diesem Jahr übertrug erstmals ein US-Sender das ESC-Finale live.

Höhepunkt der Pausenshow - vielleicht sogar des ganzen Abends - war aber die herrlich selbstironische Pausengestaltung der schwedischen Gastgeber. Das Moderatorenpaar um Komikerin Petra Mede und Vorjahressieger Måns Zelmerlöw lieferte eine Performance ab, die viele ESC-Beitrage verblassen ließ. Gemeinsam zeigten sie der Welt, was alles zu einem ESC-Gewinnersong gehört - und scheuten dabei kein noch zu überzeichnetes Klischee. Von halbnackten Trommler über traditionelle Folklore bis zur obligatorischen Liebes- und Friedensbotschaft. Die Schweden erteilten den ESC-Zuschauern an diesem Abend eine Lektion in Selbstironie.

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