Zocken mit Stil:Pokerface und Dekolleté

Ob Reptil-Brille, Schmuddelhose oder großzügiger Ausschnitt: Ein ungewöhnliches Outfit kann den Gegner am Pokertisch aus der Fassung bringen.

Violetta Simon

Profi-Pokerspieler Michael Keiner gewann 1997 die Europameisterschaft in London. Der 48-Jährige kommentiert Turniere beim DSF, spielt aber weiterhin für das Pokerteam 888. In einem Gespräch mit sueddeutsche.de erklärt er, welche Rolle das richtige Outfit am Pokertisch spielt.

poker dekolleté

Immer schön die Hände auf den Tisch!

(Foto: Foto: AP)

sueddeutsche.de: Was ziehe ich zum Pokern an? Michael Keiner: Das ist in jedem Land anders. Deutschland ist da sehr konservativ: Bei Live-Poker im Casino müssen Sie Sakko tragen, meist mit Krawatte. Das klassische deutsche Outfit ist übrigens Anzug mit Fliege. Haben Sie Daniel Craig in Casino Royale gesehen? Das ist der Maßstab, den Sie für Deutschland ansetzen können.

sueddeutsche.de: Viele Spieler tragen aber auch ungewöhnlich schlampige Outfits. Keiner: Das kommt aus den USA. Angefangen hat damit der Kanadier Daniel Negreanu. Er kam eines Tages zur World Series in einem überdimensionierten Eishockey-T-Shirt. Der Mann besitzt Kult-Charakter, und so sind einige Tage später etwa 100 Profis in Eishockey-Shirts aufgetaucht. Damit entstand ein Trend, der sich vor allem unter Amateuren verbreitete.

sueddeutsche.de: Der Trend zur Schlampigkeit? Ja, leider. In Amerika gibt es eine große Gruppe von professionellen Spielern, die oft in versifften Schlabbershirts mit ausgelatschten Trainingshosen herumsitzen, selbst wenn sie um Millionen spielen.

sueddeutsche.de: Gehört die Garderobe zur Pokerstrategie, um den Gegner aus dem Konzept zu bringen oder eine Botschaft zu senden? Keiner: Bei guten Profis gehört das in jedem Fall dazu. Bei manchen hängt es auch damit zusammen, eigene Schwächen zu erkennen.

sueddeutsche.de: Welche Schwäche verdeckt ein Spieler, der sich hinter Brille, Kopfhörer und Kappe verschanzt? Keiner: Wenn sie etwa den Iren Phil Laak nehmen: Der Mann ist eigentlich ein Internetspieler. Er hat nie gelernt, seine körperlichen Reaktionen so gut zu kontrollieren, also versteckt er sich hinter Kapuze und Sonnenbrille, um möglichst wenig von sich selbst preiszugeben.

sueddeutsche.de: Ist das nicht ein wenig albern? Keiner: Ich setze mich schon lange dafür ein, dass diese Maskerade bei Fernsehturnieren verboten wird. Es ist nicht gut für die Show, nicht gut für das Publikum. Wenn jemand den Anspruch erhebt, Poker-Profi zu sein, gehört Selbstkontrolle dazu. Beim Golf müssen Sie auch putten können.

sueddeutsche.de: Der "Fossil-Man" Greg Raymer trägt aber auch gern Brillen mit aufgedruckten Reptil-Augen. Dabei ist er ein echter Profi. Keiner: Die Brille ist reines Image. Sie macht ihn interessant. Raymer ist eigentlich Patentanwalt und sammelt Fossilien.

sueddeutsche.de: Ihr persönliches Lieblings-Outfit? Keiner: Jackett ohne Krawatte. Seit ich bei meinem Sponsor 888 unter Vertrag stehe, ist auf meinem Kragen das Logo aufgestickt.

sueddeutsche.de: Welches Outfit werden Sie nie vergessen? Keiner: Da habe ich leider eine negative Erinnerung. Im Bellagio bei einer hohen Partie, es ging um 60-100.000 Dollar, saß ein ziemlich übergewichtiger Typ in einer Art Unterhemd. Das Teil war übersät mit Cola- und Ketchupflecken, seine Jogginghose hatte Löcher an den Knien. Richtig versifft. Ich hatte sofort eine sensorische Halluzination ...

sueddeutsche.de: Eine was? Keiner: Ich bildete mir ein, dass der Mann schrecklich müffelt. Das vergesse ich nie.

sueddeutsche.de: Hat Sie das abgelenkt? Keiner: Nur kurz, etwa zwei Sekunden. Aber ich hatte einfach keine Lust mehr, weiterzuspielen.

sueddeutsche.de: Gibt es ein Outfit, das Sie in anderer Hinsicht aus der Fassung bringt? Keiner: (Lacht) Natürlich! Wenn Sie etwa mit einer attraktiven Dame spielen, die sehr sexy angezogen ist wie zum Beispiel die Schauspielerin Jennifer Tilly. Mit ihr habe ich kürzlich in London gespielt. Wenn die sich entsprechend zurecht macht, lenkt mich das schon ab.

sueddeutsche.de: Frauen sollten sich also - rein strategisch gesehen - besser in einem knappen Kleidchen an den Pokertisch setzen? Keiner: Oder auch eine weit ausgeschnittene Bluse, ein eng anliegender Pulli. Solche Sachen. Das wäre spieltechnisch optimal. Weil es einen gewissen Ablenkungsfaktor beinhaltet.

sueddeutsche.de: Und das wirkt bei einem Profi wie Ihnen? Keiner: Ich weiß es wirklich: Es wirkt. Auch die Katja (Thater, bekannteste Poker-Spielerin Deutschlands) setzt ihre Garderobe als Waffe ein. Das kann dann schon gefährlich werden.

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