Yoga:Innere Unruhe

Beweismaterial sammeln und sich nicht aus der Ruhe bringen lassen: Indien zeichnet alte Yoga-Übungen auf Video auf. Das hat einen besonderen Grund.

Susanne Klaiber

Indiens Regierung hat genug von den Geschäftemachern, die sich jahrtausendealte Yoga-Traditionen des Subkontinents abgucken und als ihre eigenen ausgeben. Die Ministerien haben jetzt eine neue Waffe gegen die Raubkopierer ins Feld geführt: Zehn sorgfältig ausgewählte Yoga-Meister, die unter der Aufsicht von ebenfalls sorgfältig ausgewählten Experten Hunderte Übungen, sogenannte Asanas, genau so durchexerzieren, wie sie in den alten Schriften beschrieben sind.

Yoga: Indische Yoga-Schüler beim Training: Die Regierung des Landes will nun nicht länger zulassen, dass ausländische Geschäftemacher sich die Übungen weiterhin abgucken und als ihre ausgeben.

Indische Yoga-Schüler beim Training: Die Regierung des Landes will nun nicht länger zulassen, dass ausländische Geschäftemacher sich die Übungen weiterhin abgucken und als ihre ausgeben.

(Foto: afp)

Die Videoaufnahmen der Verrenkungen landen in der Traditional Knowledge Digital Library (TKDL) in Delhi, einer Datenbank, die auch altes medizinisches Wissen enthält und auf die internationale Patentprüfer Zugriff haben. So will die indische Regierung vermeiden, dass jeder selbsternannte Guru ein lukratives Patent auf eine angeblich neue Variante des Yoga bekommen kann, obwohl er in Wahrheit nur bei alten Meistern wie Patanjali gespickt hat.

Auslöser der Beweissicherungs-Aktion war der in Kalkutta geborene und in Beverly Hills praktizierende Bikram Choudhury. Er ließ sich in den USA vor einigen Jahren eine Übungsfolge patentieren, die seine Schüler bei einer Temperatur von etwa 40 Grad ausführen müssen. Seine Anwälte verschickten daraufhin Abmahnungen an Yogastudios in aller Welt, die ihre Kunden ebenfalls auf diese schweißtreibende Art nach innerer Ruhe suchen ließen.

Text reicht nicht

Unmöglich, fand man in Indien und hat seit 2006 insgesamt 900 Übungen aus den antiken Texten herausgeschrieben und in Weltsprachen übersetzt. Doch das ist den Leuten von der TKDL noch immer zu unsicher. "Yoga ist ein Bewegungsablauf", sagt der Leiter Vinod Kumar Gupta, "da reicht Text nicht." Also haben seine Leute im Januar begonnen, die Übungen auf Video festzuhalten.

Bis Ende Juli wollen sie 250 davon fertig haben, sagt Gupta. Anna Trökes, die in Berlin eine Yogaschule leitet und viele Yoga-Bücher geschrieben hat, sieht das kritisch. Nach der traditionellen Hatha-Lehre gebe es 84.000 Asanas. Eine symbolische Zahl, die zeigen soll, dass es so viele Übungen gibt wie Menschen, die sie ausführen. Also unendlich viele. Außerdem würden die Übungen in den alten Texten nur rudimentär beschrieben.

Obwohl viele Yoga-Kenner wie Trökes Yogaübungen und deren Zusammenstellungen für ein allgemein zugängliches Kulturgut halten, gibt es allein in den USA mehrere hundert Patente darauf. Dagegen will das Wissenschaftsministerium in Indien ein für allemal vorgehen. Bis dahin heißt es: Beweismaterial sammeln und sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Omm.

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