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Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus - und das wählt deshalb alle vier Jahre den Bundestag. Aber wie funktioniert diese Wahl? Und was ist eigentlich ein Zweitstimme oder ein Überhangmandat? Eine Übersicht.

Von Jan Heidtmann

Abgeordnete: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus", so steht es im Artikel 20 des Grundgesetzes. 598 Abgeordnete sind vorgesehen, um im Bundestag für eine Legislaturperiode von jeweils vier Jahren den Willen des Volkes zu vertreten; durch Überhang- und Ausgleichsmandate werden es jedoch meist mehr. Die Mitglieder des Bundestages wählen den neuen Regierungschef und könnten ihn durch ein Misstrauensvotum auch wieder abwählen. Im laufenden Betrieb des Parlaments kontrollieren die Abgeordneten die Arbeit der Regierung, sie beraten und beschließen Gesetze, und sie sollen ihre Ansichten im Parlament in freier Rede vertreten. Zur Wahrung ihrer Unabhängigkeit genießen sie strafrechtliche Immunität, welche der Bundestag jedoch aufheben kann.

Alterspräsident: Bislang fiel der oder dem ältesten Abgeordneten vor allem die Aufgabe zu, die erste Sitzung eines neugewählten Bundestages zu eröffnen. Diese Bestimmungen sind im Juni von CDU/CSU und SPD geändert worden. Alterspräsident ist nun derjenige Abgeordnete, der dem Parlament am längsten angehört. Dies wird voraussichtlich Wolfgang Schäuble (CDU) sein, er ist seit 1972 dabei. Die Geschäftsordnung des Bundestages wurde mit der Begründung geändert, dass ein erfahrener Abgeordneter die konstituierende Sitzung eröffnen solle. Kritiker haben jedoch die Vermutung, dass so ein Alterspräsident von AfD verhindert werden soll; die Rechtspopulisten werden mit dem 77-jährigen Wilhelm von Gottberg möglicherweise den ältesten Abgeordneten im Bundestag stellen.

Briefwahl: Möglichkeit zu wählen, wenn man am Wahltag verhindert ist. Bei der Bundestagswahl 2013 nutzten fast ein Viertel der Wähler diesen Weg.

Bundestag: Das Reichstagsgebäude in Berlin ist der Sitz des Bundestags. Hier treten die Abgeordneten in den rund 20 Sitzungswochen im Jahr zusammen. Der Bundestag soll dabei auch das Forum sein, in denen die Volksvertreter öffentlich debattieren. Kritiker bemängeln freilich eine schwindende Debattenkultur. Viele Abgeordnete halten ihre Reden nicht frei, wie eigentlich gewünscht, und fast alle gehorchen dem Fraktionszwang. Das manchmal spärlich besetzte Plenum, das oft im Fernsehen zu sehen ist, hat aber auch einen nachvollziehbaren Grund: Den größten Teil ihrer Zeit im Bundestag verbringen die Abgeordneten in den Ausschüssen. Hier werden Gesetzesvorhaben etwa für Finanzen, Verteidigung, Innere Sicherheit oder auch Sport beraten (siehe Grafiken).

Bundesrat: Hier vertreten die 16 Länder auf Bundesebene ihre Interessen. Der Bundesrat hat 69 Mitglieder, jedes Bundesland hat - je nach Bevölkerungsanteil - mindestens drei bis maximal sechs Stimmen. Die Länder werden hier von Mitgliedern der jeweiligen Landesregierungen vertreten. Viele Gesetze können nur in Kraft treten, wenn neben dem Bundestag auch der Bundesrat zugestimmt hat. Das verleiht der Länderkammer beachtliche politische Macht, wie schon die Bundesregierungen unter Helmut Kohl und Gerhard Schröder schmerzhaft erfahren mussten.

Direktkandidaten: Im Wahlkreis bewerben sie sich direkt und nicht über die Landesliste einer Partei um die Stimme der Wähler. Wer von den jeweiligen Direktkandidaten des Wahlkreises den größten Anteil der Stimmen erhält, bekommt den Sitz im Bundestag. Innerhalb der Fraktionen haben Direktkandidaten eine starke Stellung, da sie nicht unmittelbar auf die Partei angewiesen waren, um gewählt zu werden. 299 Sitze, die Hälfte der Sitze im Bundestag (Überhangmandate nicht mitgerechnet) werden an Direktkandidaten vergeben.

Erststimme: Bei der Bundestagswahl haben die Wähler zwei Stimmen, die Erststimme und die Zweitstimme. Mit der Erststimme wird der Direktkandidat gewählt.

Fraktion: Das Wort stammt aus dem Französischen und bedeutet so viel wie "Bruchteil". Meist bilden diese Abgeordneten einer Partei eine Fraktion, im Fall von CDU und CSU im Bundestag können auch gleichgesinnte Parteien eine Fraktion bilden. Fraktionen haben bestimmte Rechte in einem Parlament, zum Beispiel bei der Redezeit ihrer Mitglieder oder bei der Befragung der Regierung. Um den Fraktionsstatus zu erhalten, müssen sich mindestens fünf Prozent aller im Bundestag vertretenen Abgeordneten zusammenfinden.

Fraktionszwang: Dürfte es eigentlich nicht geben, denn ein Abgeordneter unterliegt dem Grundgesetz zufolge nur seinem Gewissen. Trotzdem fordert die Fraktionsführung meist die sogenannte Fraktionsdisziplin ein, um ihre Mehrheiten sicherzustellen oder wenigstens geschlossen aufzutreten. Bei besonderen Gewissensfragen, wo die Meinungen quer durch die Fraktionen zu finden sind, wird die Abstimmung "freigegeben". In manchen Fällen widersetzen sich Abgeordnete den eigenen Fraktionen unter Berufung auf ihr Gewissen, so auf Regierungsseite bei der Abstimmung zum Afghanistan-Einsatz 2001. Versucht eine Fraktion Konformität durch Druck zu erzwingen, zum Beispiel mit der Warnung, dass ein Abgeordneter nicht mehr als Kandidat aufgestellt werden könnte, spricht man von Fraktionszwang - natürlich nie öffentlich. Ein Beispiel gescheiterter Disziplinierung lieferte der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach. Nachdem er gegen die Euro-Rettungspläne der CDU-geführten Regierung gestimmt hatte, blaffte ihn der damalige Kanzleramtsminister und Parteifreund Ronald Pofalla an: "Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen."

Fünf-Prozent-Klausel: Mit ihr soll verhindert werden, dass wie in der Weimarer Republik zu viele kleine Parteien in ein Parlament kommen und die Entscheidungsfindung erheblich erschwert werden könnte. Deshalb ist vorgeschrieben, dass eine Partei mindestens fünf Prozent der Zweitstimmen erhalten muss, um im Bundestag vertreten sein zu können. Ansonsten werden die für diese Partei abgegebenen Stimmen nicht berücksichtigt - außer, sie gewinnt mindestens drei Direktmandate.

Gewaltenteilung: Der Staat versammelt über seine Institutionen viel Macht. Damit er diese nicht unkontrolliert einsetzen kann, gibt es die Gewaltenteilung, also die Aufteilung der Macht auf unterschiedliche Sphären des Staates: die Legislative, die Exekutive und die Judikative. Der Bundestag beschließt Gesetze, er ist deshalb die legislative, die gesetzgebende Institution. Die Bundesregierung, Verwaltungsämter und auch zum Beispiel Polizisten gehören zur Exekutive; sie führen die Gesetze aus oder setzen sie durch. Zur Judikative wiederum zählen Gerichte oder Richter. Sie wachen darüber, dass Verstöße gegen die Gesetze geahndet werden.

Hochrechnung: Am Wahlabend werden auf der Grundlage erster Stimmenauszählungen Hochrechnungen über den Ausgang angestellt. Sie werden umso präziser, je mehr Stimmen bereits ausgezählt sind. Am Ende vermeldet der Bundeswahlleiter erst das vorläufige Endergebnis und nach weiteren Prüfungen dann das amtliche Endergebnis einer Wahl.

Landesliste: Zur Bundestagswahl erstellt jede Partei, die antritt, je Bundesland eine Liste ihrer Kandidaten. Wie viele von ihnen in den Bundestag kommen, entscheidet die Zahl der Zweitstimmen ihrer Partei. Je weiter oben ein Kandidat auf der Landeliste steht, desto größere Chancen hat er also, in den Bundestag zu kommen.

Parlament: Politische Volksvertretungen, die auf Landesebene auch Landtag, Abgeordnetenhaus oder wie in Hamburg Bürgerschaft genannt werden. In einem Bundesstaat wie Deutschland gibt es neben dem Parlament, dem Bundestag, auch noch den Bundesrat.

Parteien: Deutschland ist eine Parteiendemokratie. Das heißt, dass die politische Willensbildung weitgehend durch die Parteien geschieht, die letztendlich Gemeinschaften politisch Gleichgesinnter sind. Die Parteien verlieren jedoch ihre Bindungskraft, die Zahl ihrer Mitglieder ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Durch das wieder erwachte Interesse an Politik nach der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten scheint sich dieser Trend abzuschwächen oder gar umzukehren. Zugleich bilden sich neue Parteien, zuletzt die nun fast wieder verschwundenen Piraten und die Alternative für Deutschland (AfD).

Prognose: Eine Prognose ist eine mehr oder weniger gesicherte Aussage über die Zukunft. Im Fall von Wahlen wird dabei aufgrund von Umfragen unter Wahlberechtigten versucht, eine Vorhersage über das Ergebnis zu treffen. Prognosen gibt es auch am Wahltag selbst, sie werden auf der Grundlage von Befragungen an den Wahllokalen angestellt. Liegen die ersten Ergebnisse vor, können aus ihnen Hochrechnungen erstellt werden.

Stimmzettel: Auf diesem Dokument trifft der Wähler seine Wahl. Jeder Stimmzettel zur Bundestagswahl ist zweigeteilt, in die Erststimme und die Zweitstimme. Die Kandidaten auf der linken Seite des Stimmzettels sind die Direktkandidaten, sie sind von Wahlkreis zu Wahlkreis unterschiedlich. Einem von ihnen kann durch Ankreuzen die eigene Stimme gegeben werden. Auf der rechten Seite des Stimmzettels sind die Kandidaten der Landesliste der Parteien aufgeführt.

Überhangmandat: Das deutsche Wahlsystem ist eine Mischung aus Mehrheitswahl und Verhältniswahl. Die Direktkandidaten werden nach der Mehrheitswahl bestimmt; der Kandidat, der die meisten Stimmen in einem Wahlkreis bekommt, gewinnt diesen. Für die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag ist aber die Zweitstimme maßgeblich. Die Mandate werden nach dem Verhältnis der Zweitstimmen auf die Parteien verteilt. Dadurch kann ein Problem entstehen, wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate gewinnt, als ihr nach ihrem Zweitstimmenergebnis in dem Land insgesamt an Mandaten zustehen. In diesem Fall darf die Partei die überschüssigen Mandate, die sogenannten Überhangmandate, trotzdem behalten. Seit 2013 gibt es aber ein kompliziertes Ausgleichsmandate-System, mit dem verhindert werden soll, dass eine Partei durch den Gewinn von Überhangmandaten einen zu großen Vorteil erzielt.

Volksentscheid: In einer so strikt repräsentativen Demokratie wie der deutschen wählt die Bevölkerung Abgeordnete, die ihren politischen Willen umsetzen sollen. Der Volksentscheid hingegen ist ein Instrument der direkten Demokratie, das auf Bundesebene nur bei einer Neugliederung der Bundesländer vorgesehen ist. So scheiterte 1996 eine Fusion von Berlin und Brandenburg, obwohl die beiden Landesregierungen dafür waren, an der Ablehnung durch die Brandenburger. Anders als auf Bundesebene gibt es in den Bundesländern viele Möglichkeiten des Volksentscheids. So sind die Berliner zeitgleich mit der Bundestagswahl aufgerufen, darüber zu entscheiden, ob der Flughafen Tegel offen gehalten oder doch geschlossen werden soll.

Wahlen: Das Grundgesetz legt im Artikel 38 fest, dass die Abgeordneten zum Deutschen Bundestag in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt werden. Allgemein bedeutet dabei, dass jeder Bürger, der mindestens 18 Jahre alt ist, wählen darf. Unmittelbar heißt, dass die Kandidaten direkt gewählt werden und nicht wie in den USA zum Beispiel über Wahlmänner. Frei meint, dass jeder Bürger seine Entscheidung ohne Druck von außen ausüben können muss. Gleich besagt, dass jede Stimme unabhängig vom sozialen Status oder anderen Unterscheidungsmerkmalen gleich viel wert ist. Geheim bedeutet, dass niemand preisgeben muss, wen er wählt.

Wahlkreis: Die Bundesrepublik ist zur Zeit in 299 Wahlkreise eingeteilt. Hier stellen sich die Kandidaten der Parteien zur Wahl. Die Wahlkreise sollen so eingeteilt sein, dass sie in etwa die gleiche Zahl an Bewohnern haben. Städtische Wahlkreise sind deshalb geografisch wesentlich kleiner als ländliche. Im vergangenen Jahr wurden 34 Wahlkreise neu zugeschnitten, da sich dort durch Zu- oder Abwanderung die Zahl der Bewohner geändert hatte.

Wahlrecht: Jeder, der wählen geht, nimmt sein aktives Wahlrecht wahr. Bei der Bundestagswahl steht dieses Recht jedem deutschen Staatsbürger zu, der mindestens 18 Jahre alt ist; bei manchen Landtagswahlen, zum Beispiel in Brandenburg, darf bereits ab dem Alter von 16 Jahren gewählt werden. Bei der kommenden Bundestagswahl sind demnach 61,5 Millionen Menschen wahlberechtigt. Im Unterschied zum aktiven Wahlrecht bedeutet das passive, dass man sich als Kandidat aufstellen lassen kann, zum Beispiel für ein Bürgermeisteramt. Theoretisch ist dies ab 18 Jahren möglich. Wer jedoch Bundespräsident werden will, muss mindestens 40 Jahre alt sein.

Zweitstimme: Sie gilt als die sogenannte Parteienstimme. Anders als bei der Erststimme wird mit der Zweitstimme nicht ein bestimmter Kandidat, sondern eine Partei unterstützt. Die Sitze im Bundestag werden entsprechend dem Zweitstimmenergebnis der Parteien vergeben.

Quellen und weitere Informationen: Deutscher Bundestag (www.bundestag.de) und Bundeszentrale für politische Bildung (www.bpb.de).

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