Wien:Wurstbann in der U-Bahn

Streit um die Wurst - Österreich verteidigt ´Krainer"

Käsekrainer - in Wien auch "Eitrige" genannt - sollte man besser an einem der typischen Würstelstände verzehren.

(Foto: picture alliance / dpa)

Wien will "stark riechende Speisen" in bestimmten Zügen verbieten. Doch wo soll man die Grenze ziehen zwischen zumutbar und eklig?

Von Titus Arnu

Wer in diesen Sommertagen seinen Urlaub in Wien plant und sich mittels öffentlichem Nahverkehr weiterbewegen möchte, muss sich - noch - auf Irritationen einstellen. Für Reisende mit empfindlichen Nasen könnte die Fahrt neben einem Wiener Wurstfreund, der herzhaft in eine Käsekrainer beißt, zur Leidenstour werden. Das Verzehren von Speisen in der U-Bahn ist in Österreichs Hauptstadt immer wieder Stoff für erhitzte Auseinandersetzungen. Von September an soll dies nun verboten werden.

Auch andere "stark riechende Speisen" wie Leberkäse, Döner-Kebab, Pizza und Nudelgerichte will die Stadt Wien in der U-Bahn demnächst nicht mehr dulden. Käsekrainer & Co. sollen zunächst auf der besonders stark frequentierten Linie U 6 nicht mehr erlaubt sein. Ob Würste und Döner auch in anderen Linien, in Bussen und Straßenbahnen untersagt werden, ist noch unklar. Sicher ist, dass man im Rathaus die deftigen Debatten satthat: "Das Thema Essen ist seit Jahren ein viel diskutiertes. Mit Appellen sind wir da nicht wirklich weitergekommen und daher werden wir nun erstmals den Schritt eines Verbots gehen", teilt Wiens Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) mit. Durch den Wurstbann in der U-Bahn soll auch der Reinigungsaufwand in den Zügen reduziert werden.

Denn gerade Käsekrainer, eine mit Emmentaler und Schweinebrät gefüllte Wurst, hat es in sich. Von Österreichern nicht umsonst mit dem gewöhnungsbedürftigen Namen "Eitrige" versehen, spritzt aus diesen Würsten beim Reinbeißen auch mal heißes Fett und flüssiger Käse auf Sitze, Boden - und Mitreisende. In voll besetzten U-Bahnen wahrlich kein Vergnügen. Ganz schlimm wird es, wenn der Sitznachbar sie mit möglichst ekelhaften Zutaten bestellt hat: So ist "a Eitrige mit an G'schissenen, an Buggl, an Krokodü und an 16er-Blech" eine Käsewurst mit süßem Senf, dem Endstück eines Brotes, einer Essiggurke und Dosenbier.

Andere Städte sind da voraus - theoretisch. In Berlin herrscht ein allgemeines Ess- und Trinkverbot im Nahverkehr, und zwar schon seit dem 1. April 2000. Man darf Bahnen, Bus und Tram mit "offenen Speisen und offenen Getränken" nicht mal betreten, wie es in den Beförderungsrichtlinien der BVG heißt. Beim Münchner MVV gilt ein allgemeines Alkoholverbot, aber Essen ist grundsätzlich erlaubt. In London wurde im vergangenen Jahr ein Essensverbot für die Tube diskutiert, aber schließlich fallen gelassen - aus Rücksicht auf viele hart arbeitende Pendler, die nur in der Bahn Gelegenheit zur Nahrungsaufnahme haben.

Öffentlicher Nahverzehr in U-Bahnen und Bussen, vom veganen Falafel-Dürüm über die Currywurst bis zur Familienpizza ist Alltag. Geahndet wird Essen auf Rädern dennoch selten. Wo soll man die Grenze ziehen zwischen zumutbar und eklig? Ist ein Pfefferminzbonbon nicht auch "stark riechend"? Und was, wenn einen Wiener auf dem Weg in den Untergrund absolut unbezähmbare Wurstlust überkommt? Dazu hat Verkehrsstadträtin Ulli Sima schon ihren Senf gegeben: "Die Fahrtdauer in der U-Bahn liegt im Durchschnitt bei rund zehn Minuten." Es sei daher zumutbar, "die wenigen Minuten ohne stark riechende Speisen auszukommen".

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