Wie fühlt sich das an?:Das falsche Gel beim ersten Marathon

Im Oktober 2008 trat Sarah Bourne zu ihrem ersten Marathon an. Mit einem solchen Kampf gegen sich selbst hatte sie nicht gerechnet.

S. Bernhard

Als Sarah Bourne am 12. Oktober 2008 in München ihren ersten Marathon antrat, wusste die damals 39-jährige Architektin nicht, was auf sie zukommen würde. Und mit einem solchen Kampf gegen sich selbst hatte sie in ihren kühnsten Träumen nicht gerechnet.

Wie fühlt sich das an?: Sarah Bourne hatte bei ihrem ersten Marathonlauf mit einem Energie-Gel zu kämpfen: "Zu lange habe ich auf diesen Tag hingearbeitet, um einfach zu kapitulieren."

Sarah Bourne hatte bei ihrem ersten Marathonlauf mit einem Energie-Gel zu kämpfen: "Zu lange habe ich auf diesen Tag hingearbeitet, um einfach zu kapitulieren."

(Foto: Foto: oh)

"Schulter an Schulter stehe ich vor dem Start mitten in der Masse der Läufer und trete nervös von einem Fuß auf den anderen. Habe ich genug trainiert? Reichen 19 Wochen Vorbereitung für einen Marathon aus? Mein bisher längster Lauf ging über 30 Kilometer, heute wird das Ziel an dieser Marke noch weit entfernt sein. Dann endlich: Der Startschuss. Aber nichts passiert. Fast zehn Minuten dauert es, bis sich die Mauer aus Menschen vor mir auflöst und ich die ersten Schritte meines Marathons mache.

Sofort reißen mich die Zuschauer mit - alle klatschen, jubeln, und ich muss mich ständig bremsen, um nicht zu schnell zu laufen. Man muss genau das richtige Tempo finden, sonst hat man keine Chance. Mit großen Augen jogge ich durch die Straßen und spüre nicht die geringste Anstrengung. Doch das wird sich ändern.

Niemand läuft seinen ersten Marathon, ohne an die eigenen Grenzen zu stoßen. Irgendwann kommt der Mann mit dem Hammer, so heißt es, und mich trifft er schon bei Kilometer 23. Mein Körper verträgt ein Energie-Gel nicht, das ich vor wenigen Kilometern zu mir genommen habe. Plötzlich verkrampft sich mein Magen, wird zu einem einzigen Schmerz, so stark, dass ich nicht einmal mehr aufrecht gehen kann. Aufgeben? Nein, es wird sicher gleich besser. Zu lange habe ich auf diesen Tag hingearbeitet, um einfach zu kapitulieren.

Streckenweise kann ich nur gehen, dann wieder laufen - aber so langsam, dass ein Sportler nach dem anderen an mir vorbeizieht. Ein Gefühl, als würde ich rückwärts laufen und dem Ziel keinen Meter näher kommen. Zeitweise denke ich nur an den nächsten Schritt und muss mich zwingen, ihn zu tun. 14 Kilometer geht das so, dann kommt die Übelkeit. Unfähig, mich zu wehren, gebe ich dem Drängen meines Magens nach, das Gel loszuwerden, einen Moment später ist alles vergessen und meine Beine gehorchen mir wieder wie am Anfang.

Als das Olympiastadion und damit mein Ziel in Sicht kommt, fühle ich mich phantastisch. Ich weiß, dass ich ankomme - und mit dieser Sicherheit steigt die Euphorie während der letzten Runde Richtung Ziel, immer weiter bis zum letzten Schritt über die Linie: Der Moment, in dem nur noch Platz für Freude ist und für den sich jeder Tropfen Schweiß gelohnt hat. Vier Stunden und 50 Minuten habe ich am Ende gebraucht. Ich starte dieses Jahr wieder. Mein Ziel: ohne Schmerzen ankommen. Und schneller."

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