Weltreligionen:Gottes Haus

Dass Muslime, Juden und Christen miteinander reden, ist schon schwer genug. In Berlin soll sogar ein Gebäude entstehen, in dem die drei Weltreligionen gleichzeitig beten.

Von Verena Mayer

Treffen sich ein Rabbi, ein Pfarrer und ein Imam. Sagt der eine: "Im Namen Gottes, des Allmächtigen." Der andere beginnt zu singen, worauf der Dritte wünscht, dass Frieden auf Erden sei. So könnten Witze gehen, aber nicht in Berlin. Hier stehen die drei Geistlichen sehr ernsthaft in ihren Gewändern an einer Art Altar und sprechen Gebete. Eine gute Pointe kommt trotzdem. Denn der Rabbi, der Pfarrer und der Imam wollen nicht nur gemeinsam beten. Die drei wollen auch zusammen ein Gotteshaus bauen.

Der Petriplatz mitten in Berlin. Ein Stück Brachland an einer viel befahrenen Straße. Gerüste, halb fertige Fassaden und Baukräne, soweit das Auge reicht, am Horizont sieht man die Baustelle des Stadtschlosses in die Höhe wachsen. Dies ist einer der Orte, an denen sich die Hauptstadt gerade neu erfindet, und so wundert man sich nicht über die riesige Tafel am Rand der Brache. Ein Bauprojekt wird darauf angekündigt, das "House of One". Nur dass es sich dabei um keine Shoppingmall oder Luxuswohnungen handelt, wie es die Gegend vermuten ließe. Sondern um einen Sakralbau für drei Religionen, mit einem Teil für Juden, einem für Christen und einem für Muslime.

Noch ist das sandsteinfarbene Gebäude mit einer Art Turm in der Mitte nur ein Modell. 2012 wurde ein internationaler Architekturwettbewerb für ein Bet- und Lehrhaus ausgeschrieben, ein Berliner Büro hat ihn gewonnen. Seither werden Spenden für den Bau gesammelt, insgesamt werden 43 Millionen gebraucht, eine Million hat man geschafft. Doch diejenigen, die das Gotteshaus eines Tages beleben sollen, sind schon hier. Es ist ein verhangener Herbstnachmittag, Rabbiner Andreas Nachama, Pfarrer Gregor Hohberg und Imam Kadir Sancı halten eine Andacht anlässlich des 11. Septembers. Jenes Tages, der die Welt in religiöser Hinsicht gespalten hat wie kaum ein anderer.

Die drei beten und singen. Sie stehen unter einem weißen Zelt, das über die archäologische Grabungsstätte gespannt ist, die es auf dem Petriplatz gibt. Vor einigen Jahren hat man hier die Überreste einer Kirche gefunden, die man in den Bau miteinbeziehen will. Die alten Ruinen sollen die neuen Fundamente werden. Viele Leute haben sich um die Geistlichen versammelt, Männer mit Kippa genauso wie Frauen mit Kopftuch. Kerzen brennen, jemand spielt Klavier. Die Stimmung ist getragen, man meint, zwischen den Ruinen eine Sehnsucht nach Sicherheit zu verspüren, wie sie nur der Glaube vermitteln kann.

Weltreligionen: Pfarrer Gregor Hohberg (v.l.), Rabbiner Andreas Nachama und Imam Kadir Sancı.

Pfarrer Gregor Hohberg (v.l.), Rabbiner Andreas Nachama und Imam Kadir Sancı.

(Foto: Steffen Roth)

Generell ist Berlin ja eher die Stadt der Gottlosen. Die Zahl der Kirchenaustritte ist enorm, und wenn jemand aus dem Süden in Berlin "Grüß Gott" sagt, hört er schnell einen Spruch wie "Ick grüß' keen Gott, der grüßt mich ja ooch nicht". Andererseits ist leben und leben lassen hier oberstes Prinzip, schon unter den Preußen sollte in Glaubensdingen jeder nach seiner Fasson selig werden. Wenn es also einen passenden Ort für eine Moscheekirchensynagoge gibt, dann Berlin.

Nur: Wie wird das funktionieren? Fragen an die drei Geistlichen, die jetzt in einem kleinen Ausstellungsraum um die Ecke zusammensitzen. An den Wänden hängen Skizzen und Fotos des "House of One", der kleine Sohn des Imams spielt an einem Tisch. Kadir Sancı ist in München noch damit aufgewachsen, dass sich die muslimischen Kinder auf dem Schulhof zuraunten: Lauf bloß nicht unter einer Kirche durch, sonst wirst du zum Christen. Seinem Sohn bringt er bei, dass Religionen zwar verschieden sind, aber gut zusammen sein können. In einer Art Glaubens-WG gewissermaßen, alle unter einem Dach, aber jeder hat seinen Bereich.

Die Idee kam ursprünglich aus einer evangelischen Kirchengemeinde. Rabbiner begeisterten sich dafür, und irgendwann waren auch Berliner Muslime dabei. Was nicht immer einfach war. Viele Muslime weigerten sich, etwas zusammen mit Juden zu machen, der jüdischen Gemeinde wiederum waren muslimische Vereine suspekt. Und bei jedem Konflikt in Nahost herrschte dicke Luft zwischen Berliner Juden und Muslimen.

"Wir sitzen seit mehr als drei Jahren an einem Tisch, reden über gesellschaftliche Probleme und suchen gemeinsam nach Antworten", sagt Kadir Sancı. Das sei für ihn ein großer Erfolg. Auszubaldowern gibt es genug. Allein, wie die drei Räume aussehen sollen. Juden brauchen eine eigene Küche, um Milch und Fleisch zu trennen, Muslime Waschräume und Platz, um Schulter an Schulter zu beten. Der Teil, in dem die Moschee untergebracht ist, muss nach Mekka ausgerichtet sein, in der Synagoge sollen Männer und Frauen voneinander getrennt werden können, wenn orthodoxe Juden sie nützen wollen. Am Ende einigte man sich auf einen Kuppelsaal als Gemeinschaftsraum und drei blockartige Gebäudeteile rundherum, die alle unterschiedlich hoch und breit und anders geschnitten sind. Im Inneren heben sie sich alle voneinander ab und ergeben nach außen hin doch ein großes Ganzes.

Interreligiöse Initiativen gibt es inzwischen viele, nach dem 11. September 2001 schossen überall auf der Welt welche aus dem Boden. Gemeinsam genützte Gebetsräume, Tage der offenen Moscheen, christlich-jüdische Dialoge, und gerade wurden die drei Geistlichen nach Ruanda eingeladen, wo eine Moscheekirche entstehen soll. Das Ungewöhnliche an dem Berliner Projekt ist, dass hier etwas Dauerhaftes entstehen soll. Ein Haus für die Ewigkeit.

Aber wahrscheinlich ist der Anspruch, für die Ewigkeit zu sein, etwas, auf das sich alle Religionen einigen können. Und einig wirken Rabbiner, Pfarrer und Iman, wie sie hier bei Tee und Kaffee zusammensitzen. Die drei lassen einander aussprechen, nur manchmal ergänzt einer etwas . Oft sagt jemand "So Gott will", und ein Grundgefühl von Harmonie liegt in der Luft, das dazu geführt hat, dass das Projekt "gebaute Ringparabel" genannt wird. Nach Lessings Geschichte von den drei Ringen, die für die Religionen stehen und die man nicht mehr voneinander unterscheiden kann.

Zitat

"Wenn eine Firma Erfolg haben soll, stellt man ja auch nicht zehn Mitarbeiter ein, die alle genau dasselbe machen. Sondern verschiedene. Daher verstehe und schätze ich Meinungsverschiedenheiten." - Imam Kadir Sancı

Wobei sie den Vergleich hier gar nicht so gerne mögen. Bei Lessing gehe es ja darum, welcher Ring der echte sei, sagt Gregor Hohberg. Er hat eine so freundliche wie bedächtige Art zu sprechen, sein Vater war ebenfalls Pfarrer, damals noch in der DDR. "Das ist eine Art Ethik-Olympiade, und genau die wollen wir nicht." Rabbiner Nachama nickt, und Imam Sancı ergänzt, dass es um Vielfalt gehe, denn die sei gottgegeben. "Wenn eine Firma Erfolg haben soll, stellt man ja auch nicht zehn Mitarbeiter ein, die alle genau dasselbe machen. Sondern verschiedene. So verstehe und schätze ich auch Meinungsverschiedenheiten unter den Menschen im House of One."

Und wo ist Gott, wo soll man ihn sich in diesem Haus vorstellen? In der Bibel stehe: Gottes Name wohnt im Tempel, sagt Rabbiner Nachama, dort, wo zehn Gläubige zusammen sind. Also fast überall. Nachama berlinert ein wenig, er wurde in Berlin als Sohn eines Kantors geboren, der Auschwitz überlebte. Pfarrer Hohberg ergänzt, Gott komme in die kleinste Hütte, das habe Luther gesagt. Man könne ihn nicht verorten, sagt Imam Sancı, alle drei nicken.

Kurioserweise ist es ausgerechnet dieser Anspruch des Allumfassenden, der Kritik auf sich zieht. Da fürchten welche, in einem solchen Haus könne sich kein Gemeindeleben entfalten, Leuten wie dem katholischen Schriftsteller Martin Mosebach fehlen die religiösen Symbole. Und da sind noch diejenigen, die Imam Sancı E-Mails schicken, in denen ein einziger Koranvers steht. Der besagt, dass Muslime mit Juden und Christen nicht befreundet sein dürfen. Den gibt es zwar, sagt Sancı, der an der Universität Potsdam Religionswissenschaftler ist. Allerdings steht ein paar Zeilen weiter, wer damit gemeint ist: Nur diejenigen nämlich, die Böses im Sinn haben. Alle anderen könnten gut miteinander auskommen.

Überhaupt ist das Interessante an dem Projekt das Hybride. Einerseits ist das House of One ein Gotteshaus hoch drei, mit einem Übermaß an Religiosität, die eines Tages auch noch in Stein gemeißelt sein soll. Andererseits müssen genau deswegen alle in ihrer Religiosität zurückstecken. Für Fundamentalisten, die ihre eigene kleine Glaubensrichtung für die einzig wahre halten, ist hier kein Platz.

Am Petriplatz ist das Gebet nun in vollem Gang. Rabbi Nachama sagt, das Wort Friede komme von Einfrieden und bedeute, dass man keine Zäune errichten, sondern zu etwas Vollständigem kommen soll. Der Imam singt ein Lied auf Arabisch, und alle beten das Vaterunser. Danach stehen die Leute auf der Wiese zusammen. Die meisten Frauen tragen Kopftücher. Eine sagt, sie sei gläubig und gehe normalerweise in die Moschee. Was der Imam gesungen habe, fragt sie ein Mann. Die schönsten Namen Allahs, sagt die Frau. Etwa der Weise, der Richter, der Dankbare, insgesamt seien es 99. Ob sie schon mal ein Vaterunser gehört habe, will der Mann wissen. Nein, keine Ahnung, sagt die Frau. "Aber das werden wir dann ja lernen." Die Frauen und der Mann nicken. Und man hat den Eindruck, wenn man jemandem zeigen wollte, wo Gott wohnt, dann könnte man hierherkommen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: