Welt der Gourmets:Im Wein die Wahrheit finden

Eine einzige Flasche kann bei Auktionen mehrere zehntausend Euro einbringen. Kein Wunder also, dass weltweit Betrüger am Werk sind. Ein kompliziertes Verfahren soll den Betrug mit teuren Flaschen verhindern.

Arno Makowsky

Weintrinker der gehobenen Art pflegen ganz spezielle Rituale. Da wird geschlürft und geschnüffelt, geprüft und begutachtet - und schließlich der "etwas kantige Abgang" gerügt. In der Welt der Gourmets sind Weinverkostungen willkommene Gelegenheiten, um sich als gediegener Lebenskünstler zu inszenieren.

Welt der Gourmets: Im Wein die Wahrheit finden - Weinverkostung.

Im Wein die Wahrheit finden - Weinverkostung.

(Foto: Foto: dpa)

Auf der Lifestyle-Hitliste ganz oben steht dabei das Probieren antiker Spitzenweine. Ein Cheval Blanc von 1921 oder der legendäre 1945 Petrus - "göttlich", pflegen Kenner angesichts solcher Raritäten auszurufen. In den vergangenen drei Jahren sind die Preise für sehr alte Weine nach oben geschossen.

Eine einzige Flasche kann bei Auktionen mehrere zehntausend Euro einbringen. Kein Wunder also, dass weltweit Betrüger am Werk sind, die alte Weinflaschen und deren Inhalt zu manipulieren versuchen.

Wie viele der angeblichen Raritäten, die in Kellern und Gewölben lagern, in Wahrheit viel jüngere Weine enthalten - niemand weiß es. Doch Kenner befürchten, dass die Zahl der "Kuckucksweine" immens ist. Nun will das Londoner Handelshaus Antique Wine Company seine Kunden mit Hilfe einer wissenschaftlichen Analyse vor Fälschungen schützen.

Die Londoner bieten gerade eine absurd teure Kollektion von 48 Flaschen eines Château Lafite Rothschild zum Verkauf an, von denen einige angeblich älter als 200 Jahre sind. Zwischen einer und drei Millionen Dollar soll die Kollektion in einer Auktion erzielen. Um sicherzugehen, dass der Wein tatsächlich von 1787 und nicht etwa aus dem Jahr 1987 stammt, unterziehen die Händler ihre wertvolle Ware einer komplizierten Prüfung.

Suche nach radioaktiven Spuren

Mit einer sehr dünnen Nadel wird durch den Korken und die Flaschenversiegelung etwas Wein entnommen, um zunächst nach Spuren von Radioaktivität zu suchen. Seit dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki 1945 und den folgenden Atombombentests in der Atmosphäre lassen sich winzigen radioaktive Spuren in Weinen der Nachkriegszeit nachweisen.

Ist ein Wein frei davon, muss er also vor dieser Zeit abgefüllt worden sein. In einem weiteren Schritt nehmen Wissenschaftler molekulare Analysen vor, mit denen das Alter des Weins angeblich auf zehn Jahre genau festgelegt werden kann. Eine solche Analyse ist langwierig und teuer - sie kostet bis zu 3000 Euro pro Flasche. Für Besitzer etwas preisgünstigerer Weine ist das Verfahren nicht empfehlenswert.

Auslöser der jüngsten Fälschungsängste ist ein Streit, der die Weinwelt zur Zeit erschüttert und amüsiert. Der amerikanische Milliardär William Koch wirft dem deutschen Weinhändler Hardy Rodenstock vor, er habe ihm vor 20 Jahren vier gefälschte Flaschen eines Weins aus dem 18. Jahrhundert für eine halbe Million Dollar verkauft.

Hardy Rodenstock, ein früherer Schlagerproduzent und in Gourmetkreisen für seine exquisiten Events geschätzter Bonvivant, weist das selbstverständlich zurück.

Der Fall ist reich an Merkwürdigkeiten und gibt ein wenig Einblick in die mitunter bizarr anmutenden Probleme der Weinbranche. So verdanken jene vier antiken Flaschen ihren enormen Preis der Tatsache, dass auf ihnen die Buchstaben "Th. J." eingraviert sind - laut Rodenstock sollen sie Thomas Jefferson gehört haben, dem dritten amerikanischen Präsidenten.

Ein von dem Käufer in Auftrag gegebenes Gutachten behauptet indes, die Gravuren seien mit einem modernen Zahnarztbohrer angefertigt worden.

Im Wein liegt Wahrheit, sagt der Volksmund. Leider gilt das nicht für jede einzelne Flasche.

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