Wein in Großbritannien:Royale Rebstöcke

Ein Champagner, der vor den Toren Londons angebaut wird? Französische Weinkenner mögen erschaudern, doch das britische Königshaus meint es ernst und pflanzt im Park von Windsor Castle Rebstöcke an. Die Weinwirtschaft auf der Insel ist entzückt.

Wolfgang Koydl, London

Prinz Charles, britischer Thronfolger und zuweilen leicht schrulliger Öko-Guru, war einer der ersten, die vor dem globalen Klimawandel warnten; nun wird seine Familie vermutlich zu den ersten in Britannien gehören, die von der vorhergesagten Erderwärmung profitieren wollen. Denn die Royals steigen ins Weingeschäft ein. In etwa drei bis vier Jahren schon sollen die ersten Flaschen königlichen Champagners gekeltert und abgefüllt werden.

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Prince Charles gilt als leicht schrulliger Öko-Guru: Auf seinem Landgut Highgrove baut er seit langem  Bio-Produkte an. Jetzt könnte Wein hinzukommen, der Klimawandel macht es möglich..

(Foto: Getty Images)

Unter welchem Namen die Queen und ihre Familie den edlen Tropfen vermarkten werden, ist noch nicht bekannt. Aber Chateau Windsor wäre kein schlechter Vorschlag, denn die Reben für den Schaumwein werden im großen Park von Windsor Castle, gleich vor den Toren von London, angepflanzt - mithin in einer ziemlich nördlichen Weltgegend, die zuletzt zu Zeiten der römischen Kolonie Britannia für Weinanbau - relativ - bekannt war. Doch der deutliche, weltweite Temperaturanstieg der letzten Jahre hat auch die einst darnieder liegende britische Weinwirtschaft wiederbelebt.

Mangel an Ehrgeiz kann man den Windsors nicht vorwerfen: Die mehr als 16.000 Rebstöcke, die soeben in einer Ecke des weiträumigen Parks gesetzt wurden, tragen noble Trauben der Edelsorten Spätburgunder, Schwarzriesling und Chardonnay. Aus letzterem werden Weine wie Chablis, Meursault und Puligny-Montrachet hergestellt.

Treibende Kraft des königlichen Projektes ist nach Presseangaben Königin Elisabeths Prinzgemahl Philip. Bislang war von dem bald 90-Jährigen nicht bekannt, dass er sich für Wein interessierte - außer vielleicht als Trinker feiner Tröpfchen. Beobachter wollen aber auch die Handschrift von Prinz Charles entdeckt haben. Auf seinem Landgut Highgrove baut er seit langem schon mehrere Produkte organisch an. Wein wäre eine wertvolle Bereicherung des Sortiments.

Wein aus England - auf dem Weg in die Weltspitze

Die britische Weinwirtschaft jedenfalls hat die Ankündigung von Buckingham Palace begeistert begrüßt: "Das ist fantastisch", sprudelte Bob Lindo vom Camel Valley Weingut in Cornwall schier über. "Das ist schlicht und ergreifend der größte Schub, den die englische Weinindustrie je erlebt hat." In den vergangenen 25 Jahren hat sich die Fläche, auf der in England Wein angebaut wird, von 325 Hektar auf 1300 Hektar vervielfacht. Das vergangene Jahr war das bislang erfolgreichste für englischen Wein mit vier Millionen Flaschen. Verglichen mit den 50 Millionen Flaschen der französischen Region Champagne ist dies freilich nur ein Tropfen.

Das Weingut Camel Valley produziert seit 20 Jahren diverse Weiß- und Rotweine sowie Champagner. Einen Grund, englische Schaumweine zu belächeln, gibt es freilich schon lange nicht mehr: Der Camel Valley White Pinot wurde im vergangenen Jahr in Verona zum weltbesten Schampus gekürt - vor Konkurrenz aus Frankreich, den USA oder Spanien.

Weinkenner schnalzen beim Kosten des Champagners mit der Zunge: "Ein feiner, filigraner Schaum, jugendhafte rote Früchte in der Nase, und ein Nachhall, so lang wie eine Flughafenstartbahn", schwärmte ein hingerissener Trinker.

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