Wandlungen der Britney Spears:Oops! Sie will es so!

Vom Wunderkind über die eiserne Jungfrau zur höschenfreien lustigen Scheidungswitwe mit Glatze: Bei Britney Spears gehört die moralisch dauererregte Reklame dazu.

Willi Winkler

"Hare, Hare Krishna", singen die locker und gern in einen safrangelben Überwurf gekleideten Bußprediger, wenn sie durch die eisige Fußgängerzone oder noch lieber durch einen halbwegs temperierten Flughafen ziehen, "Hare Krishna".

Wandlungen der Britney Spears: Heute so und morgen ganz anders: Bei der New Yorker Fashion Week Anfang Februar hatt Britney Spears noch Haare auf dem Kopf.

Heute so und morgen ganz anders: Bei der New Yorker Fashion Week Anfang Februar hatt Britney Spears noch Haare auf dem Kopf.

(Foto: Foto: AP)

Dazu scheppert und deppert es etwas mit Glöckchen und Trommeln, aber die Botschaft bleibt so einförmig wie beruhigend: "Hare Krischna".

Dagegen ist nichts und in Deutschland schon gar nichts zu sagen, wo der friderizianische Grundsatz gilt, dass jeder nach seiner Fasson selig werde.

Was aber, wenn jemand so heftig nach Aufmerksamkeit giert, dass er - Fasson hin, Billig-Extensions her - nur mehr ein öffentliches Ärgernis darstellt? Was also, wenn ein bisher allenfalls durch ein glühendes Bekenntnis zum Knobelbecher George W. Bush als freigeistiges Wesen aufgefallenes Pop-Phänomen wie Britney Spears sich ratzfatz einfach die Haare abrasiert?

Ist das nicht unweiblich? - klagt die mitfühlende Welt.

Die Friseurinnung, der nach dem Fasching die Kunden wegbleiben, ringt verzweifelt die mit den neuesten Brennscheren bewehrten Hände und weiß auch einen tagespolitischen Kommentar: Muss dieses Fräulein Spears unbedingt so hässlich aussehen wie diese ungustiösen Zeitgenossen, die sich mit Springerstiefeln durch menschen- und gottverlassene Ortschaften im Osten des wiedervereinigten Deutschland herumtreiben? Muss sie nicht, aber, oops! - sie will es so.

Miss Spears' vielbeschäftigte PR-Abteilung hat zwar in den vergangenen Monaten einiges zu verlautbaren gewusst, aber dass dieses immerwährende Fräuleinwunder wie die gelblichen Bettelmönche der Welt und ihrem Tand entsagt hätte, wäre ein doch allzu wildes Gerücht. Vielmehr müssen wir uns die ledige Mutter zweier erschütternd kleiner Kinder als ein besonders wandlungsfähiges Musterexemplar des amerikanischen Traums von Glück, Glanz und Ruhm vorstellen.

Das heute 25-jährige Wunderkind debütierte bereits mit elf Jahren im "Disney Club" und wurde von einer erfolgssüchtigen Mutter erbarmungslos auf den Weg zu noch mehr Ruhm und Erfolg gedrillt. Disney heißt klinisch saubere Künstlichkeit, und die verkörperte die singende, sprechende, tanzende Barbie mit einer Hingabe, die auf andere Art Jahre zuvor die kaum besser talentierte Madonna vorgespielt hatte.

Während Madonna gern die männerverschlingende Schlampe spielte, erinnerte Britney Spears auf seltsame Weise an die Pokémon-Figur Pikachu: großäugig, niedlich, rundlich und nicht ganz von dieser Welt, sondern eine noch unerforschte Form von Plastik.

Der hart arbeitenden Alleinunterhalterin wurde der ähnlich abwaschbare Kinderstar Justin Timberlake beigegeben, mit dem sie so keusch wie ein rotbackiges Mädchen zusammenlebte, das von Pferden schwärmt und nichts weiß von der schlimmen Welt draußen. Diese böse Welt durfte nur einen Seufzer lang hereingelassen werden, wenn Britney sich mit "Oops" und noch mal "Oops" selber anklagte, dass sie es schon wieder getan habe.

Ob damit das gesetzlich erlaubte Petting oder das verwerfliche Handansichlegen gemeint war, diese Gewissensfrage durfte ihren Musikvideos ganz nach eigener Lust und Laune abgelesen werden. Die gar nicht mal schleichende Pornographisierung der Welt kam dabei gerade recht. Eine Generation vor ihr hatte Michael Jackson zelebriert, wie man sich auf der Bühne auf eine Art ans Gemächt fasst, die zwar nicht mehr unschuldig war, aber bei einem etwas groß gewordenen Kinderstar immer noch unter den Niedlichkeitsschutz fiel.

Britney konnte da fröhlich weiter machen und blieb dabei wunderbarerweise immer die eiserne Jungfrau, als die sich Mütter ihr Töchterchen gern vorstellen. Erst als sie dem Kindchen-Schema ganz zu entwachsen drohte, erst als ihre Fans selber erwachsen wurden, musste sich Britney von der familienfreundlichen Disney-Puppe zur Schlampe verbessern.

Die Schlampe ist die Zwillingsschwester des unschuldigen Mädchens, aber sie bekommt immer die besseren Anziehsachen. Durch ihr langes Leben im Licht der mit offenem Mund starrenden Öffentlichkeit ist Fräulein Spears heute medienversierter als es die Pop-Stars vergangener Tage je waren. Sie weiß, dass ihre Tage als Medienphänomen endlich sind, sie weiß auch, dass sich ihre bescheidene Musikalität ohne den Rummel, den sie zwischen Blitzehe, Brustvergrößerung, Scheidung, Trunkenheit am Steuer und einer Kahlrasur nicht mehr verkaufen lässt.

Britneys langer Weg von Walt Disney über die laszive "Oops!"- Seufzerin bis zur höschenfreien lustigen Scheidungswitwe wurde denn auch mit einer Hingabe geschildert und kommentiert, bei der die Ur-Mutter aller Schlampen, die arme Marilyn Monroe, womöglich noch schlimmere Alpträume befallen hätten.

Bei Britney, dem AllAmerican-Dreamgirl, gehört diese Art der moralisch dauererregten Reklame naturwüchsig dazu.

Dennoch ist die Gefahr relativ gering, dass sich Fräulein Spears demnächst in einer windigen Fußgängerzone herumtreibt und die Passanten mit einem glockenhellen "Hare Krishna" um Almosen anhaut. Schon bald werden ihr die Haare nachgewachsen sein und sie wird die Welt mit einer neuen Verwandlung überraschen. Doch, wir freuen uns schon drauf.

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