Verhaltenskodex:Geschenkt ist geschenkt - oder?

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Darf man ein Geschenk zurückfordern, wenn die Beziehung zerbricht? Wir haben Knigge-Autorin Silke Schneider-Flaig zum Verhaltenskodex des Schenkens befragt.

Ulrike Bretz

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Schwiegereltern das Geld, das sie ihrem Schwiegerkind geschenkt haben, wieder einfordern können, wenn die Ehe zerbricht. Die Richter in Karlsruhe sehen dieses Geschenk als Schenkung an, die zurückgefordert werden kann, weil durch die Scheidung die "Geschäftsgrundlage" weggefallen ist. Aber ist es denn auch wirklich anständig, ein Geschenk wieder zurückzufordern? Wir haben Silke Schneider-Flaig, Autorin des Buchs Der neue große Knigge - Gutes Benehmen und richtige Umgangsformen dazu gefragt.

Erst schenken, dann wiederhaben wollen? Das ist nicht die feine Art. (Foto: Foto: iStockphotos/Montage: sueddeutsche.de)

sueddeutsche.de: Geschenkt ist geschenkt, wiederholen ist gestohlen - so lernt man die Regeln des Schenkens doch schon als Kind. Gebietet es nicht der Anstand, dass man sich an diese einfache Regel hält?

Silke Schneider-Flaig: Doch - prinzipiell stimmt das. Aber Geschenke sind ein heikles Thema, weil so viele Emotionen an einen Gegenstand geknüpft sind.

sueddeutsche.de: Bei Geldgeschenken vielleicht nicht, aber angenommen, ein Mann überhäuft seine Freundin mit Geschenken - wertvolle Brillantringe, teure Taschen - und sie trennt sich von ihm ...

Schneider-Flaig: ... dann hat er Pech gehabt! Es sei denn, es war ein Verlobungsgeschenk.

sueddeutsche.de: Wie - wenn man dann doch nicht heiratet, muss man alles zurückgeben?

Schneider-Flaig: Ja, wenn die Eheschließung unterbleibt und die Schmuckstücke Verlobungsgeschenke waren, kann jeder der Verlobten vom anderen die Herausgabe des Geschenks fordern. Und dann gibt es noch den Fall des groben Undanks - wenn ein Beschenkter sich des groben Undanks schuldig macht, kann eine Schenkung ebenfalls widerrufen werden.

sueddeutsche.de: Was heißt das denn bitte?

Schneider-Flaig: Zugegeben, das ist ein altmodischer Begriff. Ein Beispiel: Jemand zersticht einem Menschen, von dem er kurz zuvor die goldene Armbanduhr der Urgroßtante geschenkt bekommen hat, die Autoreifen. Dann ist das nicht nur unhöflich, sondern - abgesehen von der Sachbeschädigung - grober Undank, und dann kann der Schenker die Uhr zurückfordern.

sueddeutsche.de: Und was, wenn eine Frau von ihrem Partner zum Geburtstag oder zu Weihnachten ein teures Geschenk bekommt - ist es nicht unhöflich, das nach einer Trennung wieder zurückzufordern?

Schneider-Flaig: Na ja, fragen kostet nichts. Aber so etwas zu tun, erfordert natürlich Mut und Nervenstärke. Und er darf sich nicht wundern, wenn er die Geschenke nicht wieder zurückerhält.

sueddeutsche.de: Wenn es Familienerbstücke waren, kann das richtig weh tun.

Schneider-Flaig: Da würde ich raten, ganz in Ruhe drüber zu reden. Er sollte der Ex-Partnerin sagen, dass er weiß, dass ihm das Erbstück nicht zusteht, weil er es verschenkt hat, aber dass er eben sehr daran hängt. Er könnte auch anbieten, einen gewissen Geldbetrag zu zahlen oder sich anderweitig erkenntlich zu zeigen.

sueddeutsche.de: Er soll ihr das Geschenk wieder abkaufen?

Schneider-Flaig: Dieses Wort sollte man natürlich tunlichst vermeiden. Besser ist es, ganz taktvoll den Wunsch zu äußern und einen Vorschlag zu machen. Und zwar zum richtigen Zeitpunkt in einem Zweiergespräch, und nicht, wenn Unbeteiligte danebenstehen. Vielleicht ist der Beschenkte ja dann auch ganz froh darüber, dass er die Gegenstände auf diese Art wieder losbekommt. Oft sind es ja Schmuckstücke, die nie getragen werden. Alte Bernsteinketten oder Ähnliches, die vielleicht sogar einen sehr niedrigen Marktwert haben, aber mit denen eben viele Emotionen und Erinnerungen für den Schenker verbunden sind.

sueddeutsche.de: Sollte man sich das nicht vorher überlegen, wenn man so ein wertvolles Erbstück verschenkt?

Schneider-Flaig: Sicher, das wäre das Beste gewesen. Generell gibt es beim Schenken diese Möglichkeit ja auch. Angenommen, der eine schenkt dem anderen eine Golfausrüstung oder ein Mountainbike und sagt: "Probier es doch mal aus, und wenn es dir gefällt, dann kannst du es behalten." Es ist dann an eine Bedingung geknüpft, nämlich an die, dass das Geschenk auch genutzt wird. Steht es dann nur im Keller herum, ist es auch in Ordnung, es wieder zurückzufordern.

sueddeutsche.de: In einem romantischen Moment denkt wohl kaum jemand daran, eine Bedingung an ein Geschenk zu knüpfen.

Schneider-Flaig: Sicher, besonders romantisch ist das nicht, wenn man am Anfang einer Beziehung sagt: "Ich schenke dir jetzt diese Halskette unter der Auflage, dass du sie nur so lange trägst, solange unsere Beziehung intakt ist. Wenn wir uns voneinander trennen, möchte ich sie zurück haben." Das Ganze müsste er dann vertraglich fixieren.

sueddeutsche.de: In so einem Fall hätte sie sich wahrscheinlich sofort wieder von ihm getrennt und sich gar nicht weiter auf ihn eingelassen.

Schneider-Flaig: Ja, sonst wäre sie ziemlich dumm.

sueddeutsche.de: Angenommen, Ihre beste Freundin trennt sich von ihrem Mann, und sie hat vor einem halben Jahr einen sehr teuren, nagelneuen Brillantring bekommen. Wenn sie Sie fragen würde, was sie denn nun mit dem Geschenk machen würden, was würden Sie ihr raten?

Schneider-Flaig: Das ist doch klar: Auf jeden Fall behalten!

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