Unterhaltszahlungen:Generation Zahlmeister

Altersheim

Der Druck auf die 30- bis 60-Jährigen steigt: Viele müssen für Kinder und Eltern sorgen.

(Foto: Tobias Kleinschmidt/dpa)

Sie sind nicht mehr ganz jung, aber auch noch nicht alt. Sie sorgen für ihre Kinder und zahlen die Pflegekosten ihrer Eltern. Dazu verpflichtet sie der ungeschriebene Generationenvertrag - und das Gesetz. Dabei geraten Millionen Menschen zwischen 30 und 60 mehr und mehr unter Druck.

Von Ulrike Heidenreich

Es ist eine Generation, die irgendwie dazwischen liegt: 35 Millionen Menschen, nicht mehr ganz jung, aber auch nicht alt, zwischen 30 und 60 Jahren, die das sind, was man die Stütze der sozialen Sicherung nennt. Sie kümmern sich um Kinder, die noch ihre Fürsorge benötigen - und vielleicht gleichzeitig schon um Eltern, die Hilfe brauchen. Der Druck kommt also von zwei Seiten.

Und die sogenannte Generation Sandwich reagiert entsprechend empfindlich darauf: In Umfragen geben 80 Prozent regelmäßig an, "stark gestresst" zu sein. Alte und Junge zu versorgen und dann auch noch das eigene Leben zu finanzieren, das bringt manchen an seine Grenzen. Dazu kommt die Sorge, im Alter zu wenig Geld zu haben. Jeder zweite der 30- bis 59-Jährigen, so eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach aus dem vergangenen Jahr, rechnet damit, später sehr hart sparen zu müssen.

Die Gewichte der Generationen haben sich verschoben

Dass man für seine Eltern sorgen muss, war schon immer so. Das regelt der ungeschriebene Vertrag der Generationen, es gehört sich in aller Regel auch nicht anders. Das Urteil des Bundesgerichtshofs dürfte die Ängste der Menschen aus der Generation Sandwich aber verstärken. Denn die Gewichte der Generationen haben sich kontinuierlich verschoben.

Nicht nur der Mainzer Soziologe Stefan Hradil warnt angesichts der Veränderung der Altersstruktur längst vor einer "Gefährdung der sozialen Sicherung". Er spricht von einem "Altenquotienten": Mit diesem lässt sich errechnen, wie viele Menschen, die älter als 65 sind, auf hundert Menschen im erwerbsfähigen Alter kommen. 2010 entfielen auf drei jüngere Menschen (20 bis 65 Jahre) noch zwei Ältere. Im Jahr 2060 werden in Deutschland voraussichtlich drei berufstätige Menschen drei zu versorgenden Rentnern gegenüberstehen. "Das wachsende Missverhältnis zwischen weniger Zahlern und mehr Menschen, die unterstützt werden müssen, bedroht die Alters- und Gesundheitssicherung", sagt Hradil.

Ein Geben und Nehmen, mitunter ein Hauen und Stechen

Es passt immer weniger zusammen: Auf der einen Seite geht die Gesamtbevölkerung in Deutschland zurück, auf der anderen Seite nimmt die Zahl der Pflegebedürftigen zu. Wurden 2005 noch 2,1 Millionen gezählt, waren es fünf Jahre später schon 2,4 Millionen. Das Bundesamt für Statistik rechnet für 2020 bereits mit 2,9 Millionen Pflegebedürftigen, für 2030 sogar mit 3,4 Millionen.

Der Satz "Es bleibt in der Familie" soll da Vertrauen und Sicherheit ausdrücken. Die finanziellen Folgen der Verwandtschaft sind jedoch tägliches Geschäft der Gerichte. Es ist ein Geben und Nehmen, mitunter ein Hauen und Stechen innerhalb der Familien. Doch auch das ist schon höchstrichterlich geregelt worden. Erst im vergangenen Jahr hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Eltern zuerst das Existenzminimum ihrer Kinder sichern müssen, bevor sie Geld für die eigene Altersversorgung abzweigen. In diesem Fall wurde ein getrennt lebender Vater dazu verpflichtet, die Rate für seine Kapitallebensversicherung zu reduzieren, um den Unterhalt für seine Tochter zahlen zu können. Der Anspruch der Siebenjährigen hatte Vorrang.

Wer hat wem wie viel zu zahlen, wenn man Mitglied einer Familie ist - oder es zumindest einmal war? Die Rangfolge der Familienmitglieder hat das neue Gesetz zum Unterhaltsrecht klar geregelt: An erster Stelle beim Anspruch auf Unterhalt stehen immer die Kinder. Vor der Reform von 2008 teilten sich Kinder diese Stellung mit geschiedenen und aktuellen Ehegatten. An zweiter Stelle stehen Mütter und Väter, die Kinder betreuen. Erst an dritter Stelle kommen Ex-Ehepartner, deren Kinder entweder schon groß sind, oder die keine Kinder haben. Werden Väter oder Mütter nun auch noch für die Pflegekosten ihrer Eltern herangezogen, gilt: Es muss ihnen genügend Geld für den eigenen Lebensunterhalt bleiben.

Auch die Kinder können gerichtlich Unterhalt einklagen

Sicherheit bei Streit um familiäre Finanzen soll außerdem die Düsseldorfer Tabelle geben. Sie wird alle zwei Jahre aufgestellt. Seit 50 Jahren regelt sie, wie viel Unterhalt den Kindern getrennt lebender Eltern zusteht. Bei einem Netto-Einkommen bis 1500 Euro sind es zwischen 317 Euro für Kleinkinder und 488 Euro für Volljährige. Gutverdiener bis 5100 Euro müssen zwischen 508 und 781 Euro pro Kind zahlen.

Kinder können nicht nur - wie nun vom Bundesgerichtshof festgestellt - für die Pflegekosten ungeliebter Eltern haftbar gemacht werden. Liegen sie als Eltern wiederum mit ihren Kindern im Clinch, können diese ebenfalls gerichtlich Zahlungen einklagen - was häufig genug geschieht. Paragraf 1601 des Bürgerlichen Gesetzbuchs regelt, dass Vater und Mutter die Pflicht haben, ihrem Nachwuchs die erste Ausbildung oder das Studium zu finanzieren. Für ewige Bummler aber müssen sie nicht zahlen. Nach geltender Rechtsprechung dürfen sie den Dauerauftrag löschen, wenn Studenten mehr als einmal das Fach wechseln. Orientierung gibt auch hier die Düsseldorfer Tabelle: Einem volljährigen Studenten stehen 670 Euro zu.

Das deutsche Recht ist im internationalen Vergleich durchaus rigoros, was die Pflichten der Kinder gegenüber den Altvorderen angeht. In Skandinavien oder den angloamerikanischen Ländern beispielsweise haben Eltern keine Unterhaltsansprüche.

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