Ungesunde Vitaminpräparate:Glauben allein reicht nicht

In Obst und Gemüse sind Vitamine gesund, doch als Zusatzpräparate sollen sie eher schaden. Das ist das Resultat einer internationalen Studie.

Werner Bartens

Als Horst Heldt im Kicker-Interview gefragt wurde, woran er glaube, antwortete der Fußballer: "An die fünf lebenswichtigen Bausteine in Nutella".

Vitamine

Die Verbraucherzentrale Bayern warnte schon 2004: "Zu viele Vitamine schaden der Gesundheit."

(Foto: Foto: dpa)

In der Tat beeinflussen Glaube und Weltanschauung stärker als wissenschaftliche Beweise, was Menschen neben den üblichen Lebensmitteln zu sich nehmen. Besonders populär sind in Deutschland und anderen Industrieländern Nahrungsergänzungsmittel.

Die Werbung für die mit Vitaminen, Mineralstoffen oder Spurenelementen angereicherten Produkte verspricht wahre Wunderdinge. Gleichzeitig bieten die Präparate Entlastung fürs schlechte Gewissen nach Diätsünden.

Ende Februar hat eine internationale Studie einer Arbeitsgruppe aus Dänemark gezeigt, dass die Antioxidantien Betakarotin, Vitamin A und E in Form von Zusatzpräparaten nicht nur keinen gesundheitlichen Nutzen haben, sondern sogar das Leben verkürzen können. Viele Laien und ein paar industrienahe Forscher waren erstaunt und wollten das nicht glauben.

Wissen konnten sie es längst. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) gibt seit Jahren Höchstgrenzen für Vitamine an. Die Verbraucherzentrale Bayern warnte 2004: "Zu viele Vitamine schaden der Gesundheit." Damals hatten schon mehrere Studien gezeigt, dass besonders die Vitamine A, E, C und Betakarotin in Form von Nahrungsergänzungsmitteln unterschiedliche Nebenwirkungen auslösen und der Gesundheit schaden können.

Ärzten ist zwar seit Jahrzehnten bekannt, dass beispielsweise eine Überdosis Vitamin C zu Nierensteinen führen kann, zu viel Vitamin A Gelbsucht auslöst und ein Übermaß an Vitamin E die Blutgerinnungszeit verlängert. Doch der Markt ist lukrativ und die Angst der Deutschen anscheinend unermesslich, unter chronischem Vitaminmangel zu leiden.

Zwischen 20 und 30 Prozent der Erwachsenen in Deutschland nehmen gelegentlich oder regelmäßig Vitaminpräparate. Diese Millionen Menschen glauben fest daran, dass die Mittel eine positive Wirkung entfalten, ähnlich wie Medikamente. Doch der Umgang mit den Ergänzungspräparaten ist viel lockerer.

Trotz der vollmundigen Herstellerangaben müssen frei verkäufliche Nahrungsergänzungsmittel weder zugelassen, noch registriert werden, wie es für Arzneien üblich ist. Wirksamkeit und Unbedenklichkeit müssen ebensowenig nachgewiesen werden wie Risiken und Nebenwirkungen. Nicht mal die genaue Dosierung muss angegeben werden.

Vitamine schützen nur Form eines gewachsenen Nahrungsmittels

Befürworter von Vitaminzusätzen erwecken den Eindruck, dass moderne Lebensmittel an Nährstoffen verarmt seien und die Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen durch die Ernährung nicht mehr gewährleistet sei.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung stellt dazu fest: "Wissenschaftlich fundierte Untersuchungen liegen diesen Aussagen nicht zugrunde." Die Ernährungsexperten der DGE haben den Mineral- und Vitamingehalt verschiedener pflanzlicher und tierischer Lebensmittel über die vergangenen 50 Jahre untersucht und kaum Schwankungen feststellen können.

In Laborstudien und Experimenten werden gelegentlich positive Wirkungen der Vitamine im Reagenzglas, auf Zellkulturen oder im Tierversuch beobachtet. Diese Ergebnisse lassen sich jedoch nicht ungeprüft auf den Menschen übertragen. Die unkritische Gleichsetzung von Laboruntersuchungen und Studien an Menschen hat schon oft enttäuschende Ergebnisse geliefert. In methodisch guten Untersuchungen an der Durchschnittsbevölkerung wurden bisher keine positiven Wirkungen der Zusatzpräparate festgestellt.

Auch wenn der Vitaminbedarf bei schweren auszehrenden Leiden erhöht sein kann, wirkten Vitaminzusätze weder vorbeugend gegen Krebs, noch gegen Herzerkrankungen oder die Makuladegeneration im Alter, eine Augenerkrankung. In diesen Studien zeigte sich im Gegenteil bereits schon die Tendenz, dass Vitaminzusätze schaden können.

Dass die in Obst, Gemüse, Getreide und anderen Lebensmitteln enthaltenen Vitamine gesund sind, ist unbestritten. Die einzelnen Komponenten in Pulver- oder Tablettenform sind es aber offenbar nicht, egal ob sie als Mono- oder Multivitaminpräparat eingenommen werden.

Vitamine schützen wohl nur dann, wenn sie in Form eines gewachsenen Nahrungsmittels aufgenommen werden. Entweder ist nur in diesem Fall die mengenmäßige Zusammensetzung optimal oder es gibt andere, noch nicht identifizierte Nahrungsbestandteile, die zur Schutzfunktion beitragen. Für eine Ernährung mit Obst und Gemüse ist eine Sprudeltablette jedenfalls kein Ersatz.

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