Unfälle:Tödliche Exzesse auf Mallorca

Spain feature FIFA World Cup 2018, Magaluf - 07 Jul 2018

Endlich mal ungestört die Sau rauslassen: Die Stadt Magaluf auf Mallorca ist ein Magnet für junge Partytouristen.

(Foto: EPA-EFE/REX/Shutterstock)
  • In dem hauptsächlich von jungen britischen Touristen besuchten Partyort Magaluf auf Mallorca stürzten 2018 bereits vier Menschen vom Balkon oder aus dem Fenster.
  • Nach Trinkgelagen kommt es dort immer wieder zu Mutproben, dem sogenannten Balconing.
  • Nun gab es eine Krisensitzung mit Psychologen, die Behörden wollen den Zugang zu Alkohol erschwerden.

Von Thomas Urban, Madrid

Der Todesengel von Magaluf hat wieder zugeschlagen, schon das vierte Mal in dieser Urlaubssaison. "Warum müssen so viele junge Engländer dort sterben?", sorgt sich ein britisches Internetportal, das sich auf Nachrichten aus der Inselgruppe der Balearen spezialisiert hat. Magaluf, das Dorf mit dem unspanischen Namen, liegt im Westen der Ferieninsel Mallorca. Es ist die Partyhochburg für "junge Prolls" von den britischen Inseln, wie das Diario de Mallorca, die größte Zeitung der Insel, gallig anmerkte. In Großbritannien kennt jeder Jugendliche "Mägälaff", weil es von dort regelmäßig schrille Schlagzeilen gibt.

Die vier Todesfälle haben eines gemeinsam: Die Opfer sind aus dem Fenster oder vom Balkon gefallen, mal aus dem dritten, zweimal aus dem fünften und einmal aus dem siebten Stock. Mehr sagt die Polizei dazu nicht, abgesehen von der Klarstellung, dass es sich keineswegs nur um Engländer handelte. Das erste Opfer war bereits in der Vorsaison Ende April zu beklagen, eine 19-jährige Kellnerin aus Schottland. Sie war schon ein paar Stunden tot, als sie vormittags auf dem Rasen vor dem Apartmenthaus gefunden wurde, in dem sie lebte. Im Mai traf es einen 18-jährigen Franzosen. Schließlich starb am vergangenen Montag ein 20-jähriger Engländer und am Tag darauf ein gleichaltriger Waliser.

Gefährliche Mutproben in der Partyhochburg

Diese letzten beiden Fälle dicht hintereinander veranlassten den Rat der Verbandsgemeinde Calvià, zu der das laute Magaluf mit seinem anderthalb Kilometer langem Strand, seinen Bars und Discotheken gehört, für Freitag eine Krisensitzung einzuberufen. Eingeladen wurden auch Experten für Fenster- und Balkonstürze, nämlich Psychologen und Polizisten. Magaluf hat in den vergangenen Jahren viel Studienmaterial für die Experten geliefert, es war zum Zentrum einer neuen Art von Mutprobe geworden, dem Balconing: Dabei springt man von einem Balkon in den Hotelpool. Die Szenen wurden aufgenommen und über soziale Medien verbreitet. Die Gerichtsmediziner kamen dabei stets zum gleichen Befund: Es war Alkohol im Spiel.

Damit hat sich bestätigt, was die englischen Boulevardblätter immer wieder mit Wonne schildern: Magaluf ist ein Ort, wo junge Leute die Sau rauslassen. Ein einheimischer Lokalpolitiker beklagt: "Offenbar gehört es für diese Art von losgelassenen jungen Leuten dazu, sich bis zur Besinnungslosigkeit zu besaufen." Nach der Krisensitzung verrieten Teilnehmer der Lokalpresse unter Berufung auf die Polizeiberichte, dass es bei den vier Toten dieser Saison nicht anders war. Aber: Es waren offenbar keine Fälle von Balconing.

Bei der 19-jährigen Schottin sind sich die Ermittler sicher, dass diese vom siebten Stock abgestürzt ist, als sie sich aus dem benachbarten Apartment auf den Balkon ihres eigenen hangeln wollte. Sie hatte ihren Schlüssel vergessen, und die Mitbewohnerin schlief fest, weil sie viel getrunken hatte. Hingegen war die Verunglückte offenbar nüchtern gewesen; sie hatte eine Schicht in einer Bar hinter sich, in der für die Kellner Alkoholverbot gilt.

Im Fall des 20-jährigen Walisers wurde bekannt, dass er mit Freunden einen Sieg der englischen Fußballnationalmannschaft ausgiebig begossen hatte. Wie er aus dem Fenster gefallen ist, will keiner gesehen haben. Schwer verletzt wurde er in ein Krankenhaus gebracht, wo er wenige Stunden später starb. Die lokalen Medien spekulieren, ob der Fenstersturz Folge einer Mutprobe war. Das britische Konsulat in Palma de Mallorca hüllt sich dazu in Schweigen: "Wir machen keine personenbezogenen Angaben."

Die britischen Diplomaten sind in die Arbeitsgruppen eingebunden, die über Konzepte nachdenken, wie der Sauf- und Partytourismus eingeschränkt werden kann. Der Gemeinderat hat eine Reihe von Vorschlägen gemacht: Alkohol soll etwa von den All-inclusive-Paketen der Hotels ausgenommen werden; keine Happy Hour mehr in den Bars; ein generelles Verbot, außerhalb gekaufte alkoholische Getränke mit ins Hotel zu bringen. Allerdings ist der lokale Handel mit solchen Plänen keineswegs einverstanden. Wein, Bier und Hochprozentiges wird in Magaluf deutlich teurer als anderswo angeboten, die Gewinnmargen sind prächtig. Ein Lokalpolitiker meinte in Radio Mallorca zu den jüngsten Todesfällen: "Angesichts der Exzesse, die wir hier täglich beobachten, ist es erstaunlich, dass es erst vier Tote in diesem Jahr gab."

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