Unfälle auf der Piste:Nicht schneller wedeln als denken

Traurige Bilanz des Crashs zweier Skifahrer: ein Toter und ein Schwerverletzter. Wie so oft folgt die schwierige Suche nach den Schuldigen.

Dominik Prantl

Es war ein Unfall mit verheerenden Folgen; keiner, der nur einen unbeschwerten Skitag im Salzburger Land beendete: Ein 57-jähriger Skifahrer erlitt am Wochenende nach einer Kollision auf einer Piste in Mittersill einen offenen Schädelbruch und verstarb noch an Ort und Stelle.

Unfälle auf der Piste: Die Bergwacht übt regelmäßig die Rettung von der Piste - doch Skifahrer sind oft zu unbesorgt.

Die Bergwacht übt regelmäßig die Rettung von der Piste - doch Skifahrer sind oft zu unbesorgt.

(Foto: Foto: dpa)

Der Thüringer war mit einem 18-jährigen Münchner zusammengestoßen, der mit einem Schädelbasisbruch in ein Krankenhaus geflogen werden musste. Nach Informationen des Deutschen Skiverbands (DSV) ist der Unfallhergang wegen fehlender Zeugen noch ungeklärt.

Skipisten sind vor allem in den Weihnachtsferien noch immer Gefahrenzonen, weil in diesen Tagen die Zahl der Wintersportler einen Höhepunkt erreicht. Hinzu kommt, dass sich der Skifahrer gänzlich ohne Knautschzone mit buchstäblich unmenschlicher Geschwindigkeit in einem überfüllten Terrain bewegt, in dem sich keineswegs nur verantwortungsbewusste und durchtrainierte Mitmenschen aufhalten.

Unfallzahlen rückläufig

Da verwundert es schon ein wenig, wenn Andreas König, Sicherheitsexperte des Deutschen Skiverbands, Jahr für Jahr die gleiche Tendenz bestätigt: "Seit den 1980er Jahren sind die Unfallzahlen im alpinen Skisport rückläufig." Auch sind Kollisionunfälle, zumal tödlich endende wie in Mittersill, "die Nadel im Heuhaufen", sagt König. Dies sei auch auf die Tatsache zurückzuführen, dass mittlerweile viele Skifahrer freiwillig Schutzausrüstung tragen. "So makaber das klingen mag: Der Junge, der den Helm trug, ist schwer verletzt. Aber er lebt", sagt König.

Vor allem unter Kindern sei die Quote der Helmträger inzwischen enorm hoch - und damit die Zahl der schweren Unfallopfer rückläufig. Dabei funktioniert der Pistenbetrieb nach dem Prinzip der "Eigenverantwortlichkeit", wie Birgit Priesnitz, Geschäftsführerin des Verbandes Deutscher Seilbahnen, es nennt.

Anders als in Italien, wo Carabinieri beispielsweise auf die Einhaltung der Helmpflicht für Kinder achten, unkontrollierte Raser ermahnen und sogar Strafzettel verhängen, fehlen in anderen Ländern wie Deutschland und Österreich ordnende Instanzen.

Auch die Skigebietsbetreiber haben laut Priesnitz keine Sanktionsmöglichkeiten. Die Verantwortung beschränke sich auf die so genannte Verkehrssicherungspflicht. Der Skifahrer muss selbst "Vorkehrungen treffen, die erforderlich und ihm zumutbar sind, um die Schädigung Dritter möglichst zu verhindern", hat es das Bundesgerichtshof etwas gestelzt formuliert.

Als Richtlinie für das Miteinander der Skifahrer auf der Piste hat der Weltskiverband die zehn "FIS-Verhaltensregel für Skifahrer und Snowboarder" verfasst. Auch wenn diese präventiven Charakter haben, werden sie vielen Skifahrern erst nach einem Unfall bewusst - wenn die Regeln zur Ursachenfindung genutzt werden. Dann wird teilweise auch der gesamte Apparat des Rechtsstaats in Bewegung gesetzt, von der alpinen Einsatzgruppe der Polizei, die am Unfallort ermittelt, bis zu einer möglichen Gerichtsverhandlung.

Experte rät zur Komplettversicherung

Reinhard Dambeck, Rechtsexperte beim Deutschen Skiverband und Autor des Buches "Recht und Sicherheit im organisierten Skiraum", hält es deshalb für eine Frage der Vernunft, vor dem ersten Pistenbesuch eine Komplettversicherung abzuschließen: "Bei einem schweren Körperschaden mit Dauerfolgen kann das pekuniär bis an die Existenzgrenze des Schädigers gehen", sagt Dambeck. Auch für den Geschädigten sei eine solche Police, wie sie beispielsweise der DSV anbietet, nützlich, da sie neben Diebstahlsicherung und Bergungskosten auch den Rechtsschutz abdecke.

Allerdings habe Dambeck die Erfahrung gemacht, dass es bei gerichtlichen Auseinandersetzungen nach Unfällen auf der Piste weniger um den tatsächlichen Schaden oder Verletzungen als um Rechthaberei gehe: "Frei nach Kurt Tucholsky fallen viele hin - und anstatt aufzustehen, sehen sie sich erst einmal um, ob sie nicht einen Schuldigen ausmachen können."

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