UN-Drogenbericht:Afghanistan wird größter Drogenlieferant der Welt

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Trotz Wiederaufbau und Isaf-Einsatz: Der UN-Drogenbericht dokumentiert deutlich, wie wenig Kontrolle die Weltgemeinschaft noch immer über weite Teile des Landes hat.

Gerade erst hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) ein klares Bekenntnis zum Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan abgelegt, da melden die Vereinten Nationen, dass dort die Anbaufläche von Schlafmohn auf einen Rekordwert gestiegen ist.

Die Isaf-Soldaten stoßen demnach nicht nur zunehmend auf Widerstand, der sich etwa in Form einer wachsenden Zahl von Anschlägen ausdrückt. Der UN-Drogenbericht dokumentiert auch einmal mehr, wie wenig Kontrolle die Soldaten im Auftrag der Weltgemeinschaft über große Teile des Landes haben.

In der SPD-Zeitung Vorwärts hatte Steinmeier eingeräumt, der Wiederaufbau in Afghanistan verlaufe langsamer und schwieriger als geplant. Dennoch sei viel erreicht worden. So sei die "menschenverachtende Terrorherrschaft" der Taliban zu Ende, die Menschenrechte hätten wieder Geltung und die Demokratie sei im Aufbau. Zudem gebe es Fortschritte bei der Wasser-, Elektrizitäts- und Gesundheitsversorgung.

Der Exekutivdirektor des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC), Antonio Maria Costa, warnte dagegen, die Provinz Helmand im Süden des Landes werde zum größten Drogenlieferanten der Welt.

Er sprach von einem Krebsgeschwür, das Sicherheit und Gesundheit der Menschen bedrohe und Korruption hervorbringe.

Die USA und Großbritannien gehen inzwischen von einem langwierigen und schwierigen Kampf gegen den Drogenanbau in Afghanistan aus, wobei das Drogenproblem nicht über Nacht gelöst werden könne.

"Es ist ein komplexes Problem, das eine komplexe Lösung erfordert", sagte der Staatsminister im britischen Außenministerium, Kim Howells, nach einem Treffen mit dem Chef der Drogenbekämpfungsabteilung im Weißen Haus, John Walters, in Washington. Daher müssten die Erwartungen realistisch bleiben. "Wir müssen ehrlich darüber sein, was erreichbar ist", sagte Walters.

Der Drogenhandel in Afghanistan könne nur bekämpft werden, wenn legale Alternativen für die Landbevölkerung geschaffen würden, sagte Walters weiter. Außerdem gestalte sich die Festnahme von Drogenhändlern schwierig, "wenn es kein Strafjustizsystem gibt, das ein faires und ordentliches Verfahren abhält".

Und dem deutschen Außenminister zufolge könnte es ohne den Schutz der Bundeswehr überhaupt keinen Wiederaufbau geben. "Wer etwas anderes behauptet, betreibt billigen Populismus, der mit der Wirklichkeit in Afghanistan nichts zu tun hat", sagte Steinmeier mit Blick auf die Kritik der Partei Die Linken am Afghanistan-Einsatz.

Wie die UN berichten, sind die Anbauflächen von Schlafmohn um 59 Prozent auf 165.000 Hektar gestiegen - die größte Fläche für den Opium-Anbau, die in Afghanistan jemals verzeichnet wurde. Und dem Bericht des UNODC zufolge ist keine Besserung in Sicht. Es gebe vielmehr Hinweise, dass die Opiumproduktion 2007 noch gesteigert werde, hieß es.

Weiter geht aus dem Drogenbericht hervor, dass mittlerweile mehr als 90 Prozent des weltweiten Opiums aus Afghanistan stammen. 2006 seien dort 6100 Tonnen des Grundstoffs für die Heroin-Herstellung produziert worden, 50 Prozent mehr als im Vorjahr. Weltweit wurden 6610 Tonnen Opium hergestellt, mehr als je zuvor.

Seit 1998 ging der Anteil Südostasiens an der weltweiten Opiumproduktion von 67 Prozent auf zwölf Prozent 2006 zurück. Wichtigsten Anteil daran habe der Rückgang des Anbaus in Birma, hieß es in dem Bericht weiter.

Sorge bereitet den Vereinten Nationen die Entwicklung in Afrika. Drogenschmuggler suchten nach Wegen in die wichtigsten Märkte und nähmen zunehmend den Kontinent ins Visier, sagte Costa. Diese Bedrohung müsse zügig angegangen werden, um organisiertes Verbrechen, Geldwäsche und Korruption auszurotten und die Ausbreitung des Drogenkonsums zu verhindern.

Die UN-Experten kamen zu dem Schluss, dass sich die Produktion, der Handel und der Konsum anderer Drogen als Opium weltweit stabilisierte. Schätzungsweise 200 Millionen Menschen oder fünf Prozent der Gesamtbevölkerung zwischen 15 und 64 Jahren griffen in den vorangegangenen zwölf Monaten mindestens ein Mal zu illegalen Drogen. Davon gelten 25 Millionen als schwer abhängig. Diese Zahl blieb im Vergleich zum vergangenen Jahr konstant.

Cannabis macht immer noch den größten Teil der illegalen Drogen aus und wird weltweit von rund 160 Millionen Menschen konsumiert, wie es in dem Bericht hieß. In den wichtigsten Märkten Nordamerika und Westeuropa sei der Konsum jedoch leicht zurückgegangen. Am zweithäufigen werde zu Aufputschmitteln wie Ecstasy gegriffen, das 25 Millionen Menschen einnahmen.

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