Übergewicht:Dicke Freunde machen dick

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Wer zu dick ist, hat meist etliche Erklärungen dafür. Doch den Grund, den zwei US-Wissenschaftler jetzt anbieten, hat man bislang noch nicht gehört: Pfundige Freundschaften.

Werner Bartens

Wer zu dick ist, hat meist etliche Erklärungen dafür. Schwere Knochen, träger Stoffwechsel, schlechte Futterverwertung - und natürlich die Veranlagung. Alles Ausreden, bis auf die Gene, die das Risiko für Übergewicht in der Tat etwas erhöhen.

Zwei Forscher von den Universitäten Harvard und San Diego haben jetzt den wahren Grund für überflüssige Pfunde entdeckt: Im Fachmagazin New England Journal of Medicine von diesem Donnerstag erklären sie, warum freundschaftliche Beziehungen viel stärker als genetische Faktoren oder andere Umwelteinflüsse zur Gewichtszunahme beitragen. Einfacher ausgedrückt: Dicke Freunde machen dick.

"Ein übergewichtiger Mensch kann viele andere beeinflussen", sagt Gesundheitswissenschaftler Nicolas Christakis. "Es ist nicht so, dass die Leute - ob dick oder dünn - andere finden, die ähnlich aussehen wie sie. Der Zusammenhang ist wohl viel direkter."

Zusammen mit dem Politologen James Fowler hat Christakis die Daten von mehr als 12.000 Menschen über einen Zeitraum von 32 Jahren analysiert. Dies war im Rahmen der Framingham-Studie möglich. In der etwa 60.000 Einwohner zählenden Stadt Framingham bei Boston wird seit 1948 die Bevölkerung systematisch auf Gesundheitsrisiken untersucht.

Damit die Beziehungen der Probanden untereinander analysiert werden konnten, musste das soziale Netzwerk der Bewohner zunächst in einem Rechenmodell abgebildet werden - das nahm zwei Jahre in Anspruch. Erst dann konnten die Forscher die erstaunliche Beobachtung machen, wie "sozial ansteckend" Übergewicht ist.

Freunde wichtiger als Blutsverwandte oder Partner

Besonders überraschend war, dass der Einfluss von Freunden auf das Gewicht deutlich größer war als der von Blutsverwandten oder Partnern: Wird ein enger Freund dick, liegt das eigene Risiko, ebenfalls übergewichtig zu werden, bei 57 Prozent.

Nimmt ein Geschwister zu, beträgt die Wahrscheinlichkeit, zuzulegen, nur 40 Prozent. Wird der Ehepartner runder, liegt das Risiko, auch zuzunehmen bei 37 Prozent. Obwohl Familienmitglieder zumeist ähnlicher essen als Freunde, war die Beeinflussung innerhalb desselben Haushalts nicht so groß.

Der Einfluss auf das Gewicht war unter gleichgeschlechtlichen Freunden und Geschwistern deutlich ausgeprägter als unter gegengeschlechtlichen und ließ sich in allen sozialen Schichten beobachten. "Wenn jemand dick wird, ändert sich wahrscheinlich in der engsten Bezugsgruppe die Einschätzung, was als angemessener Körperumfang gilt", vermutet Christakis. "Das Umfeld denkt dann, es sei in Ordnung dicker zu sein - und diese Wahrnehmung breitet sich aus."

Albert-László Barabási, Experte für Netzwerke von der University of Notre Dame in South Bend (Notre Dame), Indiana weist auf wichtige Folgen dieser Studie für die medizinische Forschung hin: Die Entschlüsselung des Genoms habe die Begeisterung der Forscher für neue Erbanlagen entfacht. Etliche Gene würden aber nur einen Bruchteil der Erkrankungen erklären können.

"Die Forscher glauben dann, dass die restlichen Leiden von anderen, noch unentdeckten Genen herrühren", sagt Barabási. "So einfach ist es aber nicht. Soziale Netzwerke, in diesem Falle Freundschaften, sind viel entscheidender."

Dass Übergewicht sozial übertragbar ist, gibt allerdings nur die halbe Wahrheit wieder. "Wir haben ja nicht nur gezeigt, dass Übergewicht ansteckend ist. Schlank sein ist ebenso ansteckend", sagt James Fowler. "Wenn wir einem Menschen helfen, Gewicht zu verlieren, helfen wir vielen."

© SZ vom 26.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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