Überbleibsel aus der DDR:Fetzt urst ein

25 Jahre Mauerfall - Trabbiparade

Urst, so ein Auto: Eine "Staatskarosse" - wohl ein alter Lada (Schiguli) - bei einer Trabbiparade am ehemaligen Grenzübergang Duderstadt/Worbis.

(Foto: dpa)

Sie verstehen die Überschrift nicht? Dann sind Sie definitiv nicht aus dem Osten Deutschlands. Welche Wörter die Wende überlebt haben und wo, damit beschäftigt sich die Gesellschaft für deutsche Sprache. Ein Glossar urtypischer DDR-Begriffe.

Von Ruth Schneeberger, Berlin

Die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) ist eine recht praktische Einrichtung; sie kürt unter anderem das Wort des Jahres. Dank ihr erfahren wir, warum Worte wie Finanzkrise, Abwrackprämie, Wutbürger, Stresstest, Rettungsroutine und GroKo (so die Abfolge seit 2008) nähere Betrachtung wert sind und trotz allgemeinem Gebrauch nicht immer das ausdrücken, was sie eigentlich meinen.

Die GfdS ist aber auch ein Verein, der sich regelmäßig trifft, um Neuerungen im sprachlichen Verständnis zu besprechen, wie am Dienstagabend an der Humboldt-Uni in Berlin, zum Thema: "Sprachliches zwischen Ost und West 25 Jahre nach dem Mauerfall".

Als GfdS-Vereinsvorsitzender vertritt Sprachwissenschaftler Armin Burkhardt eine interessante These. Die berühmte Pressekonferenz von Günther Schabowski am 9. November 1989, die in den vergangenen Tagen wieder durch alle Medien ging mit den goldenen Worten "Das tritt nach meiner Kenntnis ... ist das sofort, unverzüglich" zeige in ihrer aus heutiger Sicht geradezu kabarettreifen Sprache eben nicht, dass Schabowski federführend zur Maueröffnung beigetragen habe. Sondern dass vor allem die Journalisten ihn anders verstanden hätten, als er sich habe ausdrücken wollen. Die Maueröffnung sei also unter anderem ein Kommunikationsproblem gewesen.

Welche Kommunikationsprobleme nun, 25 Jahre nach der Wende, noch zwischen Ost- und Westteil der Hauptstadt vorherrschen können, zeigte Sprachwissenschaftler Peter Schlobinski, der seine Ergebnisse aus einer Forsa-Umfrage präsentierte: "Das Berlinische in der Einschätzung der Bürger der Hauptstadt" zeigt seines Erachtens zwar, dass Ost und West hier immer weiter zusammenwachsen, weil typische Ost-Begriffe auch den West-Berlinern ein Begriff sind und andersherum.

Trotzdem gibt es typische DDR-Wörter, die vor allem außerhalb Berlins noch in ständigem Gebrauch sind und die Wende somit überlebt haben - und in einigen Fällen aus dem Westen übernommen wurden. Ein Glossar der mehr oder weniger bekannten Beispiele:

Etwas abnicken lassen (etwas von Vorgesetzten bestätigen lassen)

Broiler (Brathähnchen)

Das fetzt! (Das ist super/toll/macht Spaß!)

Datsche (Wochenendhaus)

Feierabendheim (Altenheim/Pflegeheim)

Feinfrostgemüse (Tiefkühlgemüse)

Ketwurst (eine Art Hotdog)

Konsum (Lebensmittelladen, jetzt Supermarkt-Kette)

Kosmonaut (Astronaut)

Plaste (Plastik)

Roster (Bratwurst)

Soljanka (Suppe mit Letscho, einem beliebten Paprikagemüse ungarischer Art, oder variablen Gemüsesorten wie Saure Gurken und Kohl sowie mit Wurst)

Theateranrecht (Theaterabo)

urst (super/toll)

Werte/Werter (höfliche Form der Anrede; zwischen "Sehr geehrte/r" und "Liebe/r" angesiedelt)

Würzfleisch (Ragout fin, aber nicht mit Kalb, sondern mit Schwein oder Geflügel)

Zielstellung (Zielsetzung)

Wörter, die die DDR nicht überlebt haben

Ruth Reiher von der GfdS merkt an, dass sich, von diesen Ausnahmen abgesehen, im Wortschatz eine Angleichung des östlichen Sprachgebrauchs an den westlichen vollzogen habe. "Allerdings ist östlicher Wortschatz noch als Archaismus vorhanden und wird auch erhalten bleiben, um über die gesellschaftlichen und sprachlichen Verhältnisse in der DDR angemessen sprechen zu können."

Zusammen mit Klaus Dieter-Ludwig, der an diesem Abend als GfdS-Zweigstellenleiter Berlins verabschiedet wurde, kann sie sich noch an Worte erinnern, die die DDR nicht überlebt haben - weil sie Dinge bezeichnen, die es nicht mehr gibt:

Abschnittsbevollmächtigter (Volkspolizist, der für bestimmte Bereiche in Gemeinden, Stadtbezirken und auf Streckenabschnitten der Reichsbahn zuständig war)

Dorfakademie (Einrichtung der Erwachsenenbildung in der DDR mit Abendkursen zur beruflichen Fortbildung der Landbevölkerung)

EOS (Erweiterte Oberschule)

Hausbuch (über jedes Haus, die jeweiligen Mieter mit Namen, Geburtsdatum und Beruf sowie über Besucher aus dem Westen musste per Meldeordnung Buch geführt werden)

Kaderabteilung (Personalabteilung)

Klubhausleiter (in Klubhäusern fanden Theater-, Groß- und Parteiveranstaltungen statt)

Schonplatz (Arbeitsplatz, der jemandem zugewiesen wird, der aus gesundheitlichen Gründen vorübergehend nicht in der Lage ist, seine übliche Arbeit zu verrichten)

VEB (Volkseigener Betrieb)

Volkspolizei (umgangssprachlich Vopo, amtlich DVP, zentralistisch organisierte Polizei)

Dass auch ganze Sätze oder Satzbausteine heute noch von Menschen aus dem Osten ganz normal in den Sprachgebrauch einfließen, die im Westen aufgrund des Dialekts kaum verstanden werden, zeigt Norbert Dittmar in seiner "Spurensuche nach sprachlicher Identität, 25 Jahre nach Fall der Sprachmauer". Er konzentrierte sich unter anderem auf das "weeß ick" (Stimme geht bei "ick" nach oben), das Berliner und DDR-Muttersprachler oft mehrfach in Sätze einbauen, und das soviel bedeutet wie "was weiß ich".

Und obwohl das Wort "urst" inzwischen auch in den alten Bundesländern ein Begriff sei, werde ein Satz wie "Fetzt urst ein", den die linke Wochenzeitung Jungle World noch in diesem Sommer als Überschrift für die Besprechung eines DDR-Comics verwendete, in "westlichen" Medien wohl niemals zu finden sein, mutmaßt Sprachwissenschaftler Schlobinski.

Was hiermit widerlegt wäre. So wächst endlich zusammen, was zusammengehört.

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