Türkische Männer:Machos mit Erektionsproblemen

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Türkische Männer geben gern den Macho - dabei ist ihr Sexleben nicht gerade der Hammer. Behauptet zumindest eine Studie.

Kai Strittmatter, Istanbul

Als vor ein paar Jahren Amerikas berühmteste Puffmutter Heidi Fleiss ein Bordell für Frauen eröffnen wollte, da zitierte die türkische Presse sie stolz mit den Worten, türkische Männer würde sie sofort einstellen: "Sie sind so stark und phantasievoll." Das schmeichelte dem Selbstbild des Türken, der sich in einer Umfrage des Kondomherstellers Durex rühmt, im Durchschnitt 14,5 Sexpartner gehabt zu haben. Was Weltspitze ist. Oder einfach gelogen.

Er wär so gern ein Macho, kämpft aber laut einer Studie mit Erektionsproblemen: der türkische Mann. (Foto: Foto: AFP)

Jedenfalls stellten Forscher in Istanbul vergangene Woche eine Studie vor, die für türkische Machos ein Schlag unter die Gürtellinie sein muss: Zwei Drittel aller Türken haben demnach Erektionsprobleme. In der großen Zeitung Milliyet spottete die Kolumnistin Melis Alphan daraufhin, wahrscheinlich müsse man in dem Spruch "Stark wie ein Türke", das Wörtchen "stark" nun durch "schlapp" ersetzen.

Der Pharmakonzern freut sich

Gefreut haben dürfte sich über die Ergebnisse lediglich der Bayer-Konzern, der die Studie unterstützte und der praktischerweise ein Mittelchen zur Behebung von Erektionsproblemen im Programm hat. Ärzte der türkischen Gesellschaft für Andrologie, für Männerheilkunde also, waren ein halbes Jahr lang mit einem zur Minipraxis umgebauten Transporter durch 25 türkische Provinzen gefahren, warben in Teehäusern und Wettbüros um Probanden und untersuchten nicht weniger als 66.670 Männer im Alter zwischen 15 und 82. "Manche dieser Männer waren noch nie in ihrem Leben beim Arzt", berichtete Ümit Aktan, der Sprecher des Projekts. Die Ärzte maßen Bluthochdruck und Cholesterol, untersuchten auf Diabetes und Übergewicht. Und immer hatten sie dabei der Türken bestes Stück im Blick.

Offiziell hieß die Kampagne: "Wir sprechen von Mann zu Mann über die Gesundheit." Das inoffizielle Motto formuliert Professor Ates Kadioglu von der Gesellschaft für Andrologie so: "Der Penis ist das Barometer der männlichen Gesundheit." Und das zeigt für die Türkei leider Tiefdruck an. Professor Kadioglu wusste zu berichten, dass seine Mitarbeiter einen durchschnittliche Erektionshärtegrad von 17,28 Punkten gemessen hätten, wo auf seiner Skala doch 22 bis 25 Punkte ideal wären. Der Professor nannte zwei Gründe: falsche Ernährung und "Lebensumstände". Neun von zehn Untersuchten waren übergewichtig. Und die Lebensumstände? Das spielt auf das oft verkorkste Liebesleben des konservativen und frommen Volkes an, bei dem Sex in weiten Teilen noch mit Tabus belegt ist. Türkische Sexualforscher wie der Istanbuler Arzt Akif Poroy oder der Psychiater Haydar Dümen beschreiben ihr Land gerne als sexuelles Notstandsgebiet, in dem verklemmte Männer und frigide Frauen einander so hilflos wie vergeblich Lust abzugewinnen versuchen.

Manneskraft in Izmir

Es gibt auch gute Nachrichten. In den modernen Küstenstädten des Landes stehen die Barometer offenbar auf Sonnenschein. Anführerin der Rangliste der Manneskraft ist die Stadt Izmir. Mehr als eine Zeitung titelte daraufhin: "Wir sind alle Izmirer!" Erektiles Katastrophengebiet Nummer eins hingegen ist die Stadt Konya, Zentrum anatolischer Frömmigkeit. Aufmerksam registrierte die nationale Presse, dass zur festlichen Vorstellung der Studie kein Vertreter aus Konya erschienen war, während die anwesenden Männer aus Izmir als Geheimnis ihres Erfolges mal den Anisschnaps Raki, mal gegrillten Seefisch empfahlen, letztlich jedoch die Lorbeeren charmant an ihre Frauen weitergaben, an jene "Mädchen aus Izmir", deren Absätze in dem bekannten Lied von Sezen Aksu so klappern wie nirgends sonst.

© SZ vom 07.07.2009/aro - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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