Trendsport Yoga:"Lieber Matte als Roter Teppich"

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Elf Wahrheiten über Yoga von Dechen Thurman: Er ist Jivamukti-Lehrer in New York - und ach ja, der Bruder von Uma Thurman.

Antje Wewer

Berlin, Café Einstein. Dechen Thurman ist Yogalehrer, aber natürlich nicht irgendeiner. Er ist der Robbie Williams der Szene: Seine Stunden im Jivamukti-Center New York werden besonders gerne von Frauen besucht, er hat viel Charme und keinen Astralkörper. Und, okay, er ist der kleine Bruder der Schauspielerin Uma Thurman. Man könnte meinen, dieser Fakt würde in der spirituellen Yoga-Szene eher klein gehalten, wird er aber nicht. Wenn der 39-Jährige in der Jivamukti-Schule in Berlin einen Workshop gibt, wird der Wochen vorher mit der Einleitung angekündigt, dass er der Bruder der berühmten Uma ist. Dann kann man auch nach der Qualität ihres abwärts gerichteten Hundes fragen.

Promis haben Yoga sehr populär gemacht. Wo wären wir ohne Christy Turlington, Sting und Madonna?" - Wenn Dechen Thurman nicht mit dem Herbstlaub spielt, unterrichtet er Jivamukti-Yoga. (Foto: Alfred Steffen)

Auch Yogalehrer leiden

Ja, man kann durch Yoga gelenkiger und gelassener werden. Sich auf ein anderes spirituelles Level begeben, ist schon schwieriger. Und noch schwieriger ist es, durch das Praktizieren seinen seelischen Ballast abzuwerfen. Auch ich leider immer wieder wahnsinnig darunter, dass meine Schwester Uma eine der gefragtesten Schauspielerinnen in Hollywood ist. Von uns vier Kindern ist Uma definitiv diejenige, die das gute Aussehen unserer Model-Mutter geerbt hat. Ich bewundere Uma sehr dafür, dass das Filmbiz sie nicht mürbe gemacht hat. Vermutlich ist sie ein "natural Yogi". Ohne zu üben. Meine Schauspielkarriere ist nie richtig gezündet. Das Mainstream kann mit mir nichts anfangen, und ich bin für das Geschäft viel zu sensibel. Mein Agent hat meinen Vertrag gekündigt, weil ich für ihn ein Minus-Geschäft bin. Mein letzter Film war eine Low-Budget-Nummer, in dem ich einen katholischen Exorzisten spiele. Inzwischen ziehe ich die Yogamatte dem roten Teppich vor.

Jivamukti ist Funk

Jivamukti wurde 1984 von David Life und Sharon Gannon im New Yorker East Village gegründet. Kennengelernt habe ich die beiden Anfang der Neunziger. Ich war frisch auf der Schauspielschule und wohl ziemlich verspannt. Meine Lehrerin empfahl mir Yogastunden für die innere Balance und gab mir einen Flyer. Das erste Jivamukti-Studio befand sich auf der 2nd Avenue über einem Thai-Restaurant. Es gab keine Fahrstuhl, keinen Computer und man musste die Stunde cash bezahlen. Der Übungsraum war violett gestrichen, die Vorhänge pink. Der kleine Altar war mit Blumen, Fotos von "Zauberer von Oz", diversen indischen Göttern und natürlich Bob Dylan geschmückt. Die Stunden waren wild, kreativ und anstrengend. Die Musik war laut und es wurde viel gesungen. Die erste Stunde war wie Heroin für mich: Ich war sofort abhängig. Ich mochte die Verbindung von Spiritualität und körperlicher Ertüchtigung. Inzwischen wird Jivamukti-Yoga auf der ganzen Welt unterrichtet, diesen gewissen funkigen East-Village-Charme hat es aber nie verloren.

Stars sind nur Körper, die schwitzen

Promis haben Yoga definitiv sehr populär gemacht. Wo wären wir ohne Christy Turlington, Sting und Madonna? Wahrscheinlich nicht in den People-Magazinen. Meine Schwester kam 2006 zur Eröffnung des neuen Studios am Union Square. Nun ja, geschadet hat es sicher nicht. In New York kommen viele Stars in die Stunden, ohne dass ihnen viel Beachtung geschenkt wird. Für 90 Minuten sind sie einfach nur einer von vielen Körpern, die schwitzen.

Bloß keinen Burger essen vorher

Yoga-Etikette? Gibt es natürlich auch. Schuhe und Handys aus, Kaugummi raus, kein lautes Geschnatter vor der Stunde, nicht auf die Matte des Nachbarn treten, Schweißpfützen mit dem (eigenen) Handtuch entfernen und auf keinen Fall Shavasana (die Endentspannung) auslassen. Sie ist ein wichtiger Bestandteil jeder Stunde. Kurz vorher keine großen Mahlzeiten zu sich nehmen. Eventuelle Verdauungsgeräusche stören den Übenden selbst und natürlich auch die anderen Schüler.

Yoga-Hintern? Macht Pilates

Nur ein kleiner Teil der Yogaschüler ist auf der Suche danach. Sie wollen den in Amerika sehr begehrten "Yoga-Butt", einen entspannten Nacken oder ein besseres Karma. Auch nicht ganz verkehrt, aber dann kann man auch Pilates-Kurse besuchen.

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Shanti-Nagellack? Überflüssig

Eigentlich braucht es nur eine ausgeleierte Jogginghose und ein T-Shirt. Praktiziert wird immer barfuß. Ob es Shanti-Nagellack in spirituellen Farben gibt? Ich weiß es nicht. Ganz sicher gibt es inzwischen unzählige Marken von Nike bis Stella McCartney, die eine Yoga-Linie im Programm haben. Es gibt duftende Augenkissen, hübsche Lavendellotion, Yogi-Tee mit Marshmallow-Geschmack, mit Diamanten besetzte Om-Amulette, und einen Buddha kann man sich fix im Internet bestellen. Wer einmal anfängt, hört meist mit dem Konsumieren nicht mehr auf. Merke: China-Gel tut es auch.

Ohne Steak ist alles leichter

Vegetarier sind nicht die besseren Yogis. Fest steht aber, dass tierische Fette die Arterien blockieren und bei intensivem Training die Fortschritte behindern können. Es ist nicht wissenschaftlich bewiesen, aber ich glaube daran: Tiere essen macht aggressiv. Und die Rückbeugen gehen schon nach ein paar Wochen ohne Fleisch sehr viel leichter. Weiteres Plus: das Sexleben wird aktiver. Ich bin nicht das allerbeste Vorbild. Phasenweise ernähre ich mich komplett vegan, verliere dann immer wieder mal die Lust am Verzicht. Zum Beispiel heute: gerade habe ich mir einen Café latte (keine Sojamilch!) und ein Croissant bestellt.

Meditieren kann man überall

Das meditative Singen habe ich schon als kleiner Junge von meinem Vater Bob Thurman gelernt. Er ist überzeugter Buddhist und war der erste amerikanisch-tibetische Mönch (mit Segen des Dalai Lama). Allerdings kehrte er 1967 in die USA zurück und beendete diese Laufbahn. Vermutlich, weil er sich in meine Mutter verliebte, das schwedisch-deutsche Model Nena von Schlebrügge, die übrigens vorher mit Timothy Leary verheiratet war. Mein Vater unterrichtete dann als Professor "Tibetan Buddhist Studies" an der Columbia University. Der Dalai Lama war damals sehr enttäuscht, es dauerte zehn Jahre, bis die beiden sich wieder annäherten. Meine Yoga-Ambitionen nahm mein Vater anfangs nicht sonderlich ernst. Inzwischen unternehmen wir mit "Geographic Expeditions" Gruppenreisen nach Nepal oder Sri Lanka. Ich unterrichte Yoga, gehe mit den Leuten auf Trekking-Trips, und mein Vater hält an den schönsten Orten der Welt eine spirituelle Lesung.

Deutsche Yogis sind gewissenhaft

Der neuste Trend in den USA ist "Yogalosophy". Ich glaube, das ist ein Mix aus Yoga und Astrologie - genau weiß ich es nicht. Was ich weiß, ist, dass man einen ziemlich guten Geschäftssinn braucht, wenn man vom Unterrichten leben will. Darin unterscheiden wir uns nicht von Personaltrainern oder Physiotherapeuten. New York ist ein hartes Pflaster. Mache Lehrer werden nach der Anzahl ihrer Schüler bezahlt. Privatstunden sind natürlich sehr lukrativ, aber sie langweilen mich. Ich benutze lieber alle möglichen Tricks, um besonders viele Schüler in meine Stunden zu locken. Mal trage ich kleine Glöckchen ums Fußgelenk und tanze, mache Seifenblasen oder verteile Blumen für meine Spezialität, das "Flower-Yoga". In der Regel bemühe ich mich aber einfach nur, gut zu unterrichten. Meine deutschen Schüler empfinde ich übrigens als sehr diszipliniert. Aber vielleicht sind sie das nur, weil ich der Bruder von Uma Thurman bin?

Musik hilft

Die Puristen unter den Yogis hassen sie, für das Jivamukti-Yoga ist sie ein wichtiger Bestandteil. Weil sie Stimmungen verstärkt und den Schülern hilft, sich einzulassen. Ich bin ein großer Fan von Weltmusik: indische Flötenmusik von Hariprasad Chaurasia oder Chanten mit den Gyuto Monks.

Karma ist ein lebenslanger Prozess

Karma ist etwas Feines, arbeitet aber nicht linear. Die Belohnung kommt erst viel später. Vielleicht erst im nächsten Leben.

© SZ vom 23.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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