Totenfest:Besuch aus dem Grab

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In Mexiko feiern die Menschen jedes Jahr im November den "Tag der Toten" - ein großes, buntes Fest für ihre Verstorbenen. Traurig geht es dabei aber überhaupt nicht zu.

Von Peter Burghardt

Ein großes Fest für den Tod? Das feiern die Menschen in Mexiko jedes Jahr. Zwar trauern natürlich auch Mexikaner, wenn ein Verwandter oder Freund stirbt. Aber die 125 Millionen Einwohner ehren ihre Verstorbenen mit einer grandiosen Fiesta, wie Feste auf Spanisch heißen. Das Spektakel beginnt am 31. Oktober und erreicht seinen Höhepunkt am 2. November, dem Día de los muertos, dem Tag der Toten.

Auf mexikanischen Straßen und sogar Friedhöfen geht es dann viel fröhlicher zu als an Allerseelen und Allerheiligen in Deutschland - und bunter als an Halloween in den USA. Es ist eine Art Karneval. In Mexiko vermischen sich dabei christliche Traditionen - die meisten Mexikaner sind Katholiken - mit der Religion der Ureinwohner wie den Azteken. Denn seit vor Jahrhunderten die spanischen Eroberer einfielen, haben sich viele Bräuche und Zeremonien verbunden. So wurde es zum Volksglauben, dass der Tod nicht das Ende ist, sondern nur der Beginn eines anderen Lebens im Jenseits. Die unsterblichen Seelen der Verstorbenen kehren an diesem Tag der Toten, dem Día de los muertos, kurz ins Diesseits zurück und besuchen ihre Liebsten. Da müssen sich die Erdenbewohner entsprechend schick machen, sie müssen standesgemäß begrüßen und bewirten - ihre toten Gäste haben ja eine weite Anreise hinter sich.

Selbstverständlich erwartet kaum jemand ernsthaft, dass da plötzlich Gespenster aus den Gruften steigen und mit dem mexikanischen Schnaps Tequila anstoßen wollen. Es sind Begegnungen im übertragenen Sinne. Die Friedhöfe verwandeln sich dann in geschmückte Treffpunkte. Die Seelen der Toten werden am 1. November zunächst daheim zu Besuch erwartet, die toten Kinder und Ungetauften schon etwas früher. Nachher zieht man durch die Städte und Dörfer zu den Gräbern, dort wird gemeinsam gegessen, getrunken und oft auch die Nacht verbracht. Am 2. November schließlich folgt der Abschied. Bis zum nächsten Jahr.

Es gibt Spezialitäten wie das "Pan de muerto", das "Totenbrot" mit Zucker obendrauf. Besonders berühmt sind die verzierten Totenschädel aus Pappmaschee oder Schokolade, Marzipan und Zuckerguss, auf Spanisch "calaveras" genannt. Oder die lustigen und nur ein bisschen gruseligen Skelette aus Holz, Papier oder Teig. Das alles sieht man in Schaufenstern, auf Märkten, in Mausoleen. Dazu werden Kerzen aufgestellt und Fotos der Toten, deren bevorzugte Speisen und Getränke und die gelben Blumen cempasúchil. Die aztekische Göttin Xochiquetzal liebt deren leuchtende Blüten, heißt es. Musikgruppen spielen Lieblingslieder der Toten, man erzählt ihre Geschichten. Manches mag Fremden merkwürdig vorkommen. Aber der Spaß soll dem Tod den Schrecken nehmen und zeigen, dass das Leben nicht endet, wenn ein Herz zu schlagen aufhört.

© SZ vom 31.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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